Ein ungenau arbeitendes Robotersystem konterkariert zentrale Vorteile des Robotereinsatzes wie eine zuverlässige und präzise Prozessausführung. Es wirkt sich im Besonderen bei der Offlineprogrammierung, wie sie beispielsweise beim Schweißen üblich ist, negativ aus. Denn die programmierten Posen werden in der Realität nicht genau genug erreicht. Dann ist zeitintensives Nachteachen erforderlich und die Offlineprogrammierung kann ihre Vorteile wie das Vermeiden von Maschinenstillständen nicht ausspielen. Und auch beim Bearbeiten können Prozesskräfte am Endeffektor zu Schwingungen und Abweichungen führen. Erst wenn eine bestimmte Genauigkeit erreicht werden kann, sind viele anspruchsvollere Anwendungen technisch und wirtschaftlich umsetzbar.
Wiederholgenauigkeit und Absolutgenauigkeit
Was Robotergenauigkeit ist, definiert die ISO 9283. Die Wiederholgenauigkeit beschreibt, wie genau ein Robotersystem eine einmal angefahrene Position beim erneuten Anfahren erreicht. Die Absolutgenauigkeit hingegen beschreibt, wie genau ein Robotersystem eine theoretisch programmierte Position in der Realität anfährt. Typischerweise sollten Robotersysteme standardmäßig auf 0,1 mm wiederhol- und auf 1 mm absolutgenau sein. Die Stärke von Robotern ist also die Wiederhol- und weniger die Absolutgenauigkeit. Die Bahngenauigkeit gibt den maximalen Abstand der Ist- zur Soll-Bahn an, zum Beispiel beim Bahnschweißen oder Laserschneiden.
Verschiedene Ursachen können dazu führen, dass ein Robotersystem ungenau arbeitet. Großen Einfluss haben hierbei die Getriebesteifigkeit unter Eigenlast und auch im Prozess, Justagefehler der Achsen, die Umgebungstemperatur und die thermische Ausdehnung durch die Motorwärme. Ganz simpel können auch Kollisionen die Genauigkeit reduzieren und einen Justagefehler verursachen, weil die Nullstellung der Winkelgeber in den Antrieben dabei verschoben wird. Geringeren Einfluss haben Ursachen wie Getriebespiel, Signalverarbeitung und Schwingungen durch Anregung der Roboterbasis. Diese Schwingungen können zum Beispiel durch nebenstehende Maschinen oder vorbeifahrende Hubwagen entstehen.
Interne und externe Sensoren im Einsatz
Um die Genauigkeit zu verbessern, gibt es zunächst einige Standardmaßnahmen. Üblicherweise werden Roboter noch im Werk kalibriert, um Fertigungstoleranzen auszugleichen. Hinzu kommen jährliche Überprüfungen. Besteht die Ungenauigkeit weiterhin, sind meist eine Spurensuche und Expertenwissen über die eingesetzten Komponenten und spezifische Anwendungscharakteristika erforderlich, um die Ursache zu finden. Dabei werden Konzepte wie zum Beispiel die Steifigkeitsmodellierung, armseitige Winkelmessung oder die Rückführung von Messwerten durch die Einbindung von Sensorik angewendet.
Zum Einsatz kommen bei diesen Analysen sowohl bereits vorhandene interne als auch zusätzliche externe Sensoren. Methoden zur externen Datenerfassung sind Lasertracker, Laserscanner, mechanische und optische Messtaster oder Indoor GPS. Welche Sensorik am sinnvollsten ist, hängt stark von der Anwendung und den Anforderungen ab. Interne Sensoren haben den Vorteil, dass sie nicht extra angeschafft werden müssen und im Prozess verfügbar sind. Allerdings bieten sie meist eine geringere Präzision, da sie gewünschte Zielgrößen wie beispielsweise die Endeffektorposition in der Regel nicht direkt messen können. Externe Sensoren hingegen können diese messen, sind hochpräzise und können für verschiedene Anlagen eingesetzt werden.
Ein wirkungsvolles Verfahren, um die Genauigkeit zu verbessern, ist, Sensoren am Robotersystem einzusetzen und Kalibrierkörper anzufahren. Auch sind eine regelmäßige sensorbasierte Positionsbestimmung bis hin zur sensorbasierten Echtzeitregelung des Endeffektors möglich. In den Forschungslabors am IPA ist hierfür eine hochwertige Ausstattung vorhanden, deren Anschaffung für Firmen oft zu kostspielig ist. So gibt es unter anderem einen Absolute Tracker AT960 von Leica, der Positionen zum Beispiel eines Reflektors mit einer Abtastrate von 1000 Hertz und einer Genauigkeit von bis zu 15 μm messen kann. Zusätzlich kann er auch für 6-DOF Messungen und zum Scannen von Bauteilen verwendet werden.
Ungenauigkeiten kompensieren
Verformungen am Endeffektor können dann mit Steifigkeitsmodellen, Robotermassen und Trägheitsmomenten bzw. Massenschwerpunkten sowie dem Messen von Prozessen und der Endeffektorlast kompensiert werden. Verursachen die Gelenke die Ungenauigkeiten, können Winkelmessungen auf der Armseite des Gelenks anstatt auf der Motorseite diese Effekte messbar machen. Regelt man die Effekte aus, kann dies die Genauigkeit des Roboters signifikant auf Abweichungen von nur noch ± 0,25 mm verbessern.
