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Weidmüllers u-OS: „Integration von OT und IT auf einer Plattform“

Martin Flöer, Strategic Program Manager, Weidmüller GmbH & Co. KG
Weidmüller: „u-OS für die Integration von OT und IT auf einer Plattform“

Weidmüller: „u-OS für die Integration von OT und IT auf einer Plattform“
Martin Flöer, Strategic Program Manager IIoT Software / u-OS bei Weidmüller: „Unsere Positionierung für u-OS besteht darin, kein eigenständiges Ökosystem zu schaffen, sondern vielmehr bestehende Ökosysteme zu verknüpfen.“ Bild: Weidmüller
Wie Weidmüller in Richtung offene Automations-Plattformen marschiert und welche Rolle dabei das Linux basierende Betriebssystem u-OS für die Edge und Steuerungsebene spielt, erläutert Martin Flöer, Strategic Program Manager IIoT Software / u-OS.

Was verstehen Sie unter einer „Plattform“?

Flöer: Eine Plattform ist im Allgemeinen eine technologische Grundlage. Sie schafft eine Umgebung, auf der verschiedene Anwendungen, Dienste oder Lösungen aufbauen können. Es handelt sich um eine abstrakte Ebene, die dazu dient, Entwicklern oder Nutzern eine konsistente und verlässliche Grundlage zu bieten, um bestimmte Funktionen oder Dienstleistungen zu realisieren. Dabei spielen einige Aspekte eine Rolle:

  • Abstraktion von Details: Plattformen abstrahieren oft komplexe technische Details und bieten Schnittstellen oder Werkzeuge an, die es den Anwendern ermöglichen, auf höherer Ebene zu arbeiten, ohne sich um die komplexen unterliegenden Prozesse kümmern zu müssen.
  • Integration von Lösungen: Plattformen ermöglichen die Integration von Lösungen oder Bausteinen, die von verschiedenen Beitragenden erstellt wurden. Dies fördert die Zusammenarbeit und erlaubt es, auf bereits vorhandene Ressourcen zuzugreifen, anstatt alles von Grund auf neu erstellen zu müssen. Sie sind damit ein wesentliches Element zum Aufbau von sogenannten Ökosystemen.
  • Use Case Realisierung: Plattformen bieten oft eine Umgebung, die die Umsetzung verschiedener Anwendungsfälle oder Use Cases ermöglicht. Dies kann von der Entwicklung von Softwareanwendungen über die Bereitstellung von Diensten bis hin zur Unterstützung von Geschäftsprozessen reichen.
  • Flexibilität und Skalierbarkeit: Gute Plattformen sind in der Regel flexibel und skalierbar. Das heißt, sie können sich an unterschiedliche Anforderungen anpassen und es ermöglichen, dass die darauf aufbauenden Lösungen mit steigender Nutzerzahl oder Komplexität wachsen (skalieren).
  • Ökosystem: Für Weidmüller besteht ein „Ecosystem“ neben der technischen Kompatibilität und Interoperabilität einzelner Geräte und Anwendungen auch aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Player (Partner, Wettbewerber, Kunden-Lieferanten) auf Basis offener Standards (Schnittstellen) und offener Technologien (zum Beispiel Open Source). Eine Plattform ermöglicht, dass auf Basis offener Standards unterschiedliche Anwendungen zusammenwirken.

Mit offenen Plattformen auf dem Weg zum Android der Automation

 

Wie heißt Ihre Plattform und können Sie diese mit ihren wesentlichen Eigenschaften kurz vorstellen? (Wie funktioniert sie technisch? Welche Technologien, Standards etc. nutzen Sie?)

Flöer: Mit u-OS bietet Weidmüller eine Plattform, durch die Nutzer die Integration von OT und IT auf einer Plattform realisieren. u-OS ist ein Linux basierendes Betriebssystem für die Edge und Steuerungsebene, welches sowohl auf den Weidmüller Geräten der u-control Familie als auch in Zukunft auf Fremdsystemen installiert werden kann. Ein weiterer wichtiger Standard, auf dem u-OS basiert, ist die Container-Technologie. Daneben bietet Weidmüller zudem die Cloudplattform easyConnect, mit der man Geräteflotten betreiben und Daten managen kann.

Was unterscheidet ihren Ansatz von anderen Ansätzen (USP)?

Flöer: Die USPs im Zusammenhang mit Plattformen leben auch stark von den Beitragenden. Unsere Positionierung für u-OS besteht darin, kein eigenständiges Ökosystem zu schaffen, sondern vielmehr bestehende Ökosysteme zu verknüpfen. Auf diese Weise bewahrt der Anwender seine Unabhängigkeit. Gleichzeitig kann er die Vorteile aller Beitragenden und die der Plattform selbst nutzen.

Aber zu einer guten Automationsplattform gehört auch eine exzellente, industriefähige Hardware. Die muss mit den rauen Umgebungen zurechtkommen und die Anforderungen in Richtung Langzeitverfügbarkeit erfüllen. Mit u-remote und den Steuerungen der u-control Familie steht dem u-OS-Anwender eben genau eine solche zur Verfügung. Dazu sind die u-control M Steuerungen linksseitig mit Standardschnittstellen, wie USB, PCIexpress und Ethernet ausgestattet, die es zukünftig erlauben, eine Vielzahl von Technologiemodulen zu integrieren und die Plattform auch mit Hardware zu erweitern.

Wo sehen Sie die Vorteile von offenen Plattformen (OT/IT-Integration? Realisierung von App-Konzepten? Hardware-Unabhängigkeit/Flexibilität?)?

