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Kuka: „Der Weg zur einfachen Robotik führt nur über KI“

Interview: Reinhold Groß, CEO, Kuka Robotics
Kuka: „Der Weg zur einfachen Robotik führt nur über KI“

Wo der Kuka-Robotics-Chef Reinhold Groß Wachstumspotenziale sieht und warum mobile Roboter (AMR) und KI dabei eine zentrale Rolle spielen, verrät er im Gespräch mit Konradin Industrie.

Interview: Alexander Gölz / Armin Barnitzke

Was haben Sie sich vorgenommen als CEO der Kuka Robotersparte?

Groß: Kuka ist traditionell ein stark technologisch geprägtes Unternehmen und hat in der Vergangenheit stark auf „Technology Push“ gesetzt. Diese technologische Stärke möchte ich stärker mit den Marktanforderungen in Einklang bringen, um uns noch besser an den Märkten zu orientieren und Produkte aus den konkreten Marktanforderungen abzuleiten.

Wie wollen Sie die stärkere Marktorientierung konkret umsetzen?

Groß: Eine Schlüsselrolle übernimmt dabei das Produktmanagement. Das Produktmanagement ist die zentrale Schaltstelle, um Marktperspektiven zu sammeln, zu bewerten und daraus Produkte zu generieren. Daher haben wir das Produktmanagement neu ausgerichtet und deutlich anders aufgestellt, mit einer klaren Marktverantwortung.

Wo sehen Sie zukünftige Wachstumsperspektiven für Kuka?

Groß: Wir wollen insbesondere die Einsatzgebiete der Robotik erweitern. Ich sehe ein sehr großes Potenzial außerhalb der heutigen Anwendungsbereiche für Roboter. Zu dieser Markterweiterung gehören die Themen Ease of Use und unsere AMR-Aktivitäten.

Bei autonomen mobilen Robotern, AMR, wollen Sie ja bis 2027 zu den Top-5-Herstellern gehören. Wie wollen Sie das erreichen?

Groß: Einerseits über den Ausbau des Vertriebs und andererseits über den weiteren Ausbau unseres Portfolios, wobei wir mit dem jetzigen Portfolio schon viele Anwendungen abdecken können. Insgesamt haben wir bislang sechs verschiedene AMR-Varianten im Einsatz. Einsatzgebiete reichen bis hin zur Batteriefertigung mit unserer neuen 3-Tonnen-Plattform KMP 3000P. Zudem haben wir eine gut gefüllte Entwicklungs-Pipeline an AMR-Produkten.

Wie groß soll das AMR-Portfolio werden?

Groß: Ich möchte mich ungern auf eine genaue Zahl festlegen. Wir sind immer dabei, zu prüfen, wo es Sinn macht, ein separates Produkt zu entwickeln, um alle Kundenanforderungen bestmöglich abzudecken. Unser Ziel ist es nicht, das Portfolio möglichst groß zu machen, sondern damit so viele Anwendungen wie möglich gemeinsam mit unseren Integratoren zu bedienen.

Und wie gehen Sie den Ausbau des AMR-Vertriebs an?

Groß: Wir gehen den AMR-Markt praktisch genauso an wie den Industrierobotermarkt. Wir treten nicht selbst als Lösungsanbieter auf, sondern sind Produktlieferant für unsere Integratoren, die die Roboter dann installieren. Diese Integratoren gibt es im Moment beim Thema AMR noch nicht in großer Zahl, aber wir sind gerade aktiv dabei, unsere bestehenden Integratoren entsprechend zu schulen.

Sind diese AMR-Integratoren klassische Robotik-Integratoren, denen Sie noch AMR-Know-how mitgeben, oder ganz neue Partner?

Groß: Sowohl als auch. Etwa zwei Drittel sind bestehende Integratoren, für die wir ein Schulungskonzept aufgebaut haben, das gut angenommen wird. Wir wollen im ersten Schritt rund 100 AMR-Integratoren aufbauen.

Das AMR-Segment ist ja sehr stark besetzt mit FTS-Spezialisten und AMR-Newcomern sowie vielen Maschinenbauern und Selbstbau-Lösungen. Wie wollen Sie sich da unter den Top-5-AMR-Anbietern platzieren?

