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Lenze: „Nupano nutzt offene IT-Standards und Programmiersprachen“

Werner Paulin, Head of New Automation Technologies, Lenze SE
Lenze: „Nupano nutzt offene IT-Standards und Programmiersprachen“

Lenze: „Nupano nutzt offene IT-Standards und Programmiersprachen“
Werner Paulin, Head of New Automation Technologies, Lenze SE: „Die Automatisierung sollte tunlichst nicht wieder versuchen, eigene Standards zu definieren. Es gibt nur mehr eine Welt und in dieser Welt bedienen sich IT und OT der gleichen Technologien.“ Bild: Lenze
Werner Paulin, Head of New Automation Technologies und Product Owner Nupano, erläutert Lenzes Position zu offenen Plattformen. Im Fokus steht bei Lenze die Open Automation Platform Nupano, die offene IT-Standards sowie standardisierte Programmiersprachen nutzt und mit einem cloudbasierten Management einen einfachen Zugang zu Apps bietet.

Was verstehen Sie unter einer „Plattform“?

Paulin: Unter einer “Plattform” verstehen wir eine Art „Bodenplatte“, auf der Maschinenbauer ihre eigenen digitalen Dienste aufbauen können – hardware-unabhängig und basierend auf IT-Standards. Sie erfüllt die Sicherheitsanforderungen und Kritikalität von Industrieanlagen und deren Betriebsumgebungen. Die Plattformsoftware, die sich auf Geräten wie Steuerungen, Routern, Zugangspunkten, Gateways und Edge-Computing-Systemen befindet, betrachten wir als Teil einer verteilten IIoT-Plattform. Unsere Open Automation Plattform Nupano ist ein solches Fundament, das Maschinenbauern maximale Freiheit bei der Gestaltung ihrer digitalen Services bietet.

Mit offenen Plattformen auf dem Weg zum Android der Automation

Wie heißt Ihre Plattform und können Sie diese mit ihren wesentlichen Eigenschaften kurz vorstellen? (Wie funktioniert sie technisch? Welche Technologien, Standards etc. nutzen Sie?)

Paulin: Nupano ist die Open Automation Platform von Lenze, die offene IT-Standards und standardisierte Programmiersprachen nutzt. Mit ihrem cloudbasierten Maschinen- und App-Management bietet sie einen einfachen Zugang zu öffentlichen und organisationsspezifischen Apps. Schnittstellen lassen sich einbetten und beherrschen. Die Plattform ermöglicht die Integration jeder auf dem Markt erhältlichen IT-Software und bietet Raum für Co-Creation, Anwendungen können gemeinsam getestet, Release-Workflows und Lifecycle-Strategien entwickelt werden.

Nupano ist eng mit dem Maschinenpark des Kunden verbunden und ermöglicht es auch Anwendern ohne IT-Kenntnisse, IT-basierte Anwendungen zu implementieren und zu nutzen. Es hält Maschinen über eine beliebige Anzahl von Versionen hinweg effizient, verfügbar und aktuell. Das Release-Management ermöglicht es Maschinenbauern, ihre Maschinen zu verwalten und die Einführung neuer, IT-basierter Technologien zu beschleunigen. Jede Maschine kann über ihren Lebenszyklus individuell mit neuen App-Versionen ausgestattet werden. Über den „digitalen Vertreter“ im Cloud-System gelangt das Softwaremodul über einen Industrie-PC zur Anwendung auf der Fläche.

Wie genau funktioniert Nupano?

Paulin: Technisch gesehen besteht Nupano aus drei Komponenten:

1. Nupano Cloud Lösung: Sie wird als ‘Software as a Service’ (SaaS) angeboten und ist eine vollständig modulare und dynamische Microservice-Architektur, die vollautomatisch in einem AWS Amazon Elastic Compute Cloud (EC2) Container-Cluster bereitgestellt wird.

2. Nupano Runtime: Sie läuft auf jedem Industrie-PC und ist eine Linux-Anwendung (X86 64-Bit Architektur), die entweder auf einem Automation Controller neben einem Echtzeitsystem (via Hypervisor), als virtuelle Runtime auf Hyper-V oder als Linux-Anwendung auf einem beliebigen PC laufen kann.

3. Nupano Connect: Es ist ein Windows-Dienst, der auf dem Engineering-PC des Nutzers läuft und eine Brücke zwischen der Cloud-Lösung und der Runtime bildet. Es muss nur dann laufen, wenn Aktionen, die die Runtime betreffen (z.B. Übertragung), aus der Cloud ausgelöst werden.

Was unterscheidet ihren Ansatz von anderen Ansätzen (USP)?

