Startseite » News »

Robocut: Roboter, KI und Laser revolutionieren Pflanzenvermehrung

Sterile Pflanzen im In-vitro-Labor automatisch vermehren
Robocut und der goldene Schnitt: Roboter, KI und Laser revolutionieren die Pflanzenvermehrung

Vier präzise und schnelle Kawasaki-Roboter, ein modernes Kamerasystem, ein Laser und eine leistungsstarke Künstliche Intelligenz (KI): Das Robocut-System ist der Beginn einer neuen Generation der Pflanzenvermehrung.

Das Familienunternehmen Bock Bio Science ist führender Experte für in-vitro und gärtnerische Pflanzenvermehrung. Für die Inhaber Friederike und Stephan von Rundstedt, die das 14-köpfige Expertenteam bereits in dritter Generation führen, ist das automatisierte und laserbasierte Robocut-System der Beginn einer neuen Generation der Pflanzenvermehrung.

Die Zelle mit vier Kawasaki Robotern bedient neben Züchtern und Jungpflanzenproduzenten primär große in-vitro Laboratorien weltweit. Diese beschäftigen an speziell eingerichteten Werkbankplätzen tausende Mitarbeiter. Das Automatisierungspotenzial dort ist entsprechend groß.

Die Idee dahinter: Sterile Pflanzen im in-vitro Labor automatisch vermehren. Und auch der Prozess ist schnell erklärt: Erkennen und greifen, Schnittlinien legen, schneiden, aufnehmen und in frische Becher setzen. Für einen sauberen und hochpräzisen Schnitt für die optimale Vermehrung setzt Robocut System einen Laser an einem Hochleistungs-Roboterarm ein.

Aufwändige Entwicklung

Hinter Robocut liegt eine aufwändige, zehnjährige Entwicklungsphase. Denn erste Gespräche mit Automatisierungspartnern vor rund zehn Jahren ergaben zunächst ein durchwachsenes Feedback: „Zu komplex, mehr als 40 Entscheidungen pro Minute an der Werkbank, das kann keine Maschine“, erinnert sich Friederike von Rundstedt an die Antworten. „Mit dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz, Machine Learning und Bilderkennung änderte sich das langsam, aber sicher“, fügt die studierte Gartenbauwissenschaftlerin hinzu.

Zum ersten Kontakt mit Kawasaki Robotics kam Stephan von Rundstedt bei einem Besuch der Hannover Messe. Dort kam er schnell ins Gespräch mit dem langjährigen Kawasaki Integrator DMP. Die Chemie stimmte sofort: DMP-Geschäftsführer Franz-Josef Diekstall war von der Idee von Anfang an begeistert. „Man muss jemanden finden, der tickt wie man selbst und ‚out of the box‘ denkt – und Franz-Josef Diekstall war genauso verrückt wie wir“, lacht Stephan von Rundstedt.

Und auch der Support von Kawasaki Robotics war für ihn bemerkenswert: „Die Bereitschaft von Kawasaki uns unkompliziert einen Leihroboter für Versuche und erste Prototypen zur Verfügung zu stellen, war vor allem zu Beginn des Projekts eine große Hilfe – so konnten wir schnell an Fahrt und Sicherheit gewinnen.“

Wie ist die Anlage aufgebaut?

Die vollständig sterile Robocut Zelle ist mit einem RS007L und drei RS007N Hochleistungsrobotern von Kawasaki Robotics ausgestattet. Über einen Infeed werden Becher mit zu vermehrenden Pflanzen zugeführt. Diese werden geöffnet und jeweils eine einzelne Pflanze von einem Roboter mit mechanischem Greifer entnommen und einem Bilderkennungssystem präsentiert – dort wird die Pflanze innerhalb von 0,3 Sekunden präzise erfasst und die Schnittlinien definiert.

Anschließend wird die Pflanze in die Laserkammer transferiert, wo sie gemäß der gelegten Schnittlinie geteilt wird. Hier findet also die eigentliche Vermehrung statt: Der Laser teilt die Pflanze in einzelne Sprosse, die auf ein steriles Laufband platziert werden. Von dort werden sie von einem weiteren Roboter gegriffen und in einen neuen Becher mit frischem Agar-Agar-Nährboden gesetzt. Der Becher wird geschlossen und verlässt über den Outfeed die Maschine. Die Roboter-Automatisierung mit Robocut erlaubt ein berührungsloses Handling der Pflanzen im sterilen Raum.

Der Vorteil des Lasers: Ein Laserstrahl hat im Vergleich nur ein Viertel der Dicke eines Skalpells. Der Schnitt ist absolut präzise, schnell und verursacht keinerlei Beschädigungen an der Pflanze. Kombiniert mit der Bilderkennung des Systems kann der Laser zudem exakt entlang der natürlichen Wachstumslinie schneiden. Das Ergebnis: Ein deutlich besseres Wachstum bei den neuen Pflanzen, da diese Nährstoffe sofort intensiver aufnehmen kann.

