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Drei Dänen prägen Robotik-Erfolgsstory in Odense

Esben Østergaard, Enrico Krøg Iversen und Thomas Visti haben Robotik-Erfolgsstory geprägt
Drei Dänen schreiben das Odenser Robotik-Märchen

Die Geschichte des Robotik Clusters in Odense ist eng verknüpft mit der Erfolgsstory von Universal Robots. Und diese haben drei Männer entscheidend geprägt: Esben Østergaard, Enrico Krøg Iversen und Thomas Visti. Alle drei treiben die Robotik weiter voran – nun aber unabhängig von UR.

Autor: Armin Barnitzke

Das dänische Odense, die Geburtsstadt des Märchenautors Hans Christian Andersen, hat eine wundersame Wandlung durchgemacht: Einst von Werften geprägt und dann unter der Schiffsbaukrise leidend ist die Stadt auf der Insel Fünen heute ein Hightech-Mekka und so etwas wie das Silicon Valley der Robotik. Ein Märchen? Ein Wunder? Eher das Ergebnis harter Arbeit, wie ein Blick auf die Protagonisten zeigt.

Einer dieser Protagonisten der Odenser Robotik-szene ist Esben Østergaard. 2001 kam der junge Robotik-Nerd, der schon mit fünf Jahren aus Lego seinen ersten Roboter gebaut und später in Tokio und Kalifornien geforscht hatte, nach Odense, um am dortigen Maersk Mc-Kinney Moller Institute seine Doktorarbeit zu schreiben. Das Institut ist nach dem Reeder Arnold Mærsk Mc-Kinney Møller benannt, der 1997 der Odenser Universität eine stattliche Summe zum Aufbau eines Robotik-Forschungszentrums gespendet hatte.

In Odense arbeitet Esben Østergaard an diversen Robotik-Forschungsprojekten und gründete dann 2005 zusammen mit den Uni-Kollegen Kristian Kassow und Kasper Stoy das Start-up Universal Robots. Erklärtes Ziel der Jungunternehmer war es, einen leichten Roboter zu entwickeln, der sich einfach installieren und programmieren lässt, um die Robotertechnik auch kleinen und mittelständischen Betrieben zugänglich zu machen.

„Wir wollten eine ganz neue und bessere Art von Robotern entwickeln“, erinnert sich Esben Østergaard, „und wir wussten auch, dass wir das schaffen können. Doch der Anfang war alles andere als einfach.“ Vor allem war das Jungunternehmen (trotz eines Anfangsinvestments von Syddansk Innovation) immer knapp bei Kasse. „Denn für Investoren waren wir bloß ein paar Freaks irgendwo aus Dänemark, die behauptet haben, dass sie bessere Roboter bauen können als die etablierten Big Player, die den Markt unter sich aufgeteilt haben“, blickt Esben Østergaard zurück.

Mit dem Rücken zur Wand

Zwar konnte man 2007 erfolgreich den ersten Roboter-Prototypen bei einem Pilotkunden (ein Gewächshaus) installieren, doch allmählich ging den UR-Gründern das Geld aus. Einige Monate konnten sich Esben Østergaard und Kristian Kassow keinen Lohn mehr auszahlen. Die Gründer standen also mit dem Rücken zur Wand. Den Umschwung leitete der Danish Growth Fund ein, der 2008 in das Jungunternehmen investierte.

Der Investmentfond stellte allerdings auch die Bedingung, dass UR ein professionelles Management bekommt und installierte Enrico Krøg Iversen als neuen CEO. Kristian Kassow, der sich bislang als CEO von Universal Robots gesehen hatte, verließ daher das Unternehmen kurz darauf. Esben Østergaard selbst wollte ohnehin nicht CEO werden. „Dafür fehlt mir das fokussierte Business-Denken – ich bin mehr ein Philosoph.“

Einiges an Business-Denken und Erfahrung brachte dagegen der neue CEO Enrico Krøg Iversen mit: Dieser hatte seine Karriere bei der Reederei von Arnold Mærsk Mc-Kinney Møller begonnen und dann viele Jahre als Vertriebsdirektor in der elterlichen Firma, einem Holzofenhersteller, die internationale Expansion vorangetrieben. Als die Familie aufgrund des steigenden Konsolidierungsdrucks die Ofenfirma verkaufte, gab Enrico Krøg Iversen ein Inserat in der dänischen Wirtschaftszeitung Börsen auf: „Geschäftsmann mit bewiesenem Erfolg sucht Firma zum Leiten und Investieren.“ Diese Anzeige entdeckte der Danish Growth Fund und holte Enrico Krøg Iversen als CEO und Mitinvestor bei UR mit ins Boot.