Paulin: Maschinenbauer werden sich zukünftig durch eigene digitale Services differenzieren, die sie mit öffentlichen Services kombinieren. Nupano unterstützt sie dabei, indem es die Verwaltung dieser Services vereinfacht. Alle Maschinen werden zentral in der Cloud verwaltet, Nupano organisiert das Release Management und bietet Workflows für App-Validierung und den Lebenszyklus. Zudem sorgt Nupano dafür, dass Apps mit den benötigten Konfigurationsdaten für jede Maschine ausgestattet sind. Zudem profitieren Maschinenbauer von der Nupano-Community in der Partner ready-to-use Technologien oder IT-Dienstleistung anbieten.

Und wo gibt es Gemeinsamkeiten?

Paulin: Allen Plattformen gemein ist das Bestreben, den Maschinenbauer bei der Integration digitaler Services zusätzlich zur klassischen Steuerungstechnik zu unterstützen. So verschieden die Anforderungen an Services im Maschinenbau sind, so unterschiedlich sind dann aber auch die Lösungen der Plattformen.

Wo sehen Sie die Vorteile von offenen Plattformen (OT/IT-Integration? Realisierung von App-Konzepten? Hardware-Unabhängigkeit/Flexibilität?)?

Paulin: Um am rasanten Fortschritt der Informationstechnologie zu partizipieren, bedarf es offener Systeme. Sie erlauben es dem Maschinenbauer, sich an Quellen zu bedienen, die für seine Anwendung einen Mehrwert liefern. Konsequent weitergedacht bedeutet Offenheit, hardware-unabhängig zu sein. Maschinenbauer können damit resilienter auf Schwierigkeiten in der Lieferkette und flexibler auf die gegebene IT-Infrastruktur seiner eigenen Kunden, der Maschinenbetreiber, reagieren.

Wie lassen sich die teilweise hohen Anforderungen der Automatisierungstechnik (OT) mit der IT-Welt verbinden – OT-Echtzeit und IT-Echtzeit sind ja nicht deckungsgleich? Kann eine OT-IT-Plattform wirklich beide Welten verbinden?

Paulin: Der Grund für die Trennung von IT und OT war in der Tat die Echtzeitanforderung, die IT-Betriebssysteme in den 1990er Jahren nicht erfüllen konnten. Die jetzt „OT“ genannte Maschinenautomatisierung begann, eigene Betriebssysteme zu erfinden und zahlte einen hohen Preis dafür: nämlich die Abkopplung von jeglichem Fortschritt der Informationstechnologie. Fast unbemerkt von der Automatisierungswelt sind heutige IT-Systeme bereits sehr wohl in der Lage, gleichzeitig OT-Echtzeit und IT-Services auf einer Hardware ohne Hypervisor abzuarbeiten. Es wird nicht mehr lange dauern, dann erfüllen sie auch höchste Anforderungen an die Echtzeit.

Lässt sich diese Verbindung technisch über „offene Steuerungen“ realisieren oder eher über eine Zusatz-Schicht („offene Middleware“), die zwischen OT und IT sowie zwischen verschiedenen Systemen vermittelt?

Paulin: Der Schlüssel ist, dass die Automatisierung keine Zusatzschicht erfindet. Denn proprietäre Schichten würden den Fortschritt lähmen. Wenn beiden Welten ineinander verschmolzen sind, gibt es technologisch keine Unterscheidung mehr. Es gibt nur mehr das IT-basierte System mit Echtzeitfähigkeiten für OT-Aufgaben. Für die Verbindung sollen offene IT-Standards verwendet werden.

Ein vielversprechender Ansatz basiert stattdessen auf einem Echtzeit-Linux (RT-Linux), kombiniert mit einer Container-Technologie, die es ermöglicht, Container auch in Echtzeit abzuarbeiten. Dieser Ansatz ist absolut offen, basiert nativ auf IT-Standards und ermöglicht es, IT und OT parallel und nahtlos zu integrieren.

Was bedeutet das für das Engineering? Wie können Produkt- und Produktionsentwicklung profitieren?

Paulin: OT- und IT-Programme werden auf unterschiedliche Weise und (noch) von unterschiedlichen Personengruppen entwickelt. Außerdem gibt es Software, die schnellere Update-Zyklen ermöglicht und Software, die unter Umständen erst nach Monaten des Feldtests aktualisiert werden darf. Die Anforderungen und Möglichkeiten sind also sehr unterschiedlich, am Ende müssen aber alle Programme zusammenspielen, um eine Maschine automatisieren und digitale Mehrwerte zu schaffen. Die Orchestrierung dieser Workflows wird eine zentrale Aufgabe des Engineerings und der verwendeten Werkzeuge sein.

