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Phoenix Contact zu PLCnext: „Eine Plattform muss möglichst kompatibel sein“

Benjamin Homuth, Leiter PLCnext Technology, Phoenix Contact Electronics GmbH
Phoenix Contact: „Eine Plattform muss möglichst kompatibel sein“

Phoenix Contact: „Eine Plattform muss möglichst kompatibel sein“
Benjamin Homuth, Leiter PLCnext Technology, Phoenix Contact Electronics GmbH Bild:Phoenix Contact
Mit PLCnext Technology bietet Phoenix Contact seinen Kunden ein offenes Ecosystem für die Automatisierung. Denn offene Systeme sind zukunftssicher, sagt Benjamin Homuth, Leiter PLCnext Technology, Phoenix Contact Electronics GmbH, und erläutert auch warum.

Was verstehen Sie unter einer „Plattform“?

Benjamin Homuth: Eine Plattform ist die Grundlage für offene Systeme und Lösungen. Auf ihrer Basis können Automatisierungsanwendungen aufgebaut werden. Auf der Plattform muss es möglich sein, auf verschiedenen Wegen Komponenten oder Expertise einzubringen, um zu einer Lösung zu gelangen. Die Offenheit und Qualität einer Plattform zeigt sich bei der Verbindung der unterschiedlichen Elemente untereinander, denn es soll am Ende alles miteinander funktionieren – und das mit so wenig Aufwand wie nötig. Daher muss die Plattform möglichst kompatibel zu dem sein, was auf ihr umgesetzt werden soll. Aus diesem Grund haben es proprietäre Ansätze schwerer als Plattformen, die auf Offenheit, Standards und bereits weit verbreiteten Technologien aufsetzen.

Mit offenen Plattformen auf dem Weg zum Android der Automation

Wie heißt Ihre Plattform und können Sie diese mit ihren wesentlichen Eigenschaften kurz vorstellen?

Homuth: Mit PLCnext Technology bietet Phoenix Contact seinen Kunden ein offenes Ecosystem für die Automatisierung. Das PLCnext Runtime-System bildet als offene Plattform die Grundlage für das Ecosystem. Als Hardware-Plattform lässt sich die PLCnext Control in unterschiedlichen Varianten mit dem PLCnext Runtime-System und einem Linux-Betriebssystem verwenden. Es können Software-Komponenten in verschiedenen Programmiersprachen entweder direkt auf dem Betriebssystem installiert, als App verpackt und/oder als Container auf das Gerät gebracht oder in das PLCnext Runtime-System integriert werden. Das PLCnext Runtime-System ermöglicht es über den Execution and Synchronisation Manager (ESM), Code zur Echtzeitausführung zu programmieren. Zudem stellt es dem Programmierer viele Infrastrukturkomponenten – wie den Global Data Space (GDS) – zur Vernetzung der Komponenten untereinander sowie für die Echtzeitkommunikation über unterschiedliche Protokolle zur Verfügung.

Was unterscheidet Ihren Ansatz von anderen Ansätzen (USP)? Und wo gibt es Gemeinsamkeiten?

Homuth: Für Phoenix Contact machen die Community und die technologische Offenheit des Ecosystems den Unterschied. Die Verschiedenheit verdeutlicht sich bei der Kombination von Echtzeit- und Nicht-Echtzeit-Programmierung in unterschiedlichen Programmiersprachen, der Einbindung von Software auf verschiedenen Ebenen bis hin zum Betriebssystem, also der direkten Linux-Programmierung und der Integrationsmöglichkeit von Software-Komponenten aus dem PLCnext Store. Für unsere Community stellen wir den Netzwerkeffekt und das Crowd Knowledge sowie den partnerschaftlichen Austausch mit Anwendern und Partnern in den Vordergrund. Außerdem erweist sich die Berücksichtigung der Cyber Security als Differenzierungsmerkmal. Dies gilt für ein offenes System im Speziellen, denn Phoenix Contact hat die Security von Anfang an mitgedacht und dadurch einen vom TÜV zertifizierten Security-Standard implementiert, mit dem PLCnext Technology bereits für die zukünftige Gesetzeslage nach dem Cyber Resiliance Act vorbereitet ist.

Wo sehen Sie die Vorteile von offenen Plattformen hinsichtlich OT/IT-Integration, der Realisierung von App-Konzepten, der Hardware-Unabhängigkeit, beziehungsweise derHardware-Flexibilität?