Den Roboter im Kofferraum

Neben einem CEO brauchte das junge Unternehmen noch einen Vertriebsleiter, und diesen fand man im April 2009 mit Thomas Visti, der bis dahin beim Danfoss-Konzern als Sales Manager für große Accounts zuständig war. „Am Anfang war ich schon etwas geschockt. Schließlich kam ich aus einem Unternehmen mit 25.000 Mitarbeitern und leitete dort ein großes Sales-Team. Und nun war ich der einzige Vertriebsmitarbeiter einer ganz jungen Firma mit gerade mal einer Handvoll Angestellten“, erinnert sich Thomas Visti. Aber es sei eben auch eine spannende Aufgabe gewesen.

Also begannen Thomas Visti und Enrico Krøg Iversen, für UR eine kommerzielle Strategie zu erarbeiten und einige Schwächen im Business Plan der beiden UR-Gründer auszumerzen. Beispielsweise setzte man nun konsequent auf einen stückzahlorientierten Vertrieb über Distributoren, anstatt auf eigene Robotik-Integration.

Umsatz explodiert förmlich

„Und dann habe ich den UR-Roboter in den Kofferraum gepackt und bin durch Dänemark und Deutschland gefahren, um Kunden und potenzielle Distributoren zu begeistern“, erinnert sich Thomas Visti. Am Anfang war das durchaus abenteuerlich. So habe er den Vertrag mit dem ersten deutschen Partner Torsten Woyke (heute i-botics – WMV Robotics) an einer Tankstelle unterschrieben, schmunzelt Thomas Visti.

Aber dank dieses großen persönlichen Einsatzes und mit geschicktem Vertrieb und Marketing kam das Geschäft bei UR allmählich mehr und mehr ins Rollen. Von 0,5 Mio. Euro in 2009 auf 6,5 Mio. in 2011 und 29,2 Mio. in 2014. Erfolge feierte UR vor allem im Mittelstand, aber auch mit den großen Automobil-OEMs kam man allmählich ins Geschäft.

Für Schlagzeilen sorgte 2013 eine Applikation im Volkswagen-Werk Salzgitter.. „Der erste kollaborierende Roboter, der weltweit bei VW im Einsatz ist“, hieß es damals. Was natürlich den VW-Hauslieferanten Kuka sehr ärgerte, der daraufhin den Integrator und frühen UR-Partner Faude, der den UR-Cobot bei VW installiert hatte, kurz darauf einfach aufkaufte.

Verkauf an Teradyne

Aber auch der UR-Erfolg lockte natürlich Interessenten auf den Plan. 2015 haben der Investment Fond und die Miteigentümer Universal Robots für stolze 285 Mio. Dollar an den US-Elektroniktest-Konzern Teradyne verkauft. Für beide Seiten war das ein Gewinn. UR profitiert nun von Teradynes Finanzkraft und globaler Reichweite. Teradyne wiederum stieg mit UR ins wachsende Automationsgeschäft ein. Am Verkauf an Teradyne haben übrigens nicht nur Esben Østergaard, Enrico Krøg Iversen und Thomas Visti mitverdient, sondern auch Christian Kassow, der zwar ausgestiegen war, seine Anteile aber behalten hatte.

Seinen Job als UR-CEO hat Enrico Krøg Iversen dann allerdings kurz nach dem Verkauf an Teradyne aufgegeben. „Ich fühle mich einfach in kleineren Unternehmen wohler.“ Ganz abgesehen davon: „Wenn man 30 Jahre keinen Chef hatte, braucht man auch zukünftig keinen“, grinst Enrico Krøg Iversen.