KI definiert perfekte Schnittlinien

Künstliche Intelligenz (KI) spielt bei Robocut eine Schlüsselrolle: Neben den vier Controller für die Roboter sind drei Industrie-PCs und ein KI-Server verbaut. 16 Kameras sorgen für den nötigen Input für die Vision Recognition Software. Die KI kommt bei nahezu jedem Prozessschritt zum Einsatz, etwa bei der Erkennung nach der Entnahme. Auf Basis dieser Aufnahmen wird ein 3D-Modell erzeugt, an welchem mittels KI die Schnittlinien definiert werden. Bevor im nächsten Schritt der Laserschnitt vorgenommen wird, wird die Pflanze nochmals erfasst und das 3D-Modell abgeglichen – so können eventuelle Verschiebungen während des Transports leicht kompensiert werden.

Die letzte Herausforderung im Prozess: Die richtigen Pflanzenteile in der passenden Position vom Fließband entnehmen und in das Agar-Agar-Medium zu setzen. Durch den Einsatz der KI erhält der Roboter die exakten Informationen, um unerwünschte Pflanzenteile auszusortieren und die richtigen Ableger präzise zu entnehmen und zu platzieren.

Nachhaltigkeit und Umweltschutz im Fokus

Für Friederike von Rundstedt standen von Anfang an die Faktoren Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Vordergrund: „Mit einer Einheit können wir bis zu zehn sterile Werkbankplätze ersetzen und Energie einsparen. Damit lohnt sich auch die Produktion vor Ort, Emissionen durch tausende Flugkilometer in günstige Produktionsländer werden vermieden.“ Durch das schnelle und gesunde Wachstum der präzise geschnittenen Pflanzenableger wird auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im nachgelagerten Produktionsprozess erheblich reduziert.

Bei mehr als fünf Milliarden in-vitro produzierten Pflanzen und einem jährlichen Wachstum von zwölf Prozent ist der globale Bedarf enorm. „Robocut ist eine Lösung, die auf dem Markt dringend erwartet wird“, ergänzt Stephan von Rundstedt. So können künftig auch solche Pflanzen, die noch nicht in-vitro produziert werden, mit der gleichen Methode hergestellt werden – lokal, nachhaltig und in immer gleichbleibender Qualität. Schon jetzt geht das Robocut Team der Frage nach, welche Prozesse in der Pflanzenbearbeitung zusätzlich automatisierbar sind.

Blick in die Zukunft

Entwickelt wurde Robocut zwar zunächst für die schwer vermehrbaren Phalaenopsis Orchideen, doch das System eignet sich auch für die Vermehrung zahlreicher weiterer Pflanzen – darunter Zierpflanzen, Gehölze, Stauden oder ernährungsrelevante Pflanzen wie Kartoffeln. Doch auch außerhalb der Pflanzen- und Gewebekultur – in der vegetativen Vermehrung – soll Robocut künftig zum Einsatz kommen. Dies ist insbesondere für Stecklingsproduzenten relevant, etwa für Eukalyptus, Straßenbäume, Beet- und Balkonpflanzen und vieles mehr. Mehrere weitere Kulturen werden in den nächsten Jahren folgen. So gab es bereits einige Anfragen zur Vermehrung von medizinischem Cannabis – ein Markt mit enormer Wachstumsperspektive.

Der Weg zu Robocut war aufgrund der hohen Komplexität nicht immer einfach – insbesondere in puncto KI und Software war zwischenzeitlich sogar ein kompletter Neustart nötig. „Doch trotz aller Herausforderungen sind wir nun an einem Punkt, an dem wir sagen können: Es läuft!, berichtet Stephan von Rundstedt stolz.

Die deutschen Bundesministerien für Forschung, Landwirtschaft und Wirtschaft haben das Potenzial der Lösung schon früh erkannt und das Projekt mit Förderungen unterstützt. Das Projekt hat bereits hohe Wellen geschlagen: 2018 gewann Robocut den TASPO Award, einen wichtigen Innovationspreis der grünen Branche.

„Es muss sich wieder lohnen, vor Ort zu produzieren“

Zahlreiche international führende Pflanzenzüchter nahmen Kontakt mit Bock Bio Science auf und haben sich den Prototypen vor Ort in Bremen angesehen. 2019 wurde zudem der Bremer Umweltpreis an das Projekt Robocut verliehen – eine weitere Bestärkung für das Unternehmerehepaar.

Zumal Robocut künftig auch eine entscheidende Rolle darin spielen kann, wirtschaftliche Effekte einer Ausnahmesituation wie der Covid-19-Pandemie abzufedern: So war der Nachschub an Jungpflanzen aus den produzierenden Ländern massiv während der Pandemie eingeschränkt – resultierend in deutlich erhöhten Preisen und schlechter Verfügbarkeit. Friederike von Rundstedt: „Wir hoffen mit dem System eine Trendwende einleiten zu können: Es muss sich wieder lohnen, vor Ort zu produzieren.“

Kawasaki Robotics GmbH

www.kawasakirobotics.de


Mehr zum Thema Robotik
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Automationspraxis 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Medienpartnerschaft RBTX.com

Informationen und konkrete Lösungen für die Low-Cost-Automation finden Sie auf dem Lean-Robotix-Marktplatz RBTX.com.

Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Kalender

Aktuelle Termine für die Automatisierungsbranche

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de