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Mit seiner Erfahrung aus der Robotikforschung für die Raumfahrt entwickelt Keshav Chintamani, CEO von Tractonomy Robotics, autonome mobile Roboter (AMR), die Lagerwagen ziehen anstatt von unten anzuheben. Dafür konzipierte das im belgischen Ghent ansässiges Start-up einen robotischen Greiferarm, der die Wagen fest umklammert. Denn traditionelle Andockmechanismen waren nicht genau genug oder beim Andocken zu langsam.
Dank der Navigation per Laser können sich die autonomen Schlepproboter dynamisch und exakt bewegen. Damit die AMR auch unter beengten Platzverhältnissen an einen in einem dicht gepackten Gang stehenden Wagen andocken können, kommt ein Design mit omnidirektionalen Mecanum-Rädern zum Einsatz. Entscheidend für eine optimale Geschwindigkeit und Genauigkeit beim Andocken war die Spezifikation eines Bewegungssystems basierend auf einem präzisen Vierradantrieb. „Maxon war dafür meine erste Anlaufstelle. Denn Maxon Motoren werden auch in der Weltraumforschung, an der ich gearbeitet habe, eingesetzt, weil sie leistungsstark und ausfallsicher sind“, erklärt Chintamani.
Ausreichend Drehmoment erzeugen
Um eine Nutzlast von mehreren hundert Kilogramm aus dem Stand heraus in Bewegung zu versetzen, muss der Antrieb ausreichend Drehmoment erzeuge. Gefragt war zudem ein kompakter Motor, denn das erste AMR-Design war lediglich 70 Zentimeter lang und 50 Zentimeter breit, damit es in beengten Lagern betrieben werden kann.
Letztlich entschied sich Chintamani für den bürstenlosen Maxon DC-Flachmotor EC 60 flat. „Wir testeten die Motoren im Prototyp und waren wirklich beeindruckt. Sie konnten einen Wagen mit dem zusätzlichen Gewicht von drei Menschen ziehen. Dabei sind es wirklich winzige Motoren von nur 60 Millimetern Breite.“
Der als erstes designte autonome Schlepproboter ATR1 (Autonomous Towing Robot) kann Wagen jeder Bauart mit einem Gewicht bis zu 400 Kilogramm bei Geschwindigkeiten von mehr als 1 m/s ziehen. Mit Unterstützung eines speziellen Navigationsmoduls dockt der Roboter schnell an und kann sogar freie Stellplätze erkennen und Wagen autonom parken. „Der ATR1 kann in unter 20 Sekunden präzise und verlässlich an Wagen andocken und sich dank Seitwärtsbewegungen in beengter Umgebung mittels kleinster Anpassungen punktgenau positionieren“, erklärt Chintamani.
Schleppen größerer Nutzlasten
Für das Schleppen von größeren Nutzlasten mit einem Gewicht von 800 Kilogramm und mehr, entwickelte Tractonomy Robotics dann auf Basis eines radikalen Neudesigns den großen Bruder ATR2 mit einem adaptiven Doppelarm-Andocksystem. Damit kann der Roboter eine ganze Reihe unterschiedlicher Wagengrößen handhaben.
Tractonomy plant den ATR2 in einer Standard-Drehmoment-Ausführung sowie als Variante mit hohem Drehmoment zu produzieren. Die Zuglasten sollen jeweils 600 Kilogramm und 800 Kilogramm betragen, wobei Geschwindigkeiten von 1,8 m/s bis zu 2,5 m/s erreicht werden.
Bei Abmessungen von 90 x 64 Zentimetern ist der ATR2 grösser als sein Vorgänger mit 70 x 50 Zentimetern, um Platz für zusätzliche Batterien und eine neue Elektronik zu schaffen. Aber um die höhere Nutzlast bei weiterhin kompakter Baugröße transportieren zu können, waren deutlich höhere Drehmomentmotoren nötig.
Vielseitige Roboter-Plattform
„Nach Beratungen mit Maxon stellte sich heraus, dass wir einen für das Gesamtsystem geeigneten Motor mit niedrigerer Spannung einsetzen können, der aber immer noch die Spitzenmotordrehzahlen und -drehmomente erzeugen konnte und dabei die thermischen Grenzwerte einhielt“, sagt Chintamani. „Dank dieser Empfehlung bieten wir unter Verwendung von nur zwei Motortypen eine einzige Plattform, die für eine ganze Reihe von Wagen und Nutzlasten geeignet ist.“
Beim Ziehen schwerer Lasten mit hohen Geschwindigkeiten wird die Bremskraft umso wichtiger. Deshalb ist der ATR2 mit integrierten Bremsen und einem 360°-Sicherheitssystem ausgestattet, das Kollisionen verhindert. Auch die Ausfallsicherheit spielt eine Schlüsselrolle. Chintamani: „Diese Roboter legen täglich mindestens 15 bis 20 Kilometer unter variablen Bedingungen zurück. Ausfälle verringern die Produktivität. Daher ist eine verlässliche Bewegungslösung besonders wichtig.“
Der Schlepproboter ATR2 richtet sich an die Fabriken der verarbeitenden Industrie ebenso wie an die Lager großer Supermärkte und Postdienstleister. Die Roboter können auch für das Be- und Entladen von Wagen in Lastwagen eingesetzt werden und stellen so einen kostengünstigen Ersatz für konventionelle Routenzüge und Förderanlagen sowie eine automatisierte Alternative zu Gabelstaplern dar.
Chintamani: „Wir sehen eine steigende Nachfrage nach einem einzigen Roboter, der für die verschiedensten Materialhandling-Anwendungen genutzt werden kann. Tractonomy bietet genau diese Flexibilität mit nur einem Roboter, der für die unterschiedlichsten Materialhandling-Funktionen eingesetzt werden kann.“
Maxon Motor GmbH
Flachmotoren für begrenzte Platzverhältnisse
Maxons Flachmotoren eignen sich besonders für begrenzte Platzverhältnisse. Die bürstenlosen Motoren sind als Innen- und Außenläufer konzipiert und erreichen Drehzahlen von bis zu 20 000 min-1. Dank der einfachen Konstruktion ist eine weitgehend automatisierte Fertigung möglich, welche in einem günstigen Preis resultiert. Wahlweise gibt es die EC-Flachmotoren mit Hall-Sensoren, sensorlos oder mit integrierter Elektronik. Zudem können sie mit Getrieben und Encodern kombiniert werden.