Thomas Visti war zum Zeitpunkt des Teradyne-Verkaufs ohnehin nicht mehr bei UR, denn er hatte schon im Januar 2014 einen Schnitt gemacht. „Nach fünf Jahren harter Arbeit Tag und Nacht war es Zeit innezuhalten.“ Viel Auszeit hat sich Thomas Visti dann aber doch nicht gegönnt: Denn schon nach ein paar Monaten und einem längeren gemeinsamen Urlaub mit der Tochter war er schnell begeistert für die nächste Herausforderung. Der Odenser Robotik-Experte Niels Jul Jacobsen, der Thomas Visti über seinen Job als UR-Aufsichtsrat gut kannte, überzeugte Visti, als CEO und Investor bei seiner Neugründung Mobile Industrial Robots (MIR) einzusteigen.

Und wieder ein Neustart

„Also habe ich wieder bei null angefangen“, blickt Thomas Visti zurück. Das hieß: wieder den Roboter in den Kofferraum und Klinken putzen. Immerhin: Der Aufbau von MIR sei zwar kein Spaziergang gewesen, aber doch einfacher als bei UR, erinnert sich Thomas Visti. „Nach dem UR-Erfolg wurde man als dänischer Roboterhersteller nicht mehr schief angeschaut. Zudem konnte ich viele alten Kontakte nutzen.“ Trotzdem war auch die Anfangszeit bei MIR nicht ganz ohne, denn für die mobilen Roboter musste Thomas Visti erst mal einen ganz neuen Markt entwickeln.

Doch auch das ist ihm geglückt. Seit seinem Einstieg verzeichnet MIR ein steiles Wachstum, allein von 2015 auf 2016 um 500 Prozent sowie von 2016 auf 2017 um 300 Prozent. Aufgrund dieser beeindruckenden Zahlen landete auch MIR recht bald im Schoß des US-Konzerns Teradyne, der den Mobilroboter-Spezialisten Anfang 2018 für 272 Mio. US-Dollar als Ergänzung zu UR kaufte. „Wir haben gesehen, dass Teradyne mit UR gut umgeht und haben uns daher überzeugen lassen, dass wir ebenfalls von Teradynes globaler Power und Finanzkraft profitieren können“, begründet Thomas Visti den Verkauf.

Auf dem über die Teradyne-Verkäufe eingenommenen Geld will Thomas Visti (ebenso wie seine Mitstreiter) aber nicht sitzen bleiben: Das Geld wird wieder reinvestiert, vor allem in junge Robotikfirmen in Odense. So war Thomas Visti der erste Investor beim Greiferspezialisten On Robot, der von zwei ehemaligen UR-Kollegen gegründet worden war: „Ich habe die beiden Gründer mit Geld und Erfahrungen unterstützt.“

Kollaborativer One-Stop-Shop

Kurz darauf ist dann auch Enrico Krøg Iversen bei On Robot eingestiegen. 2018 hat er dann On Robot mit dem US-Greifer-Start-up Perception Robotics und dem ungarischen Kraft-Momenten-Sensorik-Spezialisten Opto Force zum neuen Unternehmen Onrobot fusioniert, das Enrico Krøg Iversen auch als CEO operativ führt. Warum? „Ganz einfach: Weil es mir Spaß macht. Es gibt mir persönlich wahnsinnig viel Energie, mit jungen Firmen zu arbeiten und mit diesen den richtigen Weg zum Markt und zu den Kunden zu finden. Kurzum: Firmen aufzubauen gefällt mir.“

Inzwischen hat Enrico Krøg Iversen ein weiteres dänisches Robotik-Start-up, Purple Robotics, seiner neuen Firma hinzugefügt. Sein Ziel: „Onrobot zum zentralen One-Stop-Shop für alle Belange der der kollaborativen Automatisierung ausbauen.“ Innerhalb der nächsten Monate will Enrico Krøg Iversen das Portfolio von Onrobot stark erweitern und plant dazu auch weitere Akquisitionen.

