Auch wenn viele Produktionen heute weitgehend durchautomatisiert erscheinen, so trifft dies auf die Montage nicht zu. Der Einsatz von Robotersystemen liegt hier bei unter 15 Prozent. Gründe dafür sind verschiedenste Bauteile, kurze Taktzeiten und mitunter sehr knifflige Fügevorgänge. Das bedingt, dass der Einsatz von Robotern und der Aufwand für deren Programmierung oft noch nicht wirtschaftlich ist. Das gilt nicht nur, aber insbesondere für kleine und mittelständische Produktionen, deren geringe Losgrößen bisher noch nicht für den Robotereinsatz sprachen.
Technologien basierend auf maschinellem Lernen eröffnen nun neue Möglichkeiten. Generell hat maschinelles Lernen das Potenzial, den Automatisierungsgrad in Produktionen weiter zu erhöhen und die Abläufe zu optimieren. Grundlage hierfür sind große Datenmengen. Verfahren des Deep Learnings, also künstliche neuronale Netze, können Zusammenhänge in diesen Daten erkennen und daraus Aktionen ableiten. Was heißt das konkret für die Montage?
Neuro-CAD-Software bewertet Bauteileigenschaften
Um zu prüfen, ob sich ein Montageprozess aus wirtschaftlicher und technischer Sicht überhaupt automatisieren lässt, ist bisher das Wissen eines Automatisierungsexperten gefordert. Das Fraunhofer IPA bietet dieses Wissen beispielsweise im Rahmen seiner Automatisierungs-Potenzialanalyse an. Die webbasierte Software Neuro-CAD erarbeitet sich mithilfe eines neuronalen Netzes gerade ähnliches Wissen und ist reif für den Praxistest.
Interessenten mit Montageaufgaben können auf der Webseite www.neurocad.de die Step-Dateien ihres Bauteils hochladen. Die Software bewertet dann innerhalb weniger Minuten bestimmte Bauteileigenschaften. Wissensgrundlage hierfür sind rund 50.000 Datensätze, mit denen das neuronale Netz bereits gelernt hat. Aktuell analysiert die Software, wie einfach ein Bauteil zu vereinzeln ist. Außerdem bewertet sie die Greifflächen und Ausrichtbarkeit. Die Ausgabe weiterer Informationen, wie zum Beispiel die Positionierbarkeit, ist in Arbeit.
Neben der Bewertung des Bauteils nennt die Software zudem eine Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Bewertung. Weil das neuronale Netz noch Trainingsdaten braucht, sind ebenfalls Nutzer willkommen, die neben den Step-Dateien auch ihre eigene Einschätzung des Bauteils angeben – so tragen sie dazu bei, dass die Software dank der größeren Datenbasis besser trainiert und performanter wird.
Auch Bildverarbeitung vereinfacht die Roboterprogrammierung
Ein anderes Beispiel für den Nutzen von maschinellem Lernen in der Montageautomatisierung ist die Software Visualcue. Bei klassischen Montageaufgaben werden bisher große Zeitanteile verwendet, um den Roboter langsam manuell zu bewegen und den Fügevorgang im Hinblick auf Robustheit und Taktzeit feinzuteachen. Der Einsatz von Kameras und Bildverarbeitungssoftware mithilfe von maschinellem Lernen kann diese Zeitanteile drastisch reduzieren.
Spezielle Algorithmen extrahieren Montagemerkmale wie Schraubpositionen, Kanten oder Steckverbinder aus den Bilddaten und bieten diese dem Anwender zur Manipulation an. Damit werden Befehle wie „Teil an Kante ausrichten“, „In Kantenrichtung bewegen“ oder „Um Kante drehen“ möglich. Die Auswirkung der Befehle wird direkt im Bild dargestellt, sodass auch unerfahrene Roboternutzer Montageaufgaben erfolgreich via Roboter automatisieren können.
Die genannten Technologien für die Montage sind nur zwei Beispiele dafür, wie maschinelles Lernen den Robotereinsatz und Produktionen voranbringen kann. Am Fraunhofer IPA entstehen zahlreiche weitere Lösungen, die neben der Robotik die Bereiche Qualitätssicherung, Produktionsoptimierung und Umgebungserfassung adressieren. Interessierte Unternehmen erhalten von der ersten Beratung bis zur Realisierung eines Demonstrators zum Thema maschinelles Lernen Unterstützung im Zentrum für Cyber Cognitive Intelligence.
Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
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