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Wandelbots: Die Demokratisierer der Robotik nehmen Anlauf

Robotik-Newcomer Wandelbots aus Dresden erläutert seine Software-Strategie
Wandelbots: Die Demokratisierer der Robotik nehmen Anlauf

Vor einem Jahr hat der Robotik-Newcomer Wandelbots aus Dresden eine radikalen Strategiewechsel verkündet: Weg von der Hardware (Tracepen), hin zur Software-only-Strategie. Was ist daraus geworden? Und wie soll es weiter gehen? CEO Christian Piechnick hat es uns im Interview verraten.

Autor: Armin Barnitzke

Die Robotik zu demokratisieren und zu revolutionieren. Mit dieser Vision hat Christian Piechnick zusammen mit seinen Mitstreitern, allesamt Forscherinnen und Forscher der TU Dresden, 2017 das Start-up Wandelbots gegründet. „Denn die Robotik hat sich gerade in Sachen Programmierung und Software in den letzten 20 bis 30 Jahren kaum weiterentwickelt: Die altbackenen Programmiersprachen stammen noch aus den 80ern und moderne Technologie wie Vision und KI sind nur schwierig zu integrieren“, so Christian Piechnicks Motivation.

Zudem sei die Robotik und Automation immer noch zu sehr auf Low Mix High Volume Produktionen ausgerichtet. „Das große Wachstum liegt aber im Mittelstand und in variantenreichen Fertigungen mit kleinen Losgrößen“. Wandelbots war daher einer der ersten der die „Demokratisierung der Robotik“ als Ziel ausrief: „Jeder Mensch soll einen Roboter in Betrieb nehmen können“, so die Vision der Dresdener.

Namhafte Investoren an Bord

Mit dieser Vision kam Wandelbots bei Investoren wie Microsoft, 83North oder Insight gut an. Insgesamt 123 Millionen Dollar hat Wandelbots an Kapital eingesammelt. Und auch die ersten Schritte in den Markt waren durchaus erfolgversprechend. Denn ihre Vision der „einfachen Programmierung“ haben die Wandelbots-Gründer „anfassbar“ gemacht und in einen Zeigestift namens Tracepen gepackt, mit dem sich Roboterbewegungen (etwa beim Schweißen) ganz einfach durch Vormachen der Bahn programmieren ließen.

„Allerdings haben wir festgestellt, dass dafür stets jede Menge Applikationswissen notwendig ist und dass sich die Anforderungen selbst bei einer Anwendung wie dem Schweißen doch von Mal zu Mal unterscheiden. Daher mussten wir unsere Lösung jedes Mal anpassen. Dieses projektbasierte Geschäftsmodell skaliert aber nur über Personal. Damit hätten wir zwar einen soliden Mittelständler bauen können. Doch unsere Mission, die Welt zu verändern, hätten wir so nicht erreicht“, blickt Christian Piechnick zurück.

Radikaler Kurswechsel

Daher beschlossen die Wandelbots-Macher im Frühjahr 2023 einen radikalen Kurswechsel: „Wir haben alles in Frage gestellt und sind zurück auf Los. Zwei Monate haben wir mit Kunden, Partnern und auch Wettbewerbern gesprochen“. Das Ergebnis: Weg mit der Hardware und Konzentration auf die Software. „Diese Erkenntnis, dass die bisherige Strategie so nicht funktioniert, war schmerzhaft“, sagt Christian Piechnick. Zumal rund 1/3 der Mitarbeiter das Unternehmen verlassen musste. Er möchte das aber nicht als Rückschritt bewertet wissen: „Wir sind keinen Schritt zurück gegangen, sondern wir haben Anlauf genommen.“

Ziemlich im Stillen haben die verbliebenen rund 120 Wandelbots Mitarbeiter gemeinsam mit ersten Pilotkunden in den vergangenen Monaten an einer neuen Software gearbeitet. Christian Piechnick: „Wir musste nicht auf der grünen Wiese starten: Vieles hatten wir bereits entwickelt und konnten es wieder verwenden. Es hat aber auch eine Menge gefehlt, das wir komplett neu entwickeln mussten.“ Ziel von Wandelbots ist es nun eine übergreifende Softwareplattform für die Robotik zu entwickeln, die sich über den ganzen Lebenszyklus einer Roboterzelle oder Automationsanlage erstreckt: von den ersten Planungen über Konstruktion und virtuelle Inbetriebnahme bis hin zur realen Inbetriebnahme und den Betrieb.“

Zielgruppe: Systemintegratoren

Zielgruppe dafür sind nicht mehr die Endanwender, sondern Maschinenbauer und Systemintegratoren sowie Automations-Teams in großen Konzernen: Diese sollen mit dem Automationsplattform aus Dresden schnell von der ersten Idee zur funktionierenden Anlage kommen.