„Eine bessere Welt dank Robotik“

Und auch der dritte im Bunde, Esben Østergaard, hat inzwischen UR den Rücken gekehrt. Hatte er bis Juni 2018 noch tatkräftig am Aufbau der neuen UR-Robotergeneration e-Series mitgewirkt, verkündete er Anfang April 2019 in einem kurzen Video-Statement auf Linkedin überraschend seinen Rücktritt als Chief Technology Officer bei UR. „Universal Robots, das ich vor 14 Jahren gegründet habe, war ein großer Teil seines Lebens. Irgendwann muss man aber eben auch etwas Neues im Leben ausprobieren“, so Esben Østergaard.

Der immer noch jugendlich wirkende Däne bleibt zwar Universal Robots in einer strategischen Beraterrolle erhalten, er hat inzwischen aber auch eine neue Firma namens reinvestrobotics.com gegründet. Details verrät er noch nicht, nur dass die Hälfte der Einkünfte seiner neuen Firma an wohltätige Zwecke gehen soll. Vermutlich dürfte es bei reinvestrobotics.com vor allem darum gehen, jungen Firmen mit Geld, Erfahrung und Knowhow weiterzuhelfen. „Denn ich glaube wirklich, dass wir die Welt durch Robotik zu einem besseren Ort machen können. Es gibt noch so viel zu tun“, so Esben Østergaard. Das Roboter-Märchen von Odense geht also weiter.

www.universal-robots.com/de

https://onrobot.com/de

www.mobile-industrial-robots.com

www.reinvestrobotics.com


Weitere Macher aus dem UR-Universum

Kristian Kassow: Der einstige UR-Mitgründer hat Universal Robots 2009 verlassen und dann unter anderem für den französischen Roboterhersteller Aldebaran gearbeitet, bevor er sein eigenes Start-up Kassow Robots gründete. Auf der Automatica 2018 zeigte Kassow erstmals seine siebenachsigen Cobots. Auch der Vertriebschef von Kassow Robots ist übrigens aus dem UR-Umfeld bekannt: Dieter Pletscher war von 2014 bis 2017 Area Sales Manager DACH bei Universal Robots.

Kasper Støy ist der dritte Mitgründer von Universal Robots, entschied sich aber für eine Universitätskarriere. Kasper Stoy forscht an Robotik und künstlicher Intelligenz und ist heute Professor an der IT-Universität Kopenhagen. Zudem ist er Gründer und CEO von Flow Robotics, das sich auf Laborautomation und Pipettieranwendungen konzentriert.

Lasse Kieffer war 2007 der erste Elektronikentwickler bei Universal Robots. 2017 gründete Kieffer mit zwei ehemaligen Kollegen den Vakuumgreifer-Spezialisten Purple Robotics. Enrico Krog Iversen kaufte Purple Robotics 2018 und ergänzte damit das Portfolio von Onrobot. Lasse Kiefer ist heute Global Compliance Officer bei Onrobot.

Bilge Jacob Christiansen schrieb 2010 seine Bachelor Arbeit bei Universal Robots und gründete 2015 zusamen mit Ebbe Fuglsang Onrobot, das von Enrico Krog Iversen gekauft und mit Perception Robotics sowie Optoforce zum neuen Unternehmen Onrobot fusioniert wurde. Heute ist Christiansen COO bei Onrobot.

Niels Jul Jacobsen ist der technische Kopf hinter Mobile Industrial Robots. Jacobsen arbeitet seit 1989 in der Robotik: Er führte das Robolab an der University of Southern Denmark und managte die Robotikentwicklung an der Odenser Werft. 2011 begann Jacobsen mobile Roboter zu entwickeln und baute erste Modelle aus Legosteinen. 2013 gründete er die Firma MIR und startet mit dem Einstieg von Thomas Visti als CEO und Miteigentümer die kommerzielle Vermarktung. Niels Jul Jacobsen ist bei MIR heute Chefstratege (CSO) und Cheftechniker (CTO).

Kasper Stoy, Gründer und CEO, Flow Robotics

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