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Teradyne: „Automation ist unser Wachstumsmotor”

Interview: Andy Blanchard, Vice President Corporate Relations, Teradyne Inc.
„Automation ist unser Wachstumsmotor”

Welche ehrgeizigen Wachstumspläne der US-Konzern Teradyne mit den dänischen Robotik-Playern Mobile Industrial Robots und Universal Robots hegt und welche Rolle dabei der Robotik-Cluster im Raum Boston spielt, erklärt Andrew Blanchard, Vice President Corporate Relations bei Teradyne.

Autor: Armin Barnitzke

Teradyne ist im Bereich Elektronik-Testequipment eine feste Größe. Warum haben Sie 2015 Universal Robots gekauft?

Blanchard: Unser traditionelles Geschäft mit Elektronik-Testsystemen läuft gut, erreicht aber nur noch Wachstumsraten von wenigen Prozent. Daher war unser CEO Mark Jagiela auf der Suche nach einem neuen Wachstumsmotor und den haben wir beim Thema Industrie Automation gefunden. Zumal Universal Robots mit seinen Cobots ganz andere Bereiche adressiert als traditionelle Robotikanbieter. Universal Robots bietet Roboterarme, die leicht zu trainieren sind, und hat darüber hinaus mit UR+ ein Ökosystem mit rund 400 Partnern aufgebaut. Der Kunde kann also mit niedrigem Risiko eine funktionierende Lösung kaufen. Damit wird Automation auch für Firmen interessant, die sich bislang noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben.

Wie viel steuert der Wachstumsmotor Automation bereits zum Umsatz bei?

Blanchard: Unser Testbusiness hat 2018 noch rund 88 Prozent unserer Company ausgemacht. Allerdings erwarten wir bei der Automation Wachstumsraten von 30 bis 40 Prozent, während das Test-Geschäft nur mit 3 bis 5 Prozent pro Jahr wächst. Daher soll die Automation 2022 bereits fast 30 Prozent zum Umsatz beisteuern – ohne weitere Zukäufe. Mit weiteren Akquisitionen könnte der Automationsanteil nochmal steigen.

Zusätzlich zu UR haben Sie auch Mobile Industrial Robots (MIR) gekauft. Warum? Weil MIR auch aus Odense kommt?

Blanchard: Nein, nicht in erster Linie. Natürlich kannten wir MIR als Robotik-Player aus Odense. Aber wir haben die Firma ein Jahr lang genau beobachtet, bevor wir sie 2018 gekauft haben. Wir waren uns sicher, dass das gut zusammenpasst. Denn MIR hat ein tolles Team und verfolgt letztlich das gleiche Ziel wie UR: Den Menschen repetitive Aufgaben abzunehmen, die niemand gerne macht. Warum sollte ein Mitarbeiter Material durch die Fabrik schleppen? Lasst das doch den Roboter tun. Im Zuge des Fachkräftemangels wollen die Leute heute ohnehin keine stumpfen Jobs mehr machen.

Inzwischen haben Sie auch Energid übernommen. Wie passt diese Firma dazu? Kommt Energid auch aus Odense?

Blanchard: Nein, Energid ist eine Firma aus dem Raum Boston, die wir im Februar 2018 gekauft haben. Energid ist ein kleines Unternehmen, das aber 20 Jahre Erfahrung mit komplexen Motion-Control-Anwendungen hat, etwa für die Nasa oder die Ölindustrie. Energid soll uns helfen, das Thema Griff in die Kiste umfassend zu adressieren. Viele UR-Partner widmen sich bereits dem Thema Bin Picking, aber diese Lösungen stießen bislang an ihre Grenzen, weil sie nicht alles aus der Kiste entnehmen oder nicht tief genug in die Kiste reingreifen können. Energids Software kann uns helfen, den adressierbaren Markt für kollaborative Roboter um mehr als 50 Prozent steigern.

Werden all diese Lösungen mittelfristig unter dem Teradyne Brand vereint?

Blanchard: Eher nicht. In der Test-Community hat Teradyne zwar einen starken Namen, aber in der Industrieautomation hat Universal Robots die viel stärkere Marke. Wir lassen MIR und UR viele Freiheiten: Sie müssen nur ihre Finanzzahlen entsprechend unserer Vorgaben reporten und müssen unserem Code of Conduct für ethisches Verhalten folgen. Ansonsten können UR und MIR ihr Geschäft so betreiben, wie sie es für richtig halten.

Sie wollen also UR und MIR nicht unter einem Dach zusammenführen?

Blanchard: Bislang planen wir nicht, die Firmen zusammenzuführen. Es gibt zwar einige Synergien auf Distributorenseite, aber wir lassen UR und MIR grundsätzlich ihr jeweils eigenes Ding machen. Natürlich holen wir die Management Teams zusammen, um Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten auszuloten. Aber wir forcieren nichts.

Gibt es denn bei Teradyne eine koordinierende Stelle?

