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Bin Picking: Roboter beim Griff in die Kiste

Wissenswertes über die "Königsdisziplin der Robotik"
Bin Picking: Roboter beim Griff in die Kiste

Was ist Bin Picking? Wo liegen die Vorteile beim Roboter-basierten Griff in die Kiste? Und wo die Herausforderungen des Bin Picking? Ein Überblick.

Was versteht man unter Bin Picking?

Bin Picking ist eine Form des automatisierten Teile-Handlings, bei der ein Roboter in eine Kiste oder Gitterbox („Bin“) greift, dort ungeordnete Teile heraus holt („Picking“) und diese dann lagerichtig ablegt oder einer Maschine bzw. einem Verarbeitungsprozess zuführt. Daher spricht man im Deutschen auch vom „Griff in die Kiste“.

Mehr Informationen und Livepräsentationen rund um den Griff in die Kiste bietet auch das Bin Picking Forum des Spezialisten Optonic am 24. und 25.04.2024 in Regensburg: https://www.optonic.com/binpickingforum

Bin Picking wird häufig in der Fertigungsindustrie sowie in der Logistik eingesetzt, um die Produktivität und Effizienz von Prozessen zu verbessern. Bin Picking besteht letztlich aus den 3 Schritten: erkennen, entnehmen und ablegen, wobei das Erkennen und das (kollissionsfreie) Entnehmen meist die schwierigsten Aufgaben sind.

Beim Griff in die Kiste müssen Roboter, Greiftechnik, 3D-Vision-System sowie Software Hand in Hand arbeiten.
Beim Griff in die Kiste müssen Roboter, Greiftechnik, 3D-Vision-System für Objekt- und Lagererkennung sowie Software für kollisionsfreie Teileentnahme und Roboterbahnplanung Hand in Hand arbeiten.
Bild: Liebherr

Wo wird Bin Picking eingesetzt?

Mit flexiblen Robotersystemen für den Griff in die Kiste lässt sich beispielsweise die Zuführung beziehungsweise Vereinzelung unsortierter Teile wirtschaftlich automatisieren. Diese Zuführung erfolgt bislang noch mit relativ unflexiblen mechanisch-basierten Zuführtechnologien oder wird kosten- und zeitaufwändig manuell gelöst.

Eine wichtige Anwendungen von Bin Picking ist auch die automatische Kommissionierung von Teilen. Anstatt dass Mitarbeiter manuell Teile aus Kisten greifen müssen, können Bin Picking-Systeme dies automatisch tun. Zudem können Bin-Picking-Roboter in der Logistik komplexe Aufgaben wie Umverteilung und Umlagerung von Waren beliebiger Größe, Menge und Masse. übernehmen.

Bin Picking wird verstärkt in der Logistik eingesetzt.
Bin Picking wird verstärkt in der Logistik eingesetzt.
Bild: Schmalz

Was braucht man für  alles für den Griff in die Kiste?

Bei einer Bin Picking Anwendung müssen mehrere Komponenten reibungslos zusammenspielen:

