Laborprozesse und Messungen beschleunigen, Krankenhäuser desinfizieren, Mundschutzmasken produzieren, medizinische Behandlungen absichern: Angesichts der Corona-Pandemie gibt es viele wichtige Aufgaben, bei denen Robotik und Automation wertvolle Dienste leisten oder zukünftig leisten könnten. „Die Hilfsbereitschaft und Kreativität der Betriebe hat uns überwältigt“, sagt Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Robotik + Automation. „Von allen Seiten kommen Initiativen und neue Ideen, um Automatisierungstechnik für die Bewältigung der Corona-Krise einzusetzen. Dabei legen die Unternehmen eine atemberaubende Geschwindigkeit an den Tag: Es weht uns gerade eine kräftige Brise Gründerspirit um die Ohren.“
Hier einige Beispiele:
Roboter-Drive-Through für Corona-Massentest
Im Gegensatz zum medizinischen Personal sind Roboter immun gegen Pandemien. Das nutzt eine neue Idee von Boka Automatisierung aus Unterfranken. Die vollautomatische Anlage erinnert an das Kundenerlebnis in einem Drive-Through-Schnellrestaurant und kann von jedem Autofahrer für einen Corona-Test genutzt werden. Über ein Tablet identifiziert sich der Autofahrer durch das Seitenfenster seines Fahrzeugs und ein Fanuc LR-Mate Roboter überreicht ihm ein Teströhrchen. Eine Videoanleitung leitet die Probenentnahme an. Das Teströhrchen wird danach wieder automatisiert zurückgenommen.
Die Zuordnung der Test läuft über Barcodes an den einzelnen Teströhrchen. Jede Testperson muss zu Beginn ihren Personalausweis einscannen, damit der Roboter die Daten dem jeweiligen Test zuschreiben kann. Innerhalb von 24 Stunden kann der entwickelte Roboter rund 240 Proben durchführen.
Durch den Einsatz des Roboterarms ist ein Corona-Test vom Auto aus kontaktlos möglich. Mitarbeiter, die die Proben anschließend auswerten, geraten nicht in direkten Kontakt mit den Testpersonen. Die Roboterzelle vermindert aber nicht nur das Infektionsrisiko an solchen Teststellen, sondern macht auch Personal frei, welches dann wieder an anderen Stellen, wie in Krankenhäusern eingesetzt werden könne.
Roboter automatisiert Testherstellung
Neben solchen akuten Abstrich-Tests werden aber auch verstärkt Bluttests auf Antikörper durchgeführt. Aber wo kommt das Material für all die vielen Corona-Tests her? Unter anderem aus Anlagen von Robotec Solutions. Die Schweizer Robotikspezialisten bauen aktuell Roboteranlagen für mehrere globale Firmen im Healthcare- und Diagnostikbereich.
Die Roboter entladen in einem Reinraum Formteile, die für die Corona-Tests benötigt werden. Diese Formteile werden unter anderem im Spritzgiessverfahren bei der Firma Flex Precision Plastics hergestellt. Nach dem erfolgreichen Entladen werden die Teile durch Hochspannungsprüfungen, Vision-Systeme und ausgeklügelter Sensortechnik auf Qualität kontrolliert. Gutteile werden anschließend mittels Laser beschriftet und entweder auf einem Förderband ausgegeben oder gleich fertig verpackt. Der Bedarf für diese Wegwerfprodukte, die nach jedem Test ausgewechselt werden müssen, ist durch das Coronavirus um das x-Fache gestiegen. Fünf solche Anlagen hat Robotec daher innerhalb kürzester Zeit realisiert – unter Hochdruck bei strengen hygienischen Maßnahmen.
Mundschutzmasken produzieren
Der Montageanlagenbauer PIA Automation hilft, auf die sprunghaft gestiegene Nachfrage nach Mundschutzmasken und andere persönlicher Schutzausrüstung (PSA) zu reagieren. Der Montageanlagenbauer bietet vollautomatische Montagelinien für die Hochgeschwindigkeitsfertigung von Schutzmasken an. Seit der rasanten Ausbreitung des Virus sind bei PIA in Amberg über 100 Anfragen aus allen Teilen der Welt eingegangen.
Der Standort Amberg beherbergt das medizinische Kompetenzzentrum der PIA Gruppe und wurde mittlerweile mit der Produktion von einem Dutzend vollautomatischer Anlagen für die Fertigung von Mundschutzmasken beauftragt. Viele Unternehmen folgen dem Aufruf der bayerischen Staatsregierung, eine nationale Produktion an persönlicher Schutzausrüstung aufzubauen. Unter ihnen auch die Firma Zettl Automotive, die nun in einer Partnerschaft mit PIA die Produktion von Mundschutzmasken aufzieht. Das Ziel ist die Herstellung von rund 1 Million Mundschutzmasken pro Tag. Mit diesem ambitionierten Vorhaben zeigen beide Unternehmen, dass – neben dem „Social Distancing“ – auch ein „Industrial Approaching“ zur Eindämmung des Corona-Virus beitragen kann.
