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David Reger: „Elon Musk hat keine Ahnung von Robotik“

Interview: David Reger, CEO, Neura Robotics GmbH
„Elon Musk hat keine Ahnung von Robotik“

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Welche Pläne Neura Robotics für 2023 hat, warum der Ausbau der Roboter-Produktionskapazität oberste Priorität hat und wie die Metzinger es mit Elon Musk aufnehmen wollen, verrät CEO David Reger im Interview.

Interview: Armin Barnitzke

2022 war ein ereignisreiches Jahr für Neura Robotics: ein fulminanter Automatica-Auftritt samt Vorstellung des Serviceroboters Mipa, der Einstieg des Ex-Kuka-Chefs Till Reuter als Investor und Berater und die Präsentation des humanoiden Roboters 4NE-1. Geht es 2023 in dem Tempo weiter?

Reger: Ja, es muss so weitergehen. Wir wollen schließlich einen Unterschied machen und die Robotik für die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche nutzbar machen. Aber klar: Unser nächster Automatica-Auftritt wird wohl ein bisschen fokussierter. 2022 hatten wir 60 Roboter mit auf die Messe gebracht, die alle etwas Unterschiedliches gemacht haben. Damit wollten wir zeigen, dass wir reale Roboter haben. 2023 werden wir konkretere Anwendungfälle präsentieren. Aber natürlich bringen wir auch ein paar Überraschungen mit.

Den humanoiden Roboter 4NE-1 hat Neura Robotics extra ein paar Tage vor Elon Musks Optimus vorgestellt. Wollt ihr es als Start-up tatsächlich mit Elon Musk aufnehmen?

Reger: Ja, klar. Denn Elon Musk hat keine Ahnung von Robotik, weil er damit gerade erst anfängt. In vielen deutschen und europäischen Forschungs-Instituten habe ich schon bessere humanoide Roboter gesehen. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass wir mit der Robotik in Deutschland technologisch viel besser aufgestellt sind, vor allem in Sachen Hardware. Man darf sich von Elon Musks Marketing nicht täuschen lassen. Und wir als Neura Robotics trauen uns definitiv zu, bei humanoiden Robotern Elon Musk die Stirn zu bieten, weil wir alle dafür notwendigen Komponenten bereits im Portfolio haben und im Serviceroboter Mipa einsetzen. Und die Funktionalitäten sind ja letztlich die gleichen, ob der Roboter nun auf zwei Beinen läuft wie der 4NE-1 oder auf Rädern fährt wie der Mipa. Natürlich ist es eine Herausforderung einen Roboter auf zwei Beinen auf unterschiedlichen Terrain laufen zu lassen – aber auch hier haben wir Patente die besser funktionieren, als das was wir von Elon Musk gesehen haben.

Und wann ist der Mipa-Roboter erhältlich?

Reger: Ab 2024 wird es unseren multifunktionalen Serviceroboter Mipa zu kaufen geben. Im Moment sind wir mit zahlreichen Partnern dabei, Apps für den Roboter zu entwickeln, etwa um eine Spülmaschine auszuräumen. Wir liefern die entscheidenden Grundfunktionalitäten für eine Multi-Purpose-Roboter-Plattform, die die Partner dann mit branchenspezifischen Anwendungen ausstatten. Das ist wie bei Apple: die bauen das Smartphone und die passende Software dafür gibt es aus dem App Store von tausenden Entwicklern. 2024 werden genug Apps für Mipa zur Verfügung stehen.

4NE-1 und Mipa sind ja spannende visionäre Roboter. Aber wäre es nicht besser, sich auf einen konkreten Roboter zu konzentrieren und diesen in den Markt zu bringen, anstatt immer neue Visionen zu entwickeln?

Reger: Zunächst mal: Ohne Vision wären wir nicht da, wo wir heute sind. Lara und Maira setzen beide Benchmarks in Sachen Cobot und kognitive Roboter. Alle dafür entwickelten Funktionen und Technologien können wir genauso in den Servicerobotern wie Mipa und 4NE-1 einsetzen. Natürlich werden wir die Plattform beständig weiterentwickeln. In Kürze kommt von Maira eine neue Serie auf den Markt.

Maira und Mipa basieren also auf der gleichen Plattform?

Reger: Ja, alle unsere Roboter basieren auf der selben offenen Plattform, die vielfältig einsetzt werden kann – übrigens auch auf anderen Robotern. Unser Vision-System und unsere Sprachsteuerung kann man auch auf anderen Industrierobotern verwenden. Wir wollen uns nirgendwo limitieren und daher unsere Technologie nicht einmal auf unsere eigenen Produkte begrenzen. Wir denken da weit voraus.

Man kann also bei Neura Robotics nicht nur fertige Roboter kaufen..?

Reger: Ja. Heute kommt unser Hauptumsatz aus Lizenzen. Wir lizenzieren komplette Roboter ebenso wie KI-Software oder unsere Kraft-Momenten-Sensoren. Schließlich können wir gar nicht so schnell eigene Roboter bauen, wie wir das müssten, um den Bedarf abzudecken. Unsere Produktionskapazität ist unsere größte Limitierung.

