Was verstehen Sie unter einer „Plattform“?
Märtens: Bei Kuka verstehen wir unter einer Plattform ein herstellerübergreifendes Ecosystem, das alle Bestandteile von leistungsfähigen Roboteranwendungen bündelt und für Kunden einfach verfügbar macht. Dazu gehören Hard- und Software-Komponenten, genauso wie einsatzfertige Automatisierungslösungen.
Mit offenen Plattformen auf dem Weg zum Android der Automation
Wie heißt Ihre Plattform und können Sie diese mit ihren wesentlichen Eigenschaften kurz vorstellen? (Wie funktioniert sie technisch? Welche Technologien, Standards etc. nutzen Sie?)
Märtens: Unsere Plattform ist die Robotic Republic. Sie steht für einfache Robotik für alle, vereint im Ecosystem von Kuka, und zeichnet sich durch ein schnell wachsendes Angebot von Hard- und Software-Komponenten sowie von Automatisierungslösungen, z.B. Automatisierungszellen, aus. Einerseits stellen wir so unseren Kunden individuelle und kompatible Pakete zusammen, die ihnen einen sicheren und schnellen Einstieg in die Automatisierung ermöglichen. Ein wesentlicher Bestandteil unseres Kuka Ecosystem-Verständnisses ist auf der anderen Seite die Förderung unserer Creator. Das sind Ecosystem-Partner, die wir dabei unterstützen, Kuka kompatible Produkte und Lösungen zu entwickeln und diese über unseren Marketplace anzubieten.
Was unterscheidet ihren Ansatz von anderen Ansätzen (USP)? Und wo gibt es Gemeinsamkeiten?
Märtens: Eine große Stärke der Robotic Republic ist einerseits das breite Roboterportfolio von Kuka auf der Plattform. Andererseits spielt das große Angebot verfügbarer Schnittstellen sowie Entwicklungstools eine entscheidende Rolle, da diese es dem Creator ermöglichen, eigene Apps zu entwickeln und Kunden direkt über den Marketplace zugänglich zu machen. Die Entwicklungstools und die dazugehörige Dokumentation (z.B. iiQKA.SDK) werden auf dem sogenannten Kuka Creator Portal zugänglich gemacht. Das Portal wird kontinuierlich weiter ausgebaut.
Im Moment beschränken wir uns in der Robotic Republic auf Angebote rund um unsere Kuka Cobots und die zugehörige Software iiQKA.OS. Die Teilnahme ist aktuell kostenlos. Geplant ist in der nächsten Ausbaustufe eine Erweiterung der Plattform für KSS, die Kuka.SystemSoftware, die das Betriebssystem und damit Herzstück der Steuerungen unseres gesamten restlichen Roboterportfolios ist. Dadurch sind wir in der Lage, unseren Kunden und Creatorn ein erheblich größeres Angebot zu eröffnen. Außerdem kann die Plattform dadurch mit weiteren existierenden Schnittstellen wie z.B. Kuka.PLC mxAutomation, Kuka.EthernetKRL oder Kuka.RobotSensorInterface verheiratet werden, was die Kompatibilität deutlich erhöht. Auch die Harmonisierung der Robotic Republic mit anderen Ecosystems ist geplant oder wie am Beispiel von ctrlX World, dem Ecoystem von Bosch Rexroth, bereits umgesetzt.
Wo sehen Sie die Vorteile von offenen Plattformen (OT/IT-Integration? Realisierung von App-Konzepten? Hardware-Unabhängigkeit/Flexibilität?)?
Märtens: Am Beispiel unserer Robotic Republic erleben wir täglich, dass es zu einer gegenseitigen Befruchtung zwischen unserer Creator-Community und uns als Roboterhersteller kommt – und zwar in vielerlei Hinsicht. Die gegenseitige Unterstützung bei der Entwicklung neuer Produkte und Lösungen fördert Innovationen auf beiden Seiten. Durch die stetig wachsende Community kommen hier auch ständig neue Impulse hinzu. Das kommt letztlich den Kunden zugute, da durch diese Zusammenarbeit immer einfacher zu bedienende Anwendungen entstehen, die den Einstieg in Automatisierung auch für weniger Erfahrene ermöglichen.
Ein weiterer Vorteil ist auch die zusätzliche Reichweite, die einerseits wir als Kuka, aber andererseits auch unsere Creator durch die Zusammenarbeit gewinnen. Durch gemeinsames Marketing und Kommunikation erreichen wir jeweils Kunden, die wir vorher vielleicht nicht erreicht hätten.