Wird der Automatisierer auf Dauer von IT-Spezialisten „ersetzt“ und wird mit den offenen Plattformen die Steuerungsprogrammierung entsprechend IEC 61131–3 auf Dauer hinfällig – oder nur entsprechend von der IT-Seite kommend „übersetzt“?

Paulin: Ich würde nicht von ersetzen sprechen. Echte offene Plattformen unterstützen eine breite Palette an Programmiersprachen. Zukünftig können Maschinenprogramme daher nicht nur in der vertrauten IEC 61131–3 Welt programmiert werden, sondern auch in modernen Sprachen wie Go oder Rust. Für nicht-echtzeit Anforderungen stehen weiters praktisch alle Sprachen zur Verfügung. Für den Maschinenbauer bedeutet das Flexibilität und Freiheit. Er kann jene Sprache verwenden, die zum einen geeignet ist und zum anderen im Unternehmen beherrscht wird.

Welche Rolle spielt bei dem Plattform-Gedanken die Offenheit nicht nur gegenüber OT- bzw. IT-Systemen Dritter, sondern auch gegenüber vergleichbaren Plattformansätzen von Marktbegleitern? Entsteht auf Dauer eine gemeinsame offene interoperable Plattform über Standardisierung oder über Kooperationen oder durch Marktdominanz („the Winner takes it all“)?

Paulin: Geht es um Marktdominanz, dann wird häufig auf die App-Store-Welt von Google und Apple referenziert. Es gilt das Motto „the Winner takes it all“, denn die „Hardware-Topologie“ und die damit verbundenen Daten-Ströme sind praktisch identisch: wir alle haben ein bis zwei Smartphones, deren Apps mit Cloud-Diensten verbunden sind. Heißt: Wir alle sind bereit, Komfort mit unseren Daten zu bezahlen. Schaut man jedoch genau hin, dann gibt es im B2B- IT-Bereich diese Dominanz schon nicht mehr. Es gibt z.B. Docker Hub oder AWS Marketplace und niemand würde hier von Dominanz sprechen.

Im Maschinenbau sind sowohl die Hardware-Topologie als auch die Datenströme je nach Branche und Maschinentyp und Hersteller unterschiedlich. Der Markt ist heterogener. Daher wird es nicht die eine Plattform geben. Der Weg der Offenheit muss konsequent weitergedacht werden. Angelehnt an „StarTrek“ sehen wir die „United Federation of Platforms“ als ideal für den Kunden an, um Technologien quer über verschiedene Plattformen zu kombinieren. Nupano wird bald in der Lage sein, weitere Marktplätze zu integrieren.

Auf der technischen Ebene: Welche Rolle spielen im Zusammenhang mit dem Thema Offenheit speziell Open-Source-Lösungen bzw. Betriebssysteme wie Linux sowie der Datenaustausch via OPC UA – das OPC steht dabei ja bereits für „Open Platform Communications“?

Paulin: Open-Source-Lösungen werden eine wichtige Rolle in der Automatisierung spielen, weil sie eine unkomplizierte Verbreitung von Wissen ermöglichen und so für einen Innovationsschub aus der Gemeinschaft heraus sorgen. Der Einsatz von Open-Source-Lösungen stellt aber auch einen Paradigmen-Shift dar: nicht die Software stiftet den Wert, sondern ihre Nutzung bzw. die damit verbundene Dienstleistung z.B. für Wartung. Ganz konkret werden Linux, Container-Technologien und OPC UA TSN eine zentrale Rolle spielen.

Kann bzw. wird sich über offene Plattformen eine Art „Android der Automation“ entwickeln, das auf verschiedenen Hardwareplattformen (Maschinen, Robotern) läuft?

Paulin: Mag sein, dass in bestimmten Branchen und Anwendung eine Art „Android der Automation“ eine sinnvolle Ergänzung zu allgemeinen IT-Standards ist. Allerdings ist Android auch nur ein Linux mit einer speziellen Art der „Container-Technologie“. Es wurde speziell für die Anwendung in mobilen Geräten mit Touchscreen entwickelt. Da wir Konsumenten alle die gleiche Hardware-Ausstattung haben, bietet sich die Standardisierung auf iOS oder Android an.

Aufgrund der verschiedensten Anforderungen im Maschinenbau ist eine Kombination aus RT-fähiger Hardware, RT-Linux und Container-Technologie der universellste und offenste Zugang. Die Automatisierung sollte tunlichst nicht wieder versuchen, eigene Standards zu definieren. Damit würde sich die Geschichte aus 1990, also die erneute Abkopplung der Automatisierung wiederholen. Es gibt nur mehr eine Welt und in dieser Welt bedienen sich IT und OT der gleichen Technologien.

www.lenze.com/de-de


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