Jede dieser vollautomatischen Produktionslinien für die Hochgeschwindigkeitsfertigung kann bis zu 140.000 Mundschutzmasken (abhängig von Typ und Material) pro Tag liefern, also ein Vielfaches an dem was aktuell per Hand hergestellt wird. In Europa kann PIA damit einen Beitrag leisten, damit der Bedarf an solchen Masken – vor allem im Hinblick auf die Ausweitung einer Tragepflicht in immer mehr Ländern – gedeckt wird.
Automatische Produktionsanlage für Mundschutz-Masken
Das Projekt bei PIA ist kein Einzelfall: Der Maschinenbauer Ruhlamat aus Thüringen hat ebenfalls Nägel mit Köpfen gemacht und mit enormem Tempo eine Produktionslinie für chirurgische Einwegmasken entwickelt. Das Filtermaterial für den Atemschutz lässt sich je nach den benötigten Sicherheitslevels flexibel verarbeiten. Und auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT aus Aachen baut gemeinsam mit der IBF Automation GmbH aus Freudenberg im Auftrag der Moss GmbH aus Lennestadt im Sauerland eine Produktionsanlage für MNS-Mundschutz-Masken in Deutschland auf. Die Projektpartner haben sich das ambitionierte Ziel gesteckt, innerhalb von nur vier Wochen eine Produktionsanlage aufzubauen, mit der sich täglich 50.000 Mundschutz-Masken produzieren lassen. Dazu greifen sie auf bereits bestehende Konstruktionspläne der Moss GmbH zurück und nutzen das jahrelange Know-how von Fraunhofer IPT und IBF Automation im Bereich des Sondermaschinenbaus und der Automatisierung. Anschließend sollen drei weitere Anlagen in Deutschland aufgestellt werden, um die Produktion auf täglich 200 000 Masken ausweiten zu können.
Roboter sortieren Blutproben
Zwei Kuka-Roboter sortieren 3.000 Blutproben am Tag: Der sprunghafte Anstieg von COVID-19-Testverfahren erfordert die Durchführung zahlreicher Bluttests. Dieser Prozess wird traditionell von Laboranten in Kliniken händisch durchgeführt, ist sehr zeitaufwändig und monoton – also ein idealer Prozess, um automatisiert zu werden. Im Universitätsklinikum Aalborg in Dänemark gibt es bereits ein Labor, das auch schon vor der Coronakrise von der Automatisierung profitierte. Täglich werden bis zu 3000 Blutproben in dem größten Krankenhaus in der Region Nordjütland von zwei Kuka-Robotern sorgfältig sortiert. Die Mitarbeiter sind von einem enormen Arbeitsaufwand entlastet und können sich auf anspruchsvolle Tätigkeiten abseits der Routine konzentrieren.
Roboter fürs Desinfizieren
Der Desinfektionsroboter UVD Robot von Blue Ocean Robotics fährt autonom durch Krankenhäuser und sendet dabei konzentriertes UV-C-Licht aus, um Bakterien und andere schädliche Mikroorganismen zu beseitigen. Dadurch erreichen die Kliniken eine Desinfektionsrate von 99,99 % und reduzieren damit das Risiko für Patienten, Personal und Besucher, sich mit gefährlichen Erregern zu infizieren.
So ist die Nachfrage nach dem Desinfektionsroboter UVD von Blue Ocean Robotics seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie stark gestiegen: chinesische Krankenhäuser bestellten mehr als 2.000 UVD-Roboter des dänischen Herstellers Blue Ocean Robotics. Eingesetzt wurden die UVD-Desinfektionsroboter in Wuhan, dem Ursprungsort der globalen Pandemie. Derzeit werden die Roboter in mehr als 40 Ländern genutzt – in Asien, Europa und Nordamerika.
„Mit unseren Robotern helfen wir dabei, eines der größten Probleme unserer Zeit zu lösen: die Verbreitung von Viren und Bakterien einzudämmen und damit Leben zu retten“, sagt Claus Risager, CEO von Blue Ocean Robotics. „Die Nachfrage für den UVD ist mit Ausbruch der COVID-19-Infektionen sprunghaft gestiegen. Unsere Bestandskunden kaufen deutlich mehr Geräte als vor der Krise, aber auch viele neue Kunden bestellen die UVD-Roboter zur Bekämpfung von Coronaviren und anderen schädlichen Mikroorganismen.“ Blue Ocean Robotics verzeichnete in den letzten zwei Jahren ein jährliches Umsatzwachstum von mehr als 400 Prozent.