Das Fraunhofer IPA hat beispielsweise eine überlagerte Onlineregelung für einen genauen Bearbeitungsroboter mit sensorgeführter Zerspanung umgesetzt. Hierbei verfährt der Roboter das zu bearbeitende Werkstück an eine Spindel, die auf einer Ausgleichsaktorik platziert ist. Diese Aktorik verbunden mit einem weiteren Messsystem und dem Endeffektortracking steigert die Dynamik und erreicht eine Genauigkeit von 0,1 mm. Die synchrone Messung von zwei 6D-Koordinatensystemen ermöglicht, sechs Freiheitsgrade auszuregeln. Während der Roboter niedrige Frequenzen ausregelt, regelt die externe Aktorik hohe Frequenzen aus.
Roboter und Sondermaschinen kalibrieren
Das Fraunhofer IPA entwickelt nicht nur Kompensationsstrategien bei Ungenauigkeiten, sondern kann auch Roboter und Sondermaschinen wie zum Beispiel Seilroboter kalibrieren. Hierfür wird zunächst ein mathematisches Robotermodell erstellt. Beim statischen Modell werden Parameter wie die Achslängen, der Nullwert der Achsen, die relative Lage der Achsen zueinander, Steifigkeitsparameter oder die Temperaturausdehnung berücksichtigt. Ein dynamisches Modell ist schwerer zu erstellen und berücksichtigt zum Beispiel Trägheitsmatrizen und Masseschwerpunkte. Es eignet sich dafür, auch während einer Bewegung genau zu sein, also die Bahngenauigkeit zu erfassen.
Nach der Modellerstellung werden die benötigten Posen ausgewählt und angefahren. Dann erfassen die Forscher die Messgrößen, berechnen die dazugehörigen Modellwerte und passen die identifizierten Parameter in der Steuerung und im Modell an. Um die Zahl der benötigten Messwerte zu reduzieren, kommt ein hybrider Ansatz aus parametrischen und nichtparametrischen Modellierungsansätzen zum Einsatz. Dieser berücksichtigt Vorwissen aus dem Aufbau der Kinematik. Maschinelle Lernverfahren können hier helfen, um nichtlineare Modelle zu erstellen, die für die Steuerung verwendet werden können.
Mehrwerte genauer Robotersysteme
Das Fraunhofer IPA hat bereits Kompensationsstrategien, Softwaremodule und Methoden zur Genauigkeitssteigerung für Pick&Place-Aufgaben, overspray-freies Lackieren, roboterbasiertes Fräsen, Bohren und Entgraten und für die Kalibrierung von Sondermaschinen wie Seilrobotern entwickelt und entsprechend vielfältiges Expertenwissen. In den Forschungsprojekten verändern die IPA-Forscher nicht die Mechanik des Roboters. Sie können jedoch das kinematische Modell verbessern. Und wenn ein genaueres Modell zur Darstellung des Roboters vorliegt, stimmen die programmierten Posen wieder besser mit der Realität überein. Je besser der Roboter über sich selbst, seine Ausmaße und Orientierung Bescheid weiß, umso genauer kann er eine Zielposition anfahren.
Der wichtigste Vorteil eines ausreichend genauen Robotersystems ist die erwähnte Übereinstimmung zwischen theoretisch programmierter und tatsächlich erreichter Pose, weil dann das Nachteachen entfällt bzw. nur geringen Aufwand erfordert. So geht die Programmierung schneller und der Roboter kann in die CAD-/CAM-Toolchain des Unternehmens eingebunden werden. Zudem können ausreichend genaue Robotersysteme in manchen Fällen teurere Werkzeugmaschinen ersetzen und sie sind zudem besser orientierungsfähig. Roboter sind üblicherweise versatiler und können zum Beispiel nach einem Werkzeug- oder Greiferwechsel eine ganz andere Aufgabe ausführen. Auch Nachbearbeitungsaufgaben wie das Entgraten oder Verrunden können so kostengünstiger automatisiert werden. Wenn das Prozessergebnis gleich gut genug ist, entfallen nachgelagerte Prozesse. Es lohnt sich also, die Genauigkeit eines Roboters einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme
Eigenschaften verschiedener Sensoren
Lasertracker:
- Große Entfernung bis 150 m, Auflösung: ± 0,02 mm, Preis über 100 kEUR
- 1000 Messpunkte pro Sekunde, absolutgenaue Referenz
- SDK und Schnittstellen zur Integration in beliebige Softwareframeworks
- Absolutgenaue und präzise Vermessung von Robotern und Anlagen
- Hohe Geschwindigkeit: Große Datenbasis für Kalibrierung
- Closed-loop Modellierung und Regelung
- Reflektoren notwendig
- Möglichkeit der 6D-Posenmessung durch Zubehör
Indoor-GPS:
- Globale Referenzierung
- Beliebig großes Messvolumen
- Alle Teilkomponenten in einem Referenzsystem
- Online-Kompensation
Laserscanner:
- Arbeitsbereiche bis 200 m, Genauigkeit bis zu 15 mm
- Messpunktwolken und Umgebungsfeatures können ohne weitere
Hilfsmittel erfasst werden - Echtzeitreferenzierung von mobilen Robotern
- Objektlageerkennung
Mechanische und optische Messtaster:
- Arbeitsbereiche bis 150 mm
- Sehr hohe Auflösung bis 1 um
- Hauptsächlich für parametrische Modelle wie serielle Kinematiken
- Onlinekompensation möglich
Interne Sensorik:
- Direkte und indirekte Messgrößenerfassung
- Onlinekompensation, Autokalibrierung
- Kostengünstig, da schon vorhanden
Fachlicher Ansprechpartner
Johannes Stoll leitet die Gruppe Roboterprozesse und Kinematiken am Fraunhofer IPA;
- johannes.stoll@ipa.fraunhofer.de
- +49 711 970 3738