Homuth: Proprietäre Systeme sind immer nur so veränder- und erweiterbar, wie es der Hersteller zulässt. Offene Systeme lassen sich besser auf die Anwendung anpassen, erweitern und mit neuen Technologien auf dem neusten Stand halten. Daher sind offene Systeme zukunftssicherer und besser bei individuellen Gegebenheiten einsetzbar. Diese Eigenschaft ist besonders im Feld der IT-/OT-Konvergenz nützlich, da es sich um viele neue Anwendungsszenarien handelt, bei denen „IT-Software“ verwendet werden soll, die schnelleren Entwicklungszyklen unterliegt. Hier kommt die Nutzbarkeit von Container-Technologie auf einer offenen Plattform ins Spiel. Die Besonderheit dabei ist, dass eine Offenheit für alle Container-Formate – sogenannte OCI-Container (Open Container Initiative) – benötigt wird, um unnötige Aufwände bei der Anpassung und eine gewisse Hardware-Unabhängigkeit zum Beispiel beim Einsatz neuer und schnelllebiger Komponenten aus dem Bereich der Open Source Software zu vermeiden.

Wie lassen sich die teilweise hohen Anforderungen der Automatisierungstechnik (OT) mit der IT-Welt verbinden – OT-Echtzeit und IT-Echtzeit sind ja nicht deckungsgleich? Kann eine OT-IT-Plattform wirklich beide Welten verbinden?

Homuth: Eine Plattform muss beiden Seiten mit den unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden können. PLCnext Technology kombiniert die Robustheit und Echtzeitfähigkeit respektive den Determinismus eines Automatisierungssystems mit der Flexibilität, den Konfigurationsmöglichkeiten und der Update-Fähigkeit eines auf die Verarbeitung und Analyse größerer Datenmengen ausgelegten IT-Systems. Um die beiden Welten zu verbinden, muss eine Plattform aber nicht nur in der Lage sein, die Software-Komponenten miteinander zu koppeln. Auch bei der Übertragung der Daten im Netzwerk über verschiedene Protokolle gibt es heute noch Vermittlungsbedarf. Hier verfügt PLCnext Technology über eine große Anzahl von vorinstallierten und nachladbaren Protokoll-Stacks, sodass eine PLCnext Control für vielfältige Kommunikationsaufgaben gerüstet ist.

Lässt sich diese Verbindung technisch über „offene Steuerungen“ realisieren oder eher über eine Zusatz-Schicht („offene Middleware“), die zwischen OT und IT sowie zwischen verschiedenen Systemen vermittelt?

Homuth: Zum einen gibt es den Software-Ansatz mit einer Art Vermittlungsschicht oder Middleware. Das PLCnext Runtime-System verfügt dazu über den Global Data Space, der ein Mapping der Datentypen aus unterschiedlichen Programmiersprachen vornimmt, um die Daten zwischen verschiedenen Software-Komponenten in unterschiedlichen Programmiersprachen – egal, ob sie aus der IT oder der OT kommen – verbinden zu können. Ein weiterer Ansatz koppelt alles über ein zusätzliches Gerät in einer Edge-Ebene. Der Edge-Ansatz ist aufgrund der PLCnext Technology optional, da der Anwender die Software-Komponenten bereits direkt in die OT-Ebene integrieren kann. PLCnext Control als weiteres Edge-Gerät erweist sich dann von Vorteil, wenn es sich um Bestandsapplikationen handelt, die am besten nicht verändert werden sollen.

Was bedeutet das für das Engineering? Wie können Produkt- und Produktionsentwicklung profitieren?

Homuth: Der Ansatz, Automatisierungsapplikationen komplett in IEC 61131 zu programmieren, hat sich gewandelt. Nicht erst durch die Einflüsse der IT sollen die Programmiersprachen zum Einsatz kommen, die für die Applikation am besten geeignet sind, oder gleich ein Mix aus verschiedenen Programmiersprachen. Die Vorliebe für ein bestimmtes Engineering-Tool geht ebenfalls mit der Programmiersprache einher. Phoenix Contact bietet neben PLCnext Engineer und Codesys auch Tools wie Eclipse oder Visual Studio, die für die Hochsprachenprogrammierung in C# oder C++ entwickelt wurden, an. Ein Entwickler, der sich in diesen Tools bereits auskennt, kann sie ebenso für die Programmierung einer PLCnext Control verwenden, ohne sich umgewöhnen zu müssen. Der PLCnext Store als Marktplatz für Software-Komponenten rund um PLCnext Technology eröffnet Vorteile in der Nutzung schon vorhandener Software-Komponenten als App. Dadurch ergibt sich eine erhebliche Zeitersparnis, denn viele bestehende Funktionen müssen nicht von Grund auf neu erstellt werden.