Der UVD-Roboter fährt selbständig durch die Räume und positioniert sich autonom in seiner Einsatzumgebung. Das Gerät behandelt dabei die Oberflächen in einer Krankenstation mit Licht aus mehreren Winkeln und aus nächster Nähe. Der Roboter desinfiziert alle Kontaktflächen und stoppt auch an vordefinierten Hotspots, die eine längere Verweildauer erfordern.
Auch Siemens baut Desinfektionsroboter
Siemens hat, in Zusammenarbeit mit der chinesischen Aucma Co. Ltd., in nur einer Woche einen intelligenten Desinfektionsroboter von der Idee bis zum Prototyp entwickelt. Dieser soll schon bald im Kampf gegen das Coronavirus und andere Viren in Krankenhäusern, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zum Einsatz kommen.
Der elektrische Roboter reinigt mit zwei Vernebelungspistolen innerhalb einer Stunde eine Fläche von bis zu 36000 m² und überwindet mit seinem Fahrwerk Hindernisse und Höhenunterschiede. Eine 360°-Kameraplattform auf der Oberseite überträgt Bilddaten und Informationen in Echtzeit.
Roboter für Labor und Krankenhaus
Mit einem mobilen und kollaborativen YuMi-Roboter für Labor und Krankenhaus will ABB medizinisches Fachpersonal und Laborfachkräfte bei der Laborarbeit und logistischen Aufgaben im Krankenhaus unterstützen. Dazu hat ABB auf dem Campus des Texas Medical Center (TMC) in Houston, Texas, einen globalen Health Care Hub eröffnet, der sich speziell der Gesundheitsforschung widmet.
Der mobile YuMi-Roboter kann ein breites Spektrum wiederkehrender und zeitaufwändiger Tätigkeiten übernehmen und unter anderem Medikamente vorbereiten, Zentrifugen be- und entladen, pipettieren, mit Flüssigkeiten umgehen sowie Reagenzgläser aufnehmen und sortieren.
Ebenso könnte der mobile YuMi auch in Krankenhäusern für Logistikaufgaben eingesetzt werden. YuMi könnte etwa Medikamente dosieren, sie dorthin bringen, wo sie im Krankenhaus benötigt werden, medizinisches Versorgungsmaterial für das Krankenhauspersonal bereitstellen oder Bettwäsche direkt in die Zimmer der Patienten liefern. Das ermöglicht es medizinischem Fachpersonal und Laborkräften, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren, wodurch letztlich mehr Patienten behandelt werden können.
Vollautomatisierte Roboter-Arbeitsstation fürs Labor
Yaskawa hat speziell für die Laborautomatisierung den zweiarmigen Roboter Motoman CSDA10F entwickelt. Mit seiner menschenähnlichen Statur und den beiden Armen, die sowohl individuell als auch synchronisiert Bewegungen ausführen können, ist er dank multifunktionaler Werkzeuge und Greifer ausgesprochen vielseitig einsetzbar.
Der zweiarmige Motoman CSDA10F arbeitet mit nahezu jeder vorhandenen Standard-Laborausrüstung und ist in der Lage, mit herkömmlicher Laborausstattung umzugehen, wie sie von Handarbeitsplätzen her bekannt ist: z. B. Petrischalen, Handpipettierern, Inkubatoren oder Reaktionsgefäße. Automatisierungsgerechte Ausstattung, wie Pipettierer mitsamt teurer Spitzen oder Mikrotiterplatten-Bahnhöfe sind zwar hinsichtlich einer Durchsatzverbesserung hilfreich, aber nicht erforderlich.
Die vorhandenen Analytikgeräte werden, mitsamt ihrer software-technischen Anbindung, übernommen, auch wenn sie eigentlich nicht für die klassische Automatisierung optimiert wurden. So sind z. B. teure Liquid-Handlingsysteme – mit ihrem kostspieligen Verbrauchsmaterial – nicht unbedingt erforderlich, da der Roboter diese Aufgabe direkt mit übernehmen kann.
