Nach Jahren der Umsatzrekorde navigiert die Bildverarbeitungsindustrie in Europa aktuell durch unsichere Zeiten und muss einen Umsatzrückgang verzeichnen. Das zeigen aktuelle Zahlen, die anlässlich des Vision / VDMA CEO Roundtables als Vorab-Event zur nächsten Vision-Messe (8. bis 10. Oktober 2024 in Stuttgart) veröffentlicht wurden.
Laut den neuesten VDMA-Umfragen verzeichnete die europäische Bildverarbeitungsindustrie 2023 einen Umsatzrückgang von 7 Prozent. Für das laufende Jahr rechnet die VDMA Fachabteilung Machine Vision mit einem weiteren Umsatzrückgang von 3 Prozent. Noch in den Jahren 2021 (plus 17 Prozent) und 2022 (plus 11 Prozent) konnte die Bildverarbeitungsindustrie außerordentlich stark zulegen, was die Teilnehmer des Vision / VDMA CEO Roundtables aber auch auf Sondereffekte (etwa Logistik-Boom in der Corona-Pandemie bzw. Lockdown-Nachholprojekte) zurückführen.
Erst Ende 2024 zurück auf Wachstumskurs
„Leider konnten wir aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Lage an die Rekorde der Vorjahre nicht anknüpfen. Obwohl wir erste Verbesserungen sehen, ist es unwahrscheinlich, dass die europäische Bildverarbeitungsindustrie vor Ende 2024 zurück auf Wachstumskurs ist“, sagt Mark Williamson, Vorstandsvorsitzender der VDMA-Fachabteilung Machine Vision.
Er sieht die Vision-Branche aber nicht in einer grundlegenden Schwächephase: „Die europäische Bildverarbeitungsindustrie hat in den letzten zehn Jahren ein außergewöhnliches Wachstum erzielt und ist eine sehr attraktive Branche“, betont Mark Williamson. Zwischen 2012 und 2022 stieg der Umsatz durchschnittlich um 9 Prozent pro Jahr.
Allein der Umsatz der deutschen Bildverarbeitungsindustrie hat sich laut VDMA-Marktbefragung verdoppelt. Erzielte die Industrie mit „Machine Vision made in Germany“ 2013 noch 1,6 Milliarden Euro Umsatz, verzeichnete sie zuletzt einen Umsatz von 3,2 Milliarden Euro, trotz des Umsatzrückgang von 7 Prozent im Jahr 2023.
Sinkende Nachfrage in Asien und Nordamerika
2023 sei eben ein eher schwieriges Jahr gewesen, und das nicht nur für die Bildverarbeitungsindustrie. Die schwächere Weltwirtschaft und Krisen wie der Krieg in der Ukraine belasten die Unternehmen. Die Vision-Nachfrage in Europa fiel um 4 Prozent. Insbesondere exportorientierte Unternehmen traf die sinkende Nachfrage nach europäischer Bildverarbeitung in Asien (minus 21 Prozent) und Nordamerika (minus 18 Prozent).
Die europäische Bildverarbeitungsindustrie blickt daher auch mit gedämpfter Stimmung auf das Jahr 2024. Aufgrund der vorherrschenden Unsicherheiten halten sich viele Kunden mit Investitionen zurück, die Auftragsbestände der Bildverarbeitungsindustrie schmelzen, Aufträge werden verschoben.
Stark diversifizierte Abnehmerbasis
Immerhin: Die die stark diversifizierte Abnehmerbasis hilft, die Auswirkungen abzufedern. Viele Industriezweige und viele visionäre Produkte setzen verstärkt auf Machine Vision. Und das nicht nur in den traditionellen Industriezweigen, sondern auch außerhalb des Fabrikumfelds.
Entsprechend ist zwar Manufacturing mit 2/3 des Umsatzes immer noch das stärkste Absatzsegment, doch Anwendungen außerhalb der Fabrik nehmen zu, zumal auch das Aufkommen neuer KI-Technologien das Marktpotenzial für die Bildverarbeitung erweitern. Die Teilnehmer des Vision / VDMA CEO Roundtables verweisen etwa auf das Beispiel einer automatischen Vision-basierten Kontrolle der Winterreifen-Pflicht, die mehreren Polizisten einen Tag in der Kälte erspart.
Allerdings machen diese Vielfalt das Business auch nicht einfacher. „Es gibt keinen Mainstream mehr und auch nicht das nächste große Ding, der Markt wird immer fragmentierter“, stellen die Vision-CEOs auf dem Roundtable fest. Immerhin sehen sie in Segmenten wie Elektromobilität/Batterieproduktion, Logistik oder auch (mobile) Robotik durchaus Wachstumsmotoren für die Vision-Branche.
Wettbewerbsdruck aus China steigt
Weitere Herausforderung für die europäische Bildverarbeitungsindustrie: Der Wettbewerbsdruck gerade aus China steigt. Immer mehr chinesische Vision-Hersteller drängen auf den europäischen und den globalen Markt. Davon allerdings profitiert die Stuttgarter Fachmesse Vision als Branchenschaufenster: Diese freut sich über ein erwartetes Ausstellerplus von rund 10 Prozent mit immerhin 25 Prozent neuer Aussteller.
Allein 50 der Stand heute angemeldeten 385 Vision-Aussteller kommen aus China, berichtete Florian Niethammer, Leiter Messen & Events bei der Messe Stuttgart, im Rahmen seines Sneak Previews auf die kommende Vision-Messe: „Trotz herausfordernder Marktbedingungen ist die Vision auf einem erfreulichen Entwicklungspfad und spiegelt die positiven Erwartungen und Entwicklungschancen der Branche wider. Bereits jetzt verzeichnet die Vision 385 Ausstellerinnen und Aussteller aus 37 Ländern. Täglich kommen neue Anfragen hinzu und die Marke von 400 Firmen wird bald erreicht. Bis Oktober erwarten wir ein Ausstellerwachstum von über 10 Prozent im Vergleich zur Vorveranstaltung.“