Blanchard: Unser CEO, Mark Jagiela, kommt zwar aus der Halbleitertest-Branche, trotzdem widmet er über die Hälfte seiner Zeit der Industrial Automation. Er und auch unser CFO, Sanjay Mehta, sind also quasi die Koordinatoren, die das Automationsgeschäft weiter wachsen lassen. Die beiden schauen sich auch mögliche Akuisitionen an: Was brauchen wir, um das Wachstum weiter zu beschleunigen? Ein gutes Beispiel ist Energid: Dank deren Software erwarten wir nun, mehr Roboterarme beim Bin Picking verkaufen zu können.

Sie planen also noch mehr Zukäufe?

Blanchard: Ich wäre überrascht, wenn wir das Industrial Automation Segment nicht weiter ausbauen würden. Wir schauen uns insbesondere Softwarefirmen an, die einfach nutzbare Automationslösungen ermöglichen. Meistens sind das kleine junge Firmen, aber mit großartigen Ideen.

Neben M&A: Wir fördern Sie das Automationsgeschäft noch?

Blanchard: Wir investieren eine Menge, um die Möglichkeiten von UR auszubauen: Das betrifft sowohl R&D als auch die Distribution. Beim Thema R&D kümmern wir uns vor allem darum, dass der Roboter immer einfacher bereitgestellt werden kann, dass er noch einfacher trainiert und mit Apps erweitert werden kann. Denn wenn man 30 bis 40 Prozent pro Jahr wachsen will, kann man das Integratoren-Knowhow nicht beliebig skalieren. Wir wollen daher die Software immer besser machen und so den Integrationsaufwand senken.

Und wo wollen Sie beim Vertrieb und beim Thema Distribution zulegen?

Blanchard: Beispielsweise haben wir bei Universal Robots ein Large-Account-Programm gestartet, um verstärkt an größere Firmen zu verkaufen. UR ist sehr erfolgreich bei KMU, aber noch nicht so sehr bei großen Firmen. Weil kleinere Distributoren nicht mehrere Quartale warten können, bis eine große Firma endlich ein Produkt kauft. Wir setzen daher nun Sales Mitarbeiter bei UR auf große Kunden an. Distrobutoren sn wichtig für uns, aber wir wollen auch direkt mit den Kunden sprechen, um zu schauen, welche Lösungen sie in der Zukunft benötigen und in welche Richtung wir unser Engineering lenken müssen.

Zeigt das bereits Erfolge?

Blanchard: Ja. Erst kürzlich haben einige größere Kunden zugesagt, Dutzende von Robotern kaufen zu wollen. Diese Firmen nutzen die UR-Roboter für Montagearbeiten wie Schrauben und Kleben, aber auch für Verpackungsaufgaben. Diese Firmen haben die Kapazität, uns künftig mehrere Hundert Roboter abzukaufen.

Haben Sie dabei Fokusindustrien? Etwa die Automobilindustrie?

Blanchard: Wir fokussieren uns weniger auf bestimmte Branchen, als vielmehr auf konkrete Anwendungsbereiche. Das sind erstens Montage- und Schraubarbeiten, zweitens Maschinenbeladung, drittens Packaging und viertens Oberflächeninspektion und Oberflächenbearbeitung. Gerade bei diesen vier Hauptanwendungen wollen wir den Robotereinsatz vereinfachen.

Denken Sie auch an Preissenkungen?

Blanchard: Nein. Derzeit liegt der ROI für den Einsatz von UR-Robotern bei unter einem Jahr, in manchen Anwendungen sogar unter 2 Monaten. Eine Preissenkung bringt dem Kunden also kaum echte Vorteile. Die Antwort ist dagegen, den Roboter immer einfacher benutzbar und integrierbar zu machen. Und wir wollen die Zahl der möglichen Anwendungen vergrößern, etwa in Richtung Feinmontage.

Sie haben kürzlich mehrere Mitarbeiter der Pleite gegangenen Rethink übernommen und die Bostoner Standorte zusammengeführt. Welche Rolle spielt der Raum Boston für Teradynes Automationsambitionen?

Blanchard: Eine große Rolle. Das Gebäude, in dem wir gerade sitzen, ist ein gutes Beispiel. Hier hatte früher Rethink seinen Firmensitz. Mit der Übernahme der ehemaligen Rethink-Mitarbeiter bauen wir Boston als zweiten Entwicklungsstandort auf, das aber natürlich eng mit Odense zusammenarbeitet. Die rund 20 ehemaligen Rethink-Mitarbeiter sind fast alle Softwareingenieure und kümmern sich bei uns um das Thema Benutzerfreundlichkeit.

Wie sind die weiteren Pläne in Boston?

Blanchard: Heute arbeiten in Boston rund 30 Mitarbeiter, bis Ende des Jahres soll die Zahl auf 50 steigen. Gerade im Softwarebereich gibt es eine Menge zu tun: Wir wollen, dass nicht nur die Bedienung des Roboters einfacher wird, sondern auch das Schreiben von Apps. Hier profitieren wir auch vom Ökosystem im Raum Boston. In Boston gibt es neben dem MIT, aus dem ja Rethink Robotics hervorgegangen war, einige spannende Hochschulen. Zudem ist hier in der Umgebung gerade im Bereich Robotics jede Menge los: Direkt neben unserem Teradyne Headquarter beispielsweise sitzt Amazon Robotics, die ehemalige Kiva Systems.

Teradyne Inc.

www.teradyne.com


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