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Die Demokratisierer der Robotik aus Dresden

Wandelbots-Gründer wollen die Roboter-Programmierung radikal vereinfachen
Die Demokratisierer der Robotik aus Dresden

Die Macher des Dresdner Unternehmens Wandelbots wollen die Roboter-Programmierung radikal vereinfachen. Das Konzept der Gründer um CEO Christian Piechnick überzeugt auch Siemens und Microsoft.

Autor: Armin Barnitzke

Verwundert zeigt sich Christian Piechnick, CEO und Mitgründer von Wandelbots, über die herkömmlichen Wege der Roboter-Programmierung. „Ich war beim ersten Kontakt mit der Roboterprogrammierung komplett geschockt über den Stand der Technik – da hat sich seit 40 Jahren nicht viel geändert“, sagt Christian Piechnick, der sich als Informatiker natürlich bestens auskennt mit modernen Programmiersprachen und Oberflächen.

Folgendes will er mit seinem Unternehmen Wandelbots nun ändern: „Wir wollen eine Demokratisierung der Robotik: Jeder Mensch soll einen Roboter in Betrieb nehmen können.“ Sein Konzept: vormachen statt programmieren. Der Mitarbeiter zeigt dem Roboter, was er tun soll. Diese Methode sei bis zu 70-mal schneller als herkömmliche Programmiermethoden, so Christian Piechnick.

Für eine flexiblere Produktion

Mit diesem Konzept spricht Wandelbots nicht nur kleine und mittlere Unternehmen an, sondern will auch große Unternehmen flexibler in ihrer Produktion machen, weil Konzerne bei Änderungen in ihren Produktionsabläufen nun nicht mehr teure Roboterprogrammierer einsetzen müssen. Mit seiner Technologie will Wandelbots die Total Cost of Ownership (TCO) für Roboter dramatisch senken. Christian Piechnick: „Ein großer Teil der Kosten für einen Roboter im Laufe seiner Nutzungszeit entfällt auf die Programmierung.“ Dies soll es ermöglichen, Roboter in völlig neuen Anwendungsfeldern kosteneffizient einzusetzen.

Die Idee dazu stammt aus der Forschung der Exzellenz-Universität TU Dresden. „Wir waren Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen wie Maschinenbau, Elektrotechnik oder Informatik, die gemeinsam seit 5 bis 6 Jahren an der einfachen Nutzung und Programmierung von komplexen Systemen geforscht haben“, erinnert sich Christian Piechnick. So arbeiteten die jungen Wissenschaftler etwa an intelligenten Jacken oder an gestengesteuerter Programmierung.

Viel Interesse auf der Messe

Neben ihren Forschungsprojekten konzipierte die Gruppe der Gründer in ihrer Freizeit eine smarte Jacke zur Roboterprogrammierung und nahm damit bei einem Kuka-Ideenwettbewerb teil – und gewann dort einen Stand auf der Hannover Messe 2016.

„Von dort sind wir dann mit einem riesigen Stapel Visitenkarten wieder nach Hause gefahren. Alle haben uns gefragt: Ab wann kann ich das kaufen?“, erinnert sich Christian Piechnick. „Auf der Rückfahrt von Hannover haben wir uns zum ersten Mal intensiv damit beschäftigt, eine Firma zu gründen.“ Da Christian Piechnick nach eigener Aussage „die angestaubte Roboterindustrie verändern wollte“, gründete er mit seinen Mitstreitern Ende 2017 das Unternehmen Wandelbots.

Erste Tests mit Infineon und VW

Mit namhaften Industriepartnern gingen die Wandelbots-Gründer daran, ihre Technologie produktionstauglich zu machen. „Beispielsweise haben wir mit Infineon in Dresden unsere Technologie für Handling-Applikationen in der Halbleiter-Produktion eingesetzt“, so Christian Piechnick. Die Prozesse in der Halbleiter-Produktion sind hochautomatisiert, aber wenn sich am Produktions-Layout etwas ändert, müssen die Roboter aufwendig umprogrammiert werden. „Jede Neuprogrammierung kostete bislang 15.000 bis 25.000 Euro“, berichtet Christian Piechnick.

Weitere Pilotversuche fuhr Wandelbots in der Gläsernen Manufaktur von VW in Dresden. „Auch die Automobilhersteller müssen auf Kundenwünsche flexibel reagieren und daher ihre Roboter öfters umprogrammieren.“ Bei VW in Dresden hat Wandelbots eine Testumgebung direkt an der Linie bekommen und konnte dort die Technologie unter Praxiserfahrungen reifen lassen.

