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Sewts: Von der TU München in die Textil-Robotik

TUM-Absolventen gründen Start-up für KI-basierte Roboter
Sewts: Von der TU München in die Textil-Robotik

Dank KI-Algorithmen können die Roboteranlagen des Münchner Start-up Sewts auch mit biegeschlaffen Materialien umgehen. Wäschereien nutzen die Technologie bereits, um Handtücher automatisiert an Faltmaschinen zu übergeben. Die Grundlagen dafür wurden an der Technischen Universität München (TUM) sowie im Innovationszentrums UnternehmerTUM gelegt.

Biegeschlaffe Materialien wie Textilien waren lange eine Herausforderung für Greifer und Roboter. „Denn sie verändern ihre Form, wenn ich sie hochhalte“, erläutert Sewts-Mitgründer Alexander Bley. Wenn frisch gewaschene Handtücher oder Bettlaken aus der Großwäscherei für die Lieferung an ein Hotel fertiggemacht werden sollen, muss man die Wäsche aber aus dem Korb nehmen und längs auf ein Laufband legen, bevor sie von der Faltmaschine zusammengelegt werden.

Dank der KI des vor knapp fünf Jahren gegründeten Start-ups Sewts können diese Aufgabe nun trotzdem Industrieroboter übernehmen. Ein Greifarm zieht dabei ein Wäschestück aus dem Container und lässt es auf ein Laufband fallen. Ein paar Meter weiter greift ein zweiter Roboterarm das Wäschestück an einer Ecke, klemmt es auf einer Seite ein und übergibt es dem sogenannten Sliding-Roboter, der das Textil in der Breite langzieht. Das aufgespannte Textil wird innerhalb weniger Sekunden an die Faltmaschine übergeben.

Im Studiums an der TUM den Grundstein gelegt

Während des Studiums an der TUM legten die Gründer die Basis für ihre spätere Innovation:

  • Alexander Bley beschäftigte sich am Lehrstuhl für Carbon Composites mit den Eigenschaften von technischen Textilien, die sich je nach Belastungsrichtung unterschiedlich verhalten. In einer „Drapiersimulation“ entwickelte er eine Idee für den Umgang mit flexiblen Materialien.
  • Till Rickert beschäftigte sich am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik mit dem autonomen Fahren. Ein wichtiger Bestandteil der Forschungen bestand darin, synthetische Trainingsdaten zu nutzen, um KI-Algorithmen trainieren zu können.
  • Und Tim Doerks, der wie Bley aus dem Carbon-Composites-Lehrstuhl kommt, ist der Spezialist dafür, Prototypen zu bauen und zu testen. Das alles fließt heute in die Innovationen ihres Start-ups ein.

KI-Algorithmen mit synthetischen Daten trainieren

Die technische Herausforderung für die erste Anwendung bestand darin, dass der Roboter zunächst lernen musste, wie er ein Kleidungsstück greifen sollte, um es in geeigneter Form zu übergeben. Je nachdem wie etwa ein Handtuch aufliegt, kann es sehr viele Formen annehmen. Es kann zudem liniert oder kariert sein, weiß oder bunt.

Um dem Roboter diese unzähligen Varianten beizubringen, tricksen die Gründer von Sewts. Sie simulieren im Rechner die verschiedenen Formen, die ein Handtuch einnehmen kann und generieren ihre eigenen (künstlichen) Trainingsdaten für das System. Statt ein Handtuch von allen Seiten und in allen Formen und Stilen abzufotografieren oder zu -filmen und das System mit diesen Foto- oder Videodaten zu füttern, generiert der Rechner diese Bilder selbst. Und stellt sie dem Roboter nun als Trainingsdaten zur Verfügung. „Wir nutzen synthetische Daten, um unsere KI-Algorithmen zu trainieren“, sagt Bley, der wie die Mitgründer Tim Doerks und Till Rickert seinen Master in Maschinenwesen an der TUM gemacht hat.