Flöer: Offene Plattformen schaffen Flexibilität und Zukunftsfähigkeit, da man im Gegensatz zum geschlossenen System nicht auf einen Kontributor angewiesen ist. Die Grundlage hierfür sind die App-Konzepte. Außerdem sind Nutzer – je nach verwendeter Plattform und Technologien – hardware-unabhängig. Die OT/IT Integration erfordert, wie es der Name schon andeutet, die Fähigkeit, sich an verschiedene OT-Systeme anzubinden und in unterschiedliche IT-Systeme zu integrieren, hier spielen offene Systeme einen klaren Vorteil aus. Sie sind außerdem notwendig, eine OT/IT-Integration zu realisieren.

Wie lassen sich die teilweise hohen Anforderungen der Automatisierungstechnik (OT) mit der IT-Welt verbinden – OT-Echtzeit und IT-Echtzeit sind ja nicht deckungsgleich? Kann eine OT-IT-Plattform wirklich beide Welten verbinden?

Flöer: Ja, auf jeden Fall. Aber es hängt auch von den Anforderungen der Automatisierungstechnik ab und der Systemarchitektur, die in der Applikation verwendet wird. Je geringer die Anforderungen in Richtung Echtzeit sind, desto einfacher sind kombinierte Lösungen möglich. Aber auch anspruchsvolle Lösungen lassen sich mit dezentraleren Ansätzen integriert realisieren. Die zeitlich kritische Anwendung wird in diesem Fall dezentral ausgeführt und der Rest läuft auf der Edge.

Lässt sich diese Verbindung technisch über „offene Steuerungen“ realisieren oder eher über eine Zusatz-Schicht („offene Middleware“), die zwischen OT und IT sowie zwischen verschiedenen Systemen vermittelt?

Flöer: Die Middleware ist aus unserer Sicht eher Teil der offenen Steuerung. Der Anwender hat also die Wahl, ob die Steuerung ausschließlich für OT genutzt wird und die IT abgesetzt auf einem Edge Device läuft oder alles über ein Edge Device geschieht.

Was bedeutet das für das Engineering? Wie können Produkt- und Produktionsentwicklung profitieren?

Flöer: Unabhängig von offener Steuerung oder nicht – das Engineering wird sich verändern. In Zukunft werden Mechanismen benötigt werden, die IT- und OT-Geräte im Sinne der IT-Sicherheit effizient betreiben. Das heißt Rollouts von neuer Firmware, Apps oder Konfigurationen können von zentraler Stelle verwaltet, ausgerollt und administriert werden.

Wird der Automatisierer auf Dauer von IT-Spezialisten „ersetzt“ und wird mit den offenen Plattformen die Steuerungsprogrammierung entsprechend IEC 61131–3 auf Dauer hinfällig – oder nur entsprechend von der IT-Seite kommend „übersetzt“?

Flöer: Nein, der Automatisierer wird nicht ersetzt. Die IEC61131–3 ist nur die Sprache, das Wissen über den Prozess liegt weiterhin beim Automatisierer. Es ändert sich vielleicht die Art und Weise des Engineerings beziehungsweise die Programmierung. Grundsätzlich wird sich der Automatisierer mehr auf den eigentlichen Prozess konzentrieren können. Stichworte sind hier neben modernen Hochsprachen auch Low-Code oder modellbasierte Softwareentwicklung.

Welche Rolle spielt bei dem Plattform-Gedanken die Offenheit nicht nur gegenüber OT- bzw. IT-Systemen Dritter, sondern auch gegenüber vergleichbaren Plattformansätzen von Marktbegleitern? Entsteht auf Dauer eine gemeinsame offene interoperable Plattform über Standardisierung oder über Kooperationen oder durch Marktdominanz („the Winner takes it all“)?

Flöer: Wir gehen nicht davon aus, dass sich analog zu den Smartphones nur ein oder zwei Plattformen durchsetzen werden; dafür ist die Industrie viel zu heterogen und mannigfaltig. Wir sehen hier interoperable Ansätze und auch die Verwendung von defacto Standards. Ein gutes Beispiel sind Container gemäß OCI. Diese haben eine breite Akzeptanz und es ist ein Leichtes, einen einmal erstellten Container auf unterschiedlichen Container-Zielsysteme einzusetzen.

Auf der technischen Ebene: Welche Rolle spielen im Zusammenhang mit dem Thema Offenheit speziell Open-Source-Lösungen bzw. Betriebssysteme wie Linux sowie der Datenaustausch via OPC UA – das OPC steht dabei ja bereits für „Open Platform Communications“?

Flöer: Linux ist der Enabler für offene Steuerungsplattformen. Es ist Grundlage, dass Echtzeitanwendungen heute einfach auf unterschiedlichen Zielsystemen eingesetzt werden können. OPC UA ist der Standard, um herstellerübergreifend über Gerätegrenzen zu kommunizieren. Technologien, aber auch Ökosysteme wie Docker oder Node-RED, einfach zugänglich zu machen und auf einer industriefähigen Hardware miteinander in Aktion treten zu lassen: Das ist das Ziel von u-OS.

Kann bzw. wird sich über offene Plattformen eine Art „Android der Automation“ entwickeln, das auf verschiedenen Hardwareplattformen (Maschinen, Robotern) läuft?

Flöer: Einen Teil der Analogie zu Android passt sicherlich auch für die Industrie. Kommerzielle Marktplätze aber, wo Anwender und Bereitsteller von Apps anonym bleiben, sehen wir in der B2B geprägten Industriewelt nicht.

www.weidmueller.de


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