Von der Jacke zum Stift

In diesen Pilotanwendungen hat sich der Fokus verschoben: Weg von intelligenter Kleidung hin zu einem Stift (genannt Tracepen), mit dem der Mitarbeiter dem Roboter die Bewegung vormacht. Christian Piechnick: „Wir haben viele erfolgreiche Projekte mit intelligenter Kleidung durchgeführt, aber es hat sich gezeigt, dass der Schritt, sich eine Jacke anzuziehen, um einen Roboter zu programmieren, mental doch recht groß ist. Ein Stift wie der Tracepen ist einfach näher an alltäglichen Werkzeugen im Shopfloor.“

Außerdem hat der Tracepen noch einen weiteren Vorteil „Er ist besser geeignet für prozessbasierte Applikationen mit komplexen Roboterbahnen wie Schweißen oder Kleben. Diese Bahnen herkömmlich zu programmieren, ist nicht trivial“, sagt der Wandelbots-CEO. Aber mit einem Stift könne man dem Roboter selbst komplexe Bahnen super vormachen. „Der Schweißer fährt mit dem Tracepen einfach die Schweißbahn ab.“

Knowhow steckt in der Software

Die eigentliche Kerntechnologie habe man dafür gar nicht groß ändern müssen, betont Christian Piechnick. Denn das Knowhow steckt vor allem in der intelligenten Software: „Die Sensordaten aufzuzeichnen und die Daten in ein Modell für eine Roboterbahn umzuwandeln, ist eine unserer Kernkompetenzen.“

Ein weiteres großes Software-Thema für die Wandelbots-Macher ist der Umgang mit der Heterogenität: „Jeder Roboterhersteller hat andere Schnittstellen, Programmiersprachen und Konzepte. Aber wir wollen eine universell nutzbare Plattform schaffen, die ganz verschiedene Roboter und auch Greifer oder Kameras einbindet.“ Dafür den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, ist eine Aufgabe, die die rund 80 Wandelbots-Programmierer in Dresden beschäftigt.

Den Tracepen und die zugehörige Software gibt es inzwischen in diversen Preismodellen und Abstufungen zu kaufen. Wandelbots bietet auch ein Leasing-Modell an, quasi „Roboter-Programmierung as a Service“. Potenzielle Kunden sind sowohl große Konzerne als auch KMUs. „Beide Zielgruppen adressieren wir über ein wachsendes Netzwerk an Partnern und Systemintegratoren“, so Christian Piechnick. Das Partner-Netzwerk reicht vom Schweißroboter-Integrator Heidenbluth bis zu den Mittelstands-Experten von Coboworx, die Roboteranwendungen Unternehmen zugänglich machen wollen, die sich bisher nicht an das Thema getraut haben.

Finanziert durch Venture Capital

Beim Aufbau des Unternehmens setzt Wandelbots auf Risikokapital für das Wachstum. „Ich habe viele Jahre an der Universität die Mühlen der Verwaltung kennengelernt. Daher war es für mich klar, dass wir unser Unternehmen nicht über Staatsförderung hochziehen. Wir wollen schnell entscheiden können“, sagt Christian Piechnick.

Daher haben die Gründer den Weg über Venture Capital gewählt. „Und gute VCs helfen über das reine Geld hinaus: Mit Kontakten und Netzwerken, mit Hilfe und Beratung“, erklärt Christian Piechnick. „Unsere Partner sind sehr hilfsbereite Experten ohne Allüren. Man spürt in jeder Unterhaltung und in allen Aktionen, dass sie das Wohl von Wandelbots in den Vordergrund stellen. “

Lob für den Standort Dresden

Zur Finanzierung der Markteinführung und weiteren Entwicklung von Produkten hat Wandelbots dieses Jahr 26 Millionen Euro frisches Kapital eingesammelt. Angeführt wurde die Runde von der Venture-Capital-Firma 83North, die auch hinter dem Münchner Software-Startup Celonis steht. Als Co-Investoren sind zudem auch Microsofts Investitionsfond M12, die Siemens-Start-up-Einheit Next47 sowie die Haniel-Gruppe mit an Bord. CEO Christian Piechnick ist überzeugt davon, dass Wandelbots von der Expertise der neuen Partner profitieren kann. „Alle spielen im Bereich der Industrie sowie bei der Digitalisierung der Fabriken eine wichtige Rolle.“

Am Standort Dresden will Christian Piechnick auch in Zukunft nicht rütteln. „Anfangs stand natürlich die Frage im Raum, an welchem Ort man ein solche Firma am besten aufbauen kann, aber Dresden bietet den Vorteil, dass hier der größte Mikroelektronik-Standort in Europa mit einer herausragenden Forschungslandschaft ist.“ Allen voran ist die TU Dresden als Exzellenz-Universität eine Talentschmiede für Elektrotechnik, Maschinenbau und Informatik.

Und nicht zuletzt sei Dresden eine tolle Stadt mit viel Lebensqualität, schwärmt Christian Piechnick, auch wenn der Ruf zuweilen gelitten habe. „Wir müssen uns daher dafür einsetzen, das gesellschaftliche Klima zu ändern. Denn wir sind als junges Unternehmen bereits eine sehr internationale Company: Wir haben 95 Mitarbeitern aus 14 Nationen.“ Auch in diesem Punkt hat Christian Piechnick also eine klare Meinung.

Wandelbots GmbH

Tiergartenstr. 38

01219 Dresden

www.wandelbots.com

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