Vor allem will Wandelbots dem Maschinenbau beim Integrieren und Programmieren von Software helfen: „Denn der Mehrwert findet mehr und mehr via Software statt und nicht mehr über die reine Konstruktion. Maschinenbauern und Automatisierungs-Teams wollen wir daher helfen, ihre Roboteranlagen via Software mit Mehrwert auszustatten, etwa die Bedienung zu vereinfachen oder KI und Vision zu integrieren.“

Die Ergebnisse bei ersten Pilotkunden waren erfreulich: „Ein großer Automobilzulieferer hat mit unserer Software seine Bestandsanlage optimiert und in nur zwei Wochen einen jährlichen Mehrwert von 1,5 Millionen generiert.“ Nun gibt Christian Piechnick rund 10 Beta Kunden die Möglichkeit, die Software in der Praxis zu testen. „Wir sammeln Feedback und merzen Fehler aus, damit wir bald ein fertiges marktreifes Produkt vorweisen können.“ Im Herbst soll es dann eine offene Beta-Phase mit rund 500 Kunden geben.

Big Bang im November

Am 4. November 2024 will Christian Piechnick seine neue Plattform in Dresden mit einem Big Bang erstmals öffentlich vorstellen, bevor diese kurz darauf auf der SPS in Nürnberg einem größeren Publikum gezeigt werden soll. „Das wird große Wellen schlagen“, ist Christian Piechnick überzeugt, „denn es werden auch einige große US-Technologie-Companies mit an Bord sein.“ Denn bei der Entwicklung der neuen Plattform haben Christian Piechnick und sein Team eng mit Softwareriesen wie Microsoft und OpenAI zusammengearbeitet. „Künstliche Intelligenz und vor allem Generative KI wird bei unserer neuen Plattform eine wichtige Rolle spielen.“

Ein wichtiger Partner bei der Neuaufstellung der Softwareplattform dürfte auch der KI-Computing-Riese Nvidia sein, mit dem Wandelbots schon seit ein paar Jahren eng zusammen arbeitet. „Nvidia hat eine sehr gute, professionelle Software für digitale Zwillinge und Simulationen entwickelt.“ Zudem hat sich Nvidia gerade in den letzten Wochen stark beim Thema KI-Robotik positioniert.

Automationssilos aufbrechen

Für Christian Piechnick ist klar, dass er bei seiner Softwareplattform nicht das Rad jedes Mal neu erfinden will. „Wir bauen eine übergreifende Softwareschicht, die einzelne Automationssilos aufbricht und über den gesamten Lebenszyklus miteinander verbindet.“ So wolle man auch Feedbackschleifen vom realen Betrieb bis zurück in die Anlagen-Konstruktion ermöglichen. „Heute werden zwar Anlagen virtuell in Betrieb genommen. Aber was dann in der Praxis tatsächlich umgesetzt wird, unterscheidet sich doch sehr. Der reale und der digitale Zwilling haben nicht viel gemeinsam.“

Eine ähnliche Durchgängigkeit versprechen zwar auch eine Automations-Größen wie Siemens (der über seinen Investment-Fond Next47 ebenfalls zu den Wandelbots-Investoren zählt). „Aber bei Siemens bleibt man damit eben in der Siemens Welt. Und wir wollen das aufbrechen“, sagt Christian Piechnick. Daher setze Wandelbots auf offene Standards auf, wo immer es möglich ist.

Seine Vision ist eine komplett offene Automationswelt: „Bislang hat die Automation für die Hersteller gut funktioniert, weil sie einen Vendor-Lockin erzeugt haben. Aber mit einer Öffnung und Standardisierung ließe sich ein viel größeres Potenzial erschließen, das 50 bis 100 mal so groß ist.“ Christian Piechnick vergleicht das mit der PC Welt, die zunächst auch eine etwas umständliche Welt für Hobby-Experten war, mit wenig intuitiven Betriebssystemen wie MS DOS und aufwändigen Treiber-Installationen. Mit dem Siegeszug einer einfach bedienbaren und einheitlichen Software wie Windows habe sich der PC zum Massen-Phänomen entwickelt. Von diesem Siegeszug haben dann auch Hardwarehersteller wie IBM und Intel profitiert. „Das kann und wird dabei Robotik und Automation auch passieren. Und wir in Europa haben die Chance diese Entwicklung federführend mit anzutreiben. Wir bei Wandelbots wollen hier eine führende Rolle spielen.“

Wandelbots GmbH

www.wandelbots.com/de


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