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Robotik: Consumer-Markt als Innovationstreiber?!

Robotics Festival zeigt Zukunftstrends
Robotik: Consumer-Markt als Innovationstreiber?!

Ähnlich wie die IT könnte auch die Robotik künftig vor allem aus dem nicht-industriellen Bereich, dem Consumer-Markt, vorangetrieben werden. Das zeigen Gespräche mit Experten auf dem Robotics Festival in Leipzig. Die Technik wird immer einfacher und wirtschaftlicher.

Autor: Markus Strehlitz

„Ich glaube ganz fest daran, dass wir irgendwann so etwas wie Personal Robots haben werden“, sagt Wandelbots-CEO Christian Piechnick beim Gespräch auf dem Robotics Festival in Leipzig. Das wären seiner Meinung nach wahrscheinlich eher kleinere Roboter, die man mit sich herumtrage und die verschiedene Aufgaben im Haushalt übernähmen. „Sie helfen zum Beispiel in der Küche, werden bei Bedarf zum 3D-Drucker oder reparieren das Smartphone.“

Als Chef des Dresdner Start-ups Wandelbots, das die Nutzung von Robotern vereinfachen will, beschäftigt er sich derzeit vor allem noch mit dem Einsatz dieser Technologien in der Industrie. Doch den Consumer-Bereich sieht er als „das große Zugpferd“, das die Entwicklung der gesamten Robotik in den kommenden 30 Jahren antreiben werde.

Wenn sich Roboter dort verbreiteten, vergrößere sich der Markt um ein Vielfaches. „Und Stückzahl und Masse sind natürlich immer Treiber für die Innovationen“, so Piechnick. „Wenn wir nicht mehr über drei Millionen Roboter sprechen, sondern über hundertmal so viele, dann wird die Technologie günstiger und standardisierter. Dann springen viel mehr Leute auf den Zug auf und es entsteht eine Eigendynamik.“

Auch andere Experten setzen ihre Hoffnungen auf die Privatnutzer. Die Vertreter von Neura Robotics etwa werden nicht müde, von Robotern zu schwärmen, die schon bald das heimische Kinderzimmer aufräumen werden. So könnte sich die Entwicklung vielleicht mit der in der IT vor vielen Jahren vergleichen lassen, als Technologien aus dem Consumer-Markt wie Tablets und Smartphones die Innovationstreiber waren.

Industriesektor profitiert

Hinzu kommen die Entwicklungen in anderen nichtindustriellen Bereichen. Helmut Schmid, Vorstand des Deutschen Robotikverbands, nennt dabei unter anderem das Hotelgewerbe, die Gastronomie sowie den Gesundheits- und Pflegesektor. Roboter wie etwa Jeeves von Robotise würden bereits in mehreren Hotels eingesetzt.

Seiner Meinung nach wird auch der Industriesektor davon profitieren, wenn es in der Service-Robotik vorangeht. „Ich kann mir zum Beispiel Sprachsteuerung sehr gut im Service- und Dienstleistungsbereich vorstellen“, so Schmid. „Und wenn dies gut abgesichert ist, könnten auch Industrieroboter irgendwann über Sprache oder Gesten gesteuert werden.“

Schmid weist jedoch darauf hin, dass die Usability der Roboter in den nichtindustriellen Anwendungen ein besonders wichtiger Faktor sein wird. Schließlich ist dort die Wahrscheinlichkeit groß, auf Endanwender zu treffen, die eher nicht technikaffin sind. So könnte der aktuelle Trend, die Robotik einfacher nutzbar zu machen, den Einsatz der Technologie im Service- und Consumer-Bereich pushen. Verantwortlich dafür sind Start-ups wie Wandelbots und andere, mit deren Systemen sich Roboter auch ohne oder nur mit wenigen Programmierkenntnissen betreiben lassen.

Piechnick geht davon aus, dass sich auf dieser Basis in den kommenden 15 Jahren ein Windows für die Robotik entwickeln wird. Damit meint er eine einheitliche Nutzeroberfläche für alle Roboter – unabhängig davon, von welchem Hersteller diese kommen. „Das hätte für die Anwender einen unfassbaren Mehrwert.“

Kostengünstiger Einstieg

Schmid sieht noch einen weiteren Treiber. Der Trend zur Low-Cost-Robotik könnte die Einstiegshürde für die Technologie seiner Meinung nach deutlich reduzieren. Als Beispiel nennt er das Angebot des Kunststoffspezialisten Igus. Der hat gemeinsam mit Commonplace Robotics den Roboter Rebel entwickelt, der für 4970 Euro inklusive Steuerung zu haben ist. Der Leichtbau-Cobot kann mit sechs Achsen bis zu zwei Kilogramm Traglast bei einer Reichweite von 664 Millimetern handhaben.