  • Roboter: Eingesetzt für das Bin Picking werden (je nach Teilgröße und Gewicht) große und kleine Industrieroboter oder auch Cobots. In Forschungsprojekten wurden auch schon 2-Arm-Roboter genutzt.
  • Greifer: Das Greiferdesign spielt beim Griff in die Kisten eine wichtige Rolle. Denn einerseits ist die Anzahl der möglichen Greifpunkte am Werkstück (und damit die Flexibilität der Anwendung) stark von der Greiferform und der eingesetzten Greiftechnik abhängig. Andererseits trägt der Greifer mit seiner Kontur zum erfolgreichen Ablauf bei, beispielsweise durch seine Anfälligkeit für Kollisionen.
  • 3D-Vision-System: Meistens werden zu Objekt- und Lagererkennung 3D-Kameras (etwa Stereokameras) oder Laser-Sensoren eingesetzt, um ein Bild von der Kiste und der darin ungeordnet liegenden Teile aufzunehmen. Dieses Bild wird in eine 3D-Punktewolke verwandelt und der Bin Picking Software bzw der Robotersteuerung übergeben.
  • Bin Picking Software (für die kollisionsfreie Teileentnahme und die Roboterbahnplanung): Hier steckt in der Regel das Kern-Know-how für eine erfolgreiche Bin Picking Anwendung. Denn die Software muss möglichst schnell und fehlerfrei errechnen, welche Teile sich am besten greifen lassen und wie der Roboter diese Teile möglichst schnell, aber auch kollisionsfrei anfahren kann.
  • Systemintegration: In der Regel ist ein erfahrener Systemintegrator nötig, der die verschiedenen Bestandteile zu einer funktionierenden Bin-Picking-Anwendung zusammenführen kann.
  • Peripherie: Je nach Anwendung sind zudem Sicherheitstechnik für die Roboterzelle sowie beispielsweise Förderbänder für den Abtransport der Teile notwendig. Und natürlich braucht man einen geeigneten Behälter für den Griff in die Kiste.
Greifer, 3D-Vision und Software sind wichtig für das Bin Picking.
Kernbestandteile eines erfolgreichen Bin Picking Projekts sind ein flexibler Greifer, ein gutes 3D-Vision-System und eine intelligente Bin Picking Software.
Bild: Optonic

Was sind die Vorteile des Bin Picking?

  • Eine Automation mit Robotern steigert die Produktivität und senkt die Stückkosten.
  • Das Roboter-basierte Bin Picking ist flexibler als gängige (mechanisch) Vereinzelungsmethoden zur Zuführung/Vereinzelung (Wendelförderer, Rütteltöpfe).
  • Durch die Automatisierung werden manuelle Fehlgriffe auf ein Minimum reduziert. Bin Picking Lösungen führen Aufgaben in konstanter Qualität aus.
  • Wohl das wichtigste Argument: Durch das automatisierte Bin Picking wird das Bedienpersonal von monotonen und anstrengenden körperlichen Tätigkeiten entlastet. Bislang übernehmen oft Mitarbeiter das Vereinzeln von Guss-, Stanz- oder Schmiedeteile aus einer Kiste. Dieses Bücken, Aufheben, Ablegen ist monoton, schmutzig und körperlich belastend wegen der hohen Gewichte der Werkstücke und der nicht ergonomischen Haltung beim Greifen aus der Kiste.

Wie läuft der Griff in die Kiste mit dem Roboter ab?

Der Griff in die Kiste wird in drei Schritten durchgeführt.

1. Objekterkennung/Lageerkennung: Der erste Schritt besteht darin, zu erkennen, welche Teile wo und wie in der Kiste liegen. Das Bildverarbeitungssystem muss dazu die Kiste scannen und die Position und Lage der einzelnen Komponenten erkennen.

2. Kollissionsfreie Entnahme: Im zweiten Schritt werden die Daten des Bildverarbeitungssystems an die Bin Picking Software bzw an die Robotersteuerung übertragen. Diese übernimmt im Anschluss die Planung der optimalen Roboterbahn, Greif- und Entnahmestrategie. Hierbei wird das Ziel verfolgt, die Kiste komplett zu entleeren und alle Werkstücke greifen zu können.

3. Platzierung: Zuletzt muss der Roboterarm die Teile an einem vordefinierten Punkt ablegen oder diese zur weiteren Verarbeitung direkt in eine nachgelagerte Werkzeugmaschine einlegen.

Beim Bin Picking entlastet der Roboter die Mitarbeiter.
Die Mitarbeiter werden entlastet, wenn der Roboter anstatt des Menschen in die Kiste mit den schweren Teilen greift.
Bild: Kuka

Warum gilt der Griff in die Kiste als „Königsdisziplin der Robotik“?

Der Griff in die Kiste gilt als „Königsdisziplin der Robotik“ – denn der Roboter muss dabei chaotisch angeordnete Objekte mit teilweise komplexen Geometrien nicht nur erkennen, sondern auch sicher greifen und dann kollisionsfrei aus dem Behälter entnehmen, in eine orientierte Lage bringen und an die Maschine oder an die Montage übergeben.

