In Roose’s Chocolate World in Brügge wartet ein Kasten aus Glas von der Größe eines kleinen Zimmers auf die Kunden. Darin befinden sich mehrere Auslagen mit köstlichen Pralinen in den verschiedensten Farben und Formen. Eine Verkäuferin oder ein Verkäufer sind aber nicht in Sicht. Stattdessen legen die Kunden ihre Finger auf einen Touchscreen, scrollen durch das Angebot und stellen sich eine Pralinenkollektion zusammen – alternativ funktioniert die Auswahl sogar mit dem Smartphone.
Einen Klick auf die Entertaste später beginnt der schwarz-orange Roboter mit der Arbeit. Chocomatic fährt im Glaszimmer auf und ab, greift in die Auslagen, nimmt Pralinen mit seinem Sauggreifer auf, legt sie fein säuberlich in eine Transportbox, ummantelt die Köstlichkeiten mit einer Goldfolie und fährt dann zur Ausgangsposition zurück. Los geht das Genießen.
„Die Kunden begeistern sich für unseren Roboter. In Brügge mausert sich Chocomatic langsam zur Touristenattraktion“, freut sich der Chocomatic- Erfinder Michiel Roose, Sohn der Inhaber von Roose’s Chocolate World und Geschäftsführer des Maschinenbauers Roose Automation. „Viele Menschen kommen extra mit ihren Kindern, um den Roboter bei der Arbeit zu beobachten.“
Fast alle Wege führen zu RBTX
Der Chocomatic-Roboter ist aber nicht dafür gedacht, neue Produktivitätsrekorde aufzustellen, sondern er unterhält in erster Linie Kunden. Daher war es wichtig, die Kosten gering zu halten. Roose machte sich deshalb auf die Suche nach einem Low-cost-Anbieter. „Das Angebot am Markt ist sehr überschaubar. Ich habe lange im Internet recherchiert und festgestellt: Fast alle Wege führen derzeit zu RBTX“, erinnert sich Roose.
Hinter der Abkürzung RBTX verbirgt sich ein von Igus gegründeter Marktplatz für Low-cost-Robotik, der Hersteller von Robotikkomponenten zu einem Baukasten vereint. Das Grundgerüst bilden dabei Roboter des Kölner Kunststoffspezialisten Igus – darunter Gelenkarmroboter, Deltaroboter und kartesische Automaten. Dieses Gerüst lässt sich erweitern um Kameras, Greifer, Motoren, Sensoren oder Steuerungen. Mit wenigen Klicks stellte sich Roose aus diesen Komponenten seine Roboterlösung zusammen. Die Kompatibilität ist dabei garantiert, da alle Komponenten in verschiedenen Kombinationen zusammengebaut und getestet wurden.
Roboterlösung für 7500 Euro
Um Chocomatic Wirklichkeit werden zu lassen, kaufte Roose bei RBTX einen Robolink Roboterarm. „Mit 5.492 Euro kostet der Arm kaum mehr als ein leistungsstarker Heimcomputer und ein Vielfaches weniger als vergleichbare Industrieroboter, die schnell mit mehreren Zehntausend Euro zu Buche schlagen“, so Michael Hornung, Produktmanager drylin Linear- und Antriebstechnik international bei Igus. Der Grund für den Kampfpreis: Igus fertigt Komponenten wie das Wellgetriebe nicht aus Metall, sondern aus Hochleistungskunststoffen. Die Steuerung für den Roboter – eine Entwicklung des Partners Commonplace Robotics – kostet weitere 1.897 Euro.
„Wir haben also für knapp 7.500 Euro eine schlüsselfertige Komplettlösung erhalten“, freut sich Roose. Ebenso der Betrieb ist kostengünstig, denn die Tribopolymere von Robolink ermöglichen einen Trockenlauf ohne Schmiermittel. Entsprechend entfallen Kosten für Material und Wartung. Und so ist es auch kein Problem, dass sich der Roboter im Geschäftsalltag mehr bewegt als unbedingt nötig: Hat er gerade keinen Auftrag, zieht er eine Show ab, fährt von rechts nach links und winkt mit dem Arm – zumindest immer dann, wenn Sensoren Publikum im Raum erkennen.
3D-Kamera steuert das Greifen
Der Robolink-Roboter ist dazu auf einem Linearschlitten, der siebten Achse, montiert. Per Zahnriemen wird er nun mit der schmiermittelfreien igus Zahnriemenachse ZLW-20160 bis zu 3 m bewegt – angetrieben vom einem Schrittmotor mit 5:1-Getriebe. Um einen sauberen Lauf ohne Verheddern zu ermöglichen, sind die Energie- und Datenleitungen in Energieketten aus Köln eingelegt, die der Bewegung des Wagens folgen.
Ein Schaltschrank ist überflüssig. Die Steuerung des Roboterarms ist in seinen Fuß integriert. Darauf läuft eine von Roose selbst entwickelten Software, die die Bilder der 3D-Kamera des Roboters auswertet und berechnet, in welcher Position und Reihenfolge die Pralinen in der Box Platz finden. Mitarbeiter müssen Chocomatic lediglich einschalten und gelegentlich Pralinen nachfüllen. Der Roboter greift die Pralinen dann mit seinem Vakuumgreifer und legt sie in die Schale – mit einer Geschwindigkeit von 0,5 m/s und einer Wiederholgenauigkeit von 0,8 mm.
„Wir sind von der Präzision des Robolinks wirklich begeistert“, sagt Roose. „Wir können sicher sein, dass der Roboter den ganzen Tag lang zuverlässig arbeitet und die kostbaren Pralinen nicht beschädigt.“ Zwar komme Chocomatic bislang nur bei Roose’s Chocolate World zum Einsatz, doch drei weitere Exemplare seien bereits verkauft und in der Fertigung. „Immer mehr Pralinengeschäfte und Museen erkennen, dass die Lösung ein echter Publikumsmagnet ist.“
Igus GmbH
Spicher Str. 1a
51147 Köln
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