Schmid glaubt, dass solche Entwicklungen gerade für den Service- und Dienstleistungsbereich interessant sein könnten, weil die Nutzer dort besonders „sensibel hinsichtlich Investitionen“ seien. Anfragen für den Rebel kommen entsprechend nicht nur aus der Industrie, sondern auch aus Anwendungsgebieten wie der Restaurant-Automatisierung oder dem Urban Farming.

Daneben könnte der Robotereinsatz auch durch modulare Ansätze wirtschaftlicher werden. Anbieter wie Automatisierungsspezialist Beckhoff oder die Start-ups Olive und Robco bieten Robotik nach dem Baukastenprinzip an. Die verschiedenen Module wie etwa Arm, Motor und Steuerung lassen sich zu genau dem Roboter zusammensetzen, der für eine bestimmte Anwendung benötigt wird.

„Man braucht nicht für jede Anwendung sechs Achsen, manchmal reichen auch drei oder vier“, erklärt Schmid. Jede Achse weniger bedeute aber auch eine Kostenersparnis. „Wenn ich mir mit Standardkomponenten einen Roboter konfektionieren kann, macht das dessen Einsatz günstiger und somit interessanter.“

Auch Jens Kotlarski sieht grundsätzlich die Vorteile eines modularen Ansatzes. Er ist Gründer von Voraus Robotik und hat mit seinem vormaligen Unternehmen Yuanda ebenfalls mal ein solches Konzept verfolgt. Die Voraussetzung dafür sei allerdings, dass der Anwender genau wisse, welche Module er wie kombinieren müsse, um sein spezifisches Problem zu lösen. „Das ist aber nicht immer der Fall.“

Datenbasis fehlt noch

Es gibt also für die Robotik auf dem Weg in die Zukunft auch noch Hürden zu überwinden. Laut Kotlarski wird künftig von jedem Roboter eine gewisse Grundintelligenz verlangt. „Er muss in der Lage sein, sich selbstständig an neue Gegebenheiten anzupassen – etwa daran, dass ein zu greifendes Objekt an einer anderen Stelle liegt.“ Je vielfältiger die Umgebung, desto mehr Intelligenz wird er benötigen – zum Beispiel wenn er als persönlicher Assistent im Haushalt hilft.

Die Grundlage dafür sind jedoch Daten, und zwar große Mengen an Daten. „Ich vergleiche das gerne mit Sprachassistenten wie etwa Alexa“, sagt Wandelbots-Chef Piechnick. „Solche Systeme benötigen extrem viele Sprachaufnahmen, mit denen die Künstliche Intelligenz lernen kann.“ Der erste Schritt ist also, zunächst mal die entsprechende Datenbasis zu schaffen.

Die fehlt in der Robotik aber noch. „Mein Eindruck ist: Jeder wünscht sich, dass der Roboter alles von alleine macht. Aber niemand kümmert sich darum, eine Infrastruktur zu schaffen, um erst einmal an die Daten zu kommen.“

Zudem muss laut Piechnick noch an der Abstraktionsfähigkeit von neuronalen Netzen gearbeitet werden. Damit meint er die Fähigkeit, Wissen zu abstrahieren und auf ein neues Anwendungsfeld zu transferieren. „Neuronalen Netzen fällt es zur Zeit noch schwer, mit Situationen zurechtzukommen, die vollkommen neu und nicht mit anderen vergleichbar sind“, erklärt Piechnick. „Denn dafür brauchen sie auch wieder neue Daten.“ Daran werde zwar gearbeitet, es gebe aber diesbezüglich noch viel zu tun.

Gearbeitet wird auch an der Vernetzung von Robotern. Denn dies könnte ein Weg sein, um für die nötige Datenmenge zu sorgen. In solchen Szenarien sind Roboter miteinander verknüpft oder laden ihre erlernten Fähigkeiten in die Cloud, wo sie wieder abgerufen werden können. Auf diese Weise können sie voneinander lernen. Das Ergebnis wäre „eine kollektive Intelligenz“, so Piechnick. „Wenn Millionen von Robotern da draußen in jeder Sekunde Wissen generieren, dieses quasi in Echtzeit zusammenfließt und die Roboter auf Basis dieser Informationen wiederum ihre Fähigkeiten erweitern können, dann entsteht daraus eine exponentielle Lernkurve. Ich glaube, die Möglichkeiten, die das eröffnet, können wir uns heute noch gar nicht richtig vorstellen.“

https://robotics-festival.de


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