Anschub über Xplore, Xpreneurs, Exist und die Initiative for Industrial Innovators

Doch ist es nicht allein dieses Fallbeispiel, das die drei Sewts-Gründer beschäftigt. Im Programm Xplore des Innovationszentrums UnternehmerTUM, in dem Gründungsteams ihre Geschäftsidee entwickeln, brachten sie es auf etwa 70 mögliche Anwendungen, von Fahrzeugsitzbezügen über Markisen bis hin zu Kabelbäumen. Denn ein wichtiger Aspekt von Xplore bestand darin, Produkte zu identifizieren, die besonders gut in einzelne Märkte passen.

Für die erste Anwendung ging es im Inkubationsprogramm Xpreneurs darum herauszufinden, wer die Kunden von Großwäschereien sind, wie groß der Markt in Deutschland und weltweit ist und welche Eintrittsbarrieren wichtig sind. Der wirkliche Startschuss fiel allerdings, nachdem das Bundeswirtschaftsministerium grünes Licht für das Exist-Stipendium gegeben hatte, das Gründer über ein Jahr hinweg unterstützt.

Bereits Millionenumsatz gemacht

Über die Initiative for Industrial Innovators, in der neben UnternehmerTUM auch der European Investment Fund beteiligt war, sicherte sich das Start-up zusätzlich eine kleine sechstellige Summe als weitere Unterstützung. Die Basis für große Finanzierungsrunden war gelegt.

Es war der richtige Schritt: Mit den bisher verkauften Anlagen hat die knapp 30 Mitarbeitende starke Firma bereits einen Millionenumsatz gemacht. Und das Potenzial ist noch lange nicht erschlossen: 5.000 bis 6.000 Faltmaschinen, schätzt Alexander Bley, werden jährlich in Europa und den USA verkauft. „Da könnte man unseren Roboter einfach vorstellen“, meint der Jungunternehmer.

Nach der Großwäscherei das Retourengeschäft im Visier

Das zweite große Fallbeispiel steht jetzt an: Die Retourenverarbeitung im Mode-Onlinehandel. In einem Piloten mit einem großen deutschen Einzelhändler wurde der Einsatz des neuen Robotersystems bereits mit zurückgesendeten Kleidungsstücken getestet. Der Unterschied zum Einsatz in der Großwäscherei liegt darin, dass das Spektrum an Kleidungsstücken nun viel größer ist. T-Shirts mit langen und kurzen Ärmeln, mit Knöpfen, V-Ausschnitt, Hosen mit Reißverschlüssen: All dies muss die KI künftig lernen, um das Kleidungsstück für die Faltmaschine vorbereiten zu können.

Da kommt das neue Risikokapital von insgesamt sieben Millionen Euro aus 2023 gerade recht, um einerseits die Technologie weiter zu verbessern, aber auch international aktiv zu werden und weitere Use Cases zu starten. Oder – wie Alexander Bley sagt – „ein Vertical nach dem anderen auszuspielen“.

Background: Gründung an der TUM

Jedes Jahr werden an der TUM mehr als 70 technologieorientierte Unternehmen gegründet. TUM und UnternehmerTUM unterstützen Start-ups mit Programmen, die exakt auf die einzelnen Phasen der Gründung zugeschnitten sind – von der Konzeption eines Geschäftsmodells bis zum Management-Training, vom Markteintritt bis zum möglichen Börsengang.

Die TUM Venture Labs bieten Gründungsteams aus je einem bedeutenden Technologiefeld ein ganzes Ökosystem in unmittelbarer Anbindung an die Forschung. Bis zu 30 Teams können den TUM Incubator nutzen, um sich auf den Start ihres Unternehmens vorzubereiten. UnternehmerTUM investiert mit einem eigenen Venture-Capital-Fonds in vielversprechende Technologieunternehmen und bietet mit dem MakerSpace eine 1.500 Quadratmeter große Hightech-Werkstatt für den Prototypenbau.

https://www.tum.de/entrepreneurship

https://www.unternehmertum.de/angebot/xplore

https://www.sewts.com/home


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