Wie lassen sich die teilweise hohen Anforderungen der Automatisierungstechnik (OT) mit der IT-Welt verbinden – OT-Echtzeit und IT-Echtzeit sind ja nicht deckungsgleich? Kann eine OT-IT-Plattform wirklich beide Welten verbinden?
Märtens: Wir bei Kuka fokussieren uns in erster Linie auf die Qualität und die Weiterentwicklung unserer eigenen Produkte – das sind unsere Roboter, unsere Betriebssysteme und die vielfältigen, offenen Schnittstellen. Letztgenannte ermöglichen eine einfache Integration neuer Produkte in die bestehende Software-Architektur und stellen die Kompatibilität zu den meisten Plattformanbietern sicher. Über die Robotic Republic sorgen wir außerdem im engen Austausch mit unseren Creatorn dafür, Schnittstellen fortlaufend weiterzuentwickeln.
Wird der Automatisierer auf Dauer von IT-Spezialisten „ersetzt“ und wird mit den offenen Plattformen die Steuerungsprogrammierung entsprechend IEC 61131–3 auf Dauer hinfällig – oder nur entsprechend von der IT-Seite kommend „übersetzt“?
Märtens: Dass nicht nur die bloße Anzahl von IT-Entwicklern in der Robotik ansteigt, sondern auch der Einfluss von IT in der Robotik zunimmt, ist unstrittig. Diese Entwicklung ist positiv, denn mehr IT führt dazu, dass immer komplexere Abläufe vereinfacht werden können, wodurch der Funktionsumfang der Robotik wächst. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass der Prozessexperte dadurch an Bedeutung verliert. Nehmen wir einmal das Beispiel des automatisierten Schraubens. Das Programm, das der Roboter in der Theorie zum Drehen einer Schraube ausführt, kann noch so gut sein: Die Applikation wird in der Praxis nur dann reibungslos funktionieren, wenn der Automatisierer in der Lage ist, das Programm sauber auf den jeweiligen Prozess zu übertragen. Dafür braucht es Prozesswissen. Oder um beim Beispiel zu bleiben: Expertenwissen im Schrauben.
Welche Rolle spielt bei dem Plattform-Gedanken die Offenheit nicht nur gegenüber OT- bzw. IT-Systemen Dritter, sondern auch gegenüber vergleichbaren Plattformansätzen von Marktbegleitern? Entsteht auf Dauer eine gemeinsame offene interoperable Plattform über Standardisierung oder über Kooperationen oder durch Marktdominanz („the Winner takes it all“)?
Märtens: In der Zukunft werden wir zwangsläufig eine Zunahme von Standards beobachten, die es Roboterherstellern übergreifend ermöglichen, Software- und Hardware-Erweiterungen einfacher zu integrieren. Wer es schafft, das umfangreichste und einfachste Ecosystem anzubieten, wird gegenüber der Konkurrenz klar im Vorteil sein.
Auf der technischen Ebene: Welche Rolle spielen im Zusammenhang mit dem Thema Offenheit speziell Open-Source-Lösungen bzw. Betriebssysteme wie Linux sowie der Datenaustausch via OPC UA – das OPC steht dabei ja bereits für „Open Platform Communications“?
Märtens: Die angesprochene, zu erwartende Standardisierung bezieht sich nicht nur auf Hard- sondern eben auch auf Software, insbesondere auf Software-Schnittstellen. Auch Kuka wird auf Linux-basierte Lösungen setzen. Die Kompatibilität zu z.B. OPC UA und ROS ist bereits gegeben – und Kuka somit bereits heute bestens für die Zukunft gewappnet.
Kann bzw. wird sich über offene Plattformen eine Art „Android der Automation“ entwickeln, das auf verschiedenen Hardwareplattformen (Maschinen, Robotern) läuft?
Märtens: Auch im Bereich der Smartphones gibt es bei Android oder iOS heute nicht „das Eine“ Betriebssystem, sondern es herrscht Konkurrenz zwischen den beiden. Ähnlich verhält es sich in der Robotik, wo es immer mehrere Betriebssysteme geben wird – das Rennen werden am Ende diejenigen machen, die einfacher zu bedienen sind und das umfangreichste Ecosystem anbieten.
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