Roboter James hilft bei Besuchsverboten im Seniorenheim
RobShare, ein Unternehmen der Hahn Group Rheinböllen, unterstützt Bewohner von Pflegeheimen, während der Besuchsverbote Kontakt zu Familienmitgliedern zu halten. James heißt der nette Kommunikationsautomat. Der Roboter besucht die Menschen in den unter Quarantäne stehenden Räumen und schaltet Familienmitglieder einfach per Videokonferenz zusammen. RobShare bietet die Miete der Roboter kostenfrei an. „Wir verdienen an dieser Aktion keinen Cent, sondern müssen nur zusehen, dass unsere Selbstkosten größtenteils abgedeckt werden“, sagt Konstantin Dick von der Hahn Group. „Deshalb haben wir bereits mit der Suche nach Sponsoren begonnen, damit die Aktion für die Pflegeheime komplett kostenfrei angeboten werden kann.“
Roboterassistent für die Intubation
Das schnelle und korrekte Einführen eines Beatmungsschlauchs in die Lunge (Intubation) kann das Leben eines Patienten retten. Ein roboterassistiertes System aus Zürich findet mit Bilderkennung auch von allein den Weg in die Luftröhre und unterstützt Ungeübte. Realiti (robotic endoscope-automated via laryngeal imaging for tracheal intubation) findet dank Bilderkennung automatisch den richtigen Weg in die Luftröhre und überträgt den ganzen Vorgang auf einen Videobildschirm.
Das tragbare und einfache Gerät funktioniert wie ein Endoskop, auf das man den Beatmungsschlauch aufzieht und diesen dann in die Luftröhre vorschiebt. An seiner Spitze ist eine Kamera montiert, die nicht nur das Bild laufend auf einen Monitor überträgt, sondern es auch permanent mit gespeicherten Aufnahmen der menschlichen Anatomie im Schlund- und Kehlkopfbereich abgleicht.
Polizeiroboter überwacht
Im Zuge des Kampfs gegen das Coronavirus setzt man in China verstärkt 5G-Polizeiroboter von Guangzhou Gosuncn Robot ein. Die Polizeiroboter wurden bereits auf Flughäfen und in Einkaufszentren in Guangzhou, Shanghai, Xi‘an und Guiyang gesichtet. Die 5G-Roboter können Polizeibeamte bei der Durchführung von Inspektionen zur Krankheitsvorbeugung unterstützen. Dafür sind die Polizeiroboter mit 5 hochauflösenden Kameras und Infrarot-Thermometern ausgestattet, die die Temperatur von 10 Personen gleichzeitig in einem Radius von 5 Metern scannen können.
Wenn eine erhöhte Temperatur oder das Fehlen einer Mundschutzmaske festgestellt wird, senden die Polizeiroboter eine Warnung an die zuständigen Behörden. Alle Daten können an ein zentrales Kontrollzentrum übertragen werden, um in Echtzeit situationsbezogen reagieren zu können.
Corona-Infizierte aus sicherem Abstand aufspüren
Ein innovatives Messverfahren von Stuttgarter Fraunhofer-Forschern hilft, Corona-infizierte Personen aus sicherem Abstand aufzuspüren. Es registriert Fieber, erhöhten Puls und schnellen Atem, ohne den messenden Mitarbeiter zu gefährden. Denn das Verfahren des FraunhoferIPA misst alle relevanten Parameter aus einer Entfernung von einem Meter. Der Mitarbeiter, der die Messung von einem Laptop aus durchführt, kann den geforderten Mindestabstand von anderthalb bis zwei Metern problemlos einhalten. Die Fraunhofer-Institute IPA und IAO testen gerade im Stuttgarter Robert Bosch-Krankenhaus das Verfahren.
Das Verfahren misst nicht nur die Körpertemperatur mit einer Thermokamera, sondern auch die Herz- und die Atemfrequenz mit Hilfe von Mikrowellen. Ein Radarmodul mit Mikrodopplerverfahren kommt dabei zum Einsatz. Das Forscherteam prüft nun vor Ort, ob und wie genau das Messverfahren den von Krankenpflegern im Eingangsbereich erhobenen Daten entspricht und ob der Ablauf praktikabel ist. Das Verfahren wurde in nur wenigen Wochen entwickelt und soll einen Beitrag zur möglichst schnellen Eindämmung der Corona-Pandemie leisten.
Berührungslos Fiebermessen: Corona-Massenscreening mit IDS-Kameras
In Zeiten der Corona-Pandemie setzen auch Flughäfen verstärkt auf Zugangskontrollen mit Temperatur-Messung, um Reisende mit Krankheitssymptomen erkennen zu können. So setzt ein britisches Unternehmen IDS-Kameras zusammen mit Wärmebildkameras ein, um Personen mit erhöhter Temperatur und so möglicherweise mit Coronavirus-Infektion zu entdecken.
Das berührungslose Wärmebild- und Messsystem, das für Massenscreenings entwickelt wurde, erkennt Personen mit einer erhöhten Hauttemperatur mit einer Genauigkeit von weniger als 0,3°C. „Das Kamera-System verfolgt Personen in Echtzeit und zeigt ihre maximale Gesichtstemperatur auf dem Bildschirm an“, erklärt Richard Hames, Sales Director bei Thermoteknix Systems Ltd.
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