Baut Neura Robotics nur in Metzingen Roboter oder auch in China?

Reger: Unsere größte Herausforderung als Startup ist derzeit, die Kapazitäten zu schaffen, um unsere vollen Auftragsbücher schnellstmöglich abzuarbeiten. Derzeit können wir in Metzingen 1300 kognitive Roboter pro Jahr bauen. Nächstes Jahr planen wir eine Produktionskapazität von 4800 Einheiten in Deutschland. In China geht die Kapazität eher in Richtung 20.000 bis 30.000 Roboter. Aber dort produzieren wir ausschließlich für den Markt China. Kunden in Japan etwa fordern von uns, dass wir nur in Deutschland produzieren.

Wo sollen Maira und Lara eingesetzt werden? Wie sieht Ihre Business-Strategie aus?

Reger: Wir haben ein Partnernetzwerk etabliert, um unsere Robotersysteme mit deren Technologien und Branchen-Know-How zu verbinden. Diese Partner bringen dann die Roboter in die jeweiligen Märkte.

Welche Arten von Partner sind das?

Reger: Wir haben Partner für Küchenausstattung und Massagesysteme ebenso wie Partner im Bereich Messtechnik, Schweißtechnik, Entgraten oder Montage. Auch die Logistik ist derzeit ein großes Thema für unsere smarten Roboter. Zudem wollen Partner unsere Roboter für die Laborautomatisierung nutzen sowie für Operationen und das Brustkrebs-Screening. Die Idee dabei ist stets die gleiche: Wir liefern eine offene Roboter-Plattform und die Partner entwickeln für die Anwendung die nötigen Apps, bringen das Ganze als Eigenprodukt auf den Markt und kümmern sich auch um den Service. Unser Partnernetzwerk wächst beständig. Wir haben so viele Partneranfragen, dass wir sehr gezielt auswählen können.

Auf welche Grundfunktionalitäten sind Sie besonders stolz?

Reger: Wir haben zum Beispiel KI-Funktionalitäten im Bereich Montage, mit denen der Roboter Bauteile sehr feinfühlig einfügen kann. Spannend ist auch unser Online Path Planning. Normalerweise plant ein Roboter seine Bahn vorab und fährt diese dann unverändert ab. Wir berechnen die Roboterbahn jede Millisekunde komplett neu und sind so in der Lage, zum Beispiel auf äußere Einflüsse wie Kräfte direkt reagieren zu können.

Und die Partner-Strategie funktioniert gut?

Reger: Ja, in Asien gibt es schon viele Systeme mit unseren Robotern zu kaufen und im nächsten Jahr wird auch in Europa einiges auf den Markt kommen. Hier sprechen wir von Stückzahlen, die viel größer sind als wir derzeit herstellen können. Deswegen befasse ich mich intensiv damit, die Produktion noch robuster skalieren können.

Leidet Neura Robotics dabei auch unter Lieferketten-Engpässen.

Reger: Kaum. Die meisten unserer Komponenten stammen nicht aus China, bei Maira kommen über 90 Prozent der Teile aus Deutschland. Maira ist also ein sehr deutscher Roboter. Antriebstechnik, Getriebe, Motor, Encoder und Bremsen machen wir alles selbst. Und wir sind fürs nächste Jahr sehr gut gerüstet, denn wir haben sehr, sehr viel Material und Komponenten eingekauft. Unsere Herausforderung liegt eher darin, genug Mitarbeiter und genug Fläche für die Produktion zu haben.

Neura Robotics GmbH
www.neura-robotics.com


Internationales Wachstumskapital

Der ehemalige Kuka-Chef Till Reuter ist bei Neura Robotics nicht nur als Investor eingestiegen, sondern berät auch den Gründer David Reger in der aktuellem Finanzierungsrunde: „Wir tauschen uns sehr regelmäßig aus. Till Reuter ist extrem erfahren und hilft uns sehr in der laufenden Investmentrunde, in der wir Entscheidungen treffen müssen, wie wir weitergehen und mit wem“, sagt David Reger.

Zumal Regers Pläne für zukünftige Investoren ehrgeizig sind: „Wir wollen einen großen Schritt in Richtung globale Aufstellung machen. Um international erfolgreich zu sein, will ich Investoren aus unterschiedlichsten Regionen zusammenbringen.“ Aktuell ist der Haupt-Investor die chinesische Shenzhen Han‘s Robot Co., Ltd.

Mit dem Schritt in Richtung globale Investoren will David Reger – gerade in Zeiten geopolitischer Diskussionen – einseitige Abhängigkeiten vermeiden . Wobei er auch betont: „Ich bin sicher kein China-Gegner. Die Chinesen haben an uns geglaubt, als kein anderer an uns geglaubt hat. Dafür bin ich sehr dankbar.“


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