Wird der Automatisierer auf Dauer von IT-Spezialisten „ersetzt“ und wird mit den offenen Plattformen die Steuerungsprogrammierung entsprechend IEC 61131–3 auf Dauer hinfällig – oder nur entsprechend von der IT-Seite kommend „übersetzt“?

Homuth: Es ist nicht die Frage, wer wen ersetzt, sondern wie können beide Seiten voneinander lernen, um das Beste aus beiden Welten miteinander zu kombinieren. IT-Spezialist und Automatisierer haben auch in Zukunft ihre Daseinsberechtigung. Ich denke es sollte auf ein „Ergänzen“ des Know-hows hinauslaufen. An der einen oder anderen Stelle wird sicherlich immer etwas „übersetzt“ werden müssen, da wir nicht auf der grünen Wiese starten. Wir sprechen hier über einen längeren Entwicklungsprozess, bei dem erstmal etwas zusammenwachsen muss. Phoenix Contact sagt dazu „Enhance your automation thinking“.

Welche Rolle spielt bei dem Plattform-Gedanken die Offenheit nicht nur gegenüber OT- bzw. IT-Systemen Dritter, sondern auch gegenüber vergleichbaren Plattformansätzen von Marktbegleitern? Entsteht auf Dauer eine gemeinsame offene interoperable Plattform über Standardisierung oder über Kooperationen oder durch Marktdominanz („the Winner takes it all“)?

Homuth: Offenheit auch in der Zusammenarbeit ist für uns der Schlüssel. Als Beispiel sei die Offenheit gegenüber früheren Wettbewerbern wie Codesys genannt, mit denen wir jetzt ein partnerschaftliches Verhältnis pflegen, um unseren Kunden neben PLCnext Engineer und dem PLCnext Runtime-System ebenfalls Codesys als Entwicklungs- und Laufzeitumgebung anbieten zu können. Phoenix Contact arbeitet stetig daran, das eigene Ecosystem zu erweitern und zusätzliche Partner für unsere Idee von Automatisierung zu gewinnen, denn die Community, die sich am besten ergänzt und zusammen funktioniert, wird am Ende entscheidend sein.

Auf der technischen Ebene: Welche Rolle spielen im Zusammenhang mit dem Thema Offenheit speziell Open-Source-Lösungen bzw. Betriebssysteme wie Linux sowie der Datenaustausch via OPC UA – das OPC steht dabei ja bereits für „Open Platform Communications“?

Homuth: OPC UA ist für Phoenix Contact eine der wichtigsten Schnittstellen im Hinblick auf den offenen, interoperablen Datenaustausch zwischen den Systemen und unverzichtbar für ein herstellerübergreifendes Device- and-Update-Management, das in Bezug auf die Security immer essenzieller wird. Linux hat sich als Betriebssystem in dem Bereich etabliert. Die in der Vergangenheit gehegten Zweifel an der Echtzeitfähigkeit des Systems sind schon seit Jahren widerlegt und nur die Flexibilität von Linux lässt eine Offenheit auf allen Ebenen zu. Der Ansatz bei der Open Source Software zeigt, was Crowd Knowledge, also das Wissen Vieler, bewirken kann. Durch die Zusammenarbeit von verschiedenen Entwicklern bei der Software-Erstellung entstehen neue Komponenten, die sich sehr gut in zahlreichen Anwendungen nutzen lassen. Das Crowd Knowledge respektive die Schwarmintelligenz ermöglicht dabei die Lösung komplexer Optimierungsprobleme oder das schnelle Reagieren auf Security Leaks.

Kann bzw. wird sich über offene Plattformen eine Art „Android der Automation“ entwickeln, das auf verschiedenen Hardwareplattformen (Maschinen, Robotern) läuft?

Homuth: Mit unserem Angebot einer Technologiepartnerschaft, wie Phoenix Contact sie bereits mit dem Robotik-Spezialisten Yaskawa geschlossen hat, stellen wir PLCnext Technology auch anderen Automatisierungsunternehmen zur Verfügung. Der Einsatz auf verschiedenen Hardware-Plattformen unterschiedlicher Hersteller kommt so den Anwendern zugute, indem diese zum Beispiel Apps aus dem PLCnext Store ebenfalls auf der Hardware weiterer Hersteller verwenden können.


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