Dazu müssen Roboter, Greiftechnik, 3D-Vision-System für Objekt- und Lagererkennung sowie Software für kollisionsfreie Teileentnahme und Roboterbahnplanung Hand in Hand arbeiten. Das richtige Einstellen der Parameter zum sicheren Erkennen und Greifen der komplexen Objekte ist anspruchsvoll und erfordert eine Menge Erfahrung und Know-how – sowohl des Integrators als auch des Bedieners.

Probleme beim Bin Picking

Obwohl Forschungseinrichtungen und Roboterexperten schon seit vielen Jahren am Griff in die Kiste arbeiten, behindern nach wie vor Unsicherheiten den breiten Einsatz des Griff-in-die-Kiste  Hier einige Beispiele für Probleme, die in der Praxis beim Bin Picking auftreten können:

  • Die Bildverarbeitung hat Schwierigkeiten, komplexe Teile (etwa mit glänzenden Oberflächen) richtig zu erkennen.
  • Die Objekte sind schwierig zu greifen, es kommt zu Fehlgriffen.
  • Objekte können sich beim Entnehmen verhaken und so den Prozess stoppen oder verlangsamen.
  • Die Bin-Picking-Zelle erreicht nicht die gewünschte bzw. geforderte Taktzeit. Die Folge: Entweder muss die verkettete Linie langsamer laufen (und auf das Bin Picking warten) oder es werden Puffer eingebaut, um Stillstände zu verhindern.
  • Der Roboter kann die Kiste nicht vollständig leeren, also nicht alle Teile aus der Kiste entnehmen. Die letzten verbleibenden Teile müssen dann händisch vereinzelt werden. (Als Lösung können speziell entwickelte Greifer mit einer siebten oder achten Zusatzachse eingesetzt werden, welche die sechs Freiheitsgrade des Knickarm-Roboters erweitern.)
  • Zudem steigt mit zunehmender Kistenentleerung möglichweise die Taktzeit an, weil es schwieriger wird, Teile am Kistenboden korrekt zu erkennen. (Gerade glänzende und dünne Blechteilens sind zuweilen schlecht zu erkennen, weil sie in der 3D-Punktewolke des 3D-Scanners mit dem Kistenboden verschmelzen).

Welche Technologien verbessern das Bin Picking?

Um die beschrieben Schwierigkeiten beim Griff in die Kiste zu beheben, können Technologien wie Simulationen und künstliche Intelligenz/maschinelles Lernen eingesetzt werden:

3D-Simulation: Bevor die Bin Picking real aufgebaut wird, kann diese in einer Simulationsumgebung virtuell getestet und auch eingelernt werden. Mit der Simulation kann eine große Menge an Daten generiert werden, ohne eine reale Roboteranlage zu benötigen. Dabei werden 3D-Punktewolken von virtuell gefüllten Kisten erzeugt und mit diesen Daten Aspekte wie Zugänglichkeit des Greifers zum Werkstück ohne Kollision untersucht. So können beispielsweise vielfältige Greiferdesigns oder Greifstrategien durchgespielt und optimiert werden .

KI: Mit künstlicher Intelligenz (KI) lässt sich zudem der Einrichtungsaufwand von Bin Picking Zellen verringern, in dem die Software selbstständig lernt, wie man mit den Teilen in der Kiste am besten umgeht. Ein lernfähiges System kann die Parameter bei der Einstellung oder sogar im laufenden Betrieb selbstständig anpassen. Auch hier können Simulationen nützlich sein, denn die Trainingsdaten für die KI können in speziell dafür entwickelten Simulationsumgebungen generiert werden. In Forschungsprojekten wurde zudem gezeigt, dass sich mehrere Roboter den Griff in die Kiste sogar quasi selbst beibringen (durch Verstärkungslernen, Reinforcement Learning).


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