Groß: Heute ist der Markt sehr heterogen, kein einziger Anbieter hat mehr als fünf Prozent Marktanteil. Daher glaube ich, dass es in den nächsten Jahren eine deutliche Konsolidierung geben wird, weil diese ganzen Selbstbaulösungen in großer Stückzahl wirtschaftlich nicht wettbewerbsfähig gefertigt werden können. Uns fällt es vergleichsweise leicht, mit AMRs in die Serienproduktion zu gehen, weil wir das von den Robotern her kennen. Daher können wir völlig andere Kostenpunkte erreichen. Zudem haben wir Vorteile durch unseren weltweiten Service. Ich gehe daher davon aus, dass mobile AMR-Plattformen künftig hochgradig standardisiert sein werden: Es wird deutlich weniger AMR-Anbieter geben. Und deren Standardplattformen werden dann über Integratoren mit verschiedenen Aufsätzen auf die jeweiligen Anwendungen angepasst.

Wer sind denn Kukas AMR-Kunden? Adressieren Sie eher die Logistik oder große Industriekunden?

Groß: Unsere Hauptzielgruppe sind weniger die kleinen und mittleren Firmen, die vielleicht zwei oder drei AMRs einsetzen können, sondern eher größere Firmen. Aber weil wir über Integratoren in den Markt gehen, sind uns als AMR-Hersteller die Anwendungen letztlich gar nicht so wichtig. Sehr viel Aktivität sehen wir aber in zwei Bereichen. Erstens: End of Line. Beinahe jede produzierende Firma muss am Ende der Linie ihr Fertigprodukt in den Logistikbereich bringen. Das lässt sich selten über fixe Förder- und Transportstrecken abbilden. Daher fahren hier heute noch viele Stapler. Hier sind AMRs viel besser geeignet.

Und der zweite Bereich?

Groß: Ist die Logistik. Da sticht vor allem die USA hervor: Hier gibt es weniger Hochregallager, sondern einen viel größeren Anteil an Flächenlogistik, weil die Flächenkosten geringer sind und es genügend Platz gibt. Und immer wenn etwas in der Fläche gelagert wird, ist ein AMR interessant.

Von den AMR zu den Industrierobotern: Wie verändern sich die Kundenanforderungen?

Groß: Wir sehen weiterhin den klaren Trend hin zu einfacher Bedienung, gerade wenn wir aus den traditionellen, schon stark automatisierten Branchen herausgehen.

Reicht denn in Sachen einfache Roboter-Bedienung Kukas neues Cobot-Betriebssystem iiQKA.OS aus?

Groß: iiQKA.OS ist ein sehr guter erster Schritt, reicht aber natürlich nicht als Endziel. Wichtig ist mir, dass wir uns kontinuierlich in Richtung einfacher Bedienbarkeit bewegen – und zwar mit Blick auf unser gesamtes Portfolio. Wir wollen die Roboteranwendung für Kunden und die Integrationsfreundlichkeit für Partner schrittweise vereinfachen. Das Thema wird uns mindestens die nächsten fünf Jahre begleiten. Auf dem Weg dahin spielen auch Themen wie Augmented Reality eine Rolle.

Und welche Rolle spielen künstliche Intelligenz und intelligente Software für Ihre Zukunftsstrategie?

Groß: KI ist für uns eine der Schlüsseltechnologien für die Weiterentwicklung in der Industrierobotik. Vor allem der Weg zu Ease of Use als auch die Erschließung neuer Einsatzgebiete führen nur über KI: Wenn ich die Grenze des Roboter-Einsatzgebiets verschiebe und den Roboter in sehr variablen Situationen betreiben will, dann kann ich das nur sehr aufwendig vorab programmieren. Ein wichtiger Hebel ist dabei das Thema intelligente Robot-Vision, also Kamerasysteme verbunden mit Künstlicher Intelligenz. Damit wird es möglich, variabel auf unvorhersehbare, nicht strukturierte und damit auch nicht einprogrammierte Situationen zu reagieren.

Entwickeln Sie diese Vision-KI-Funktionen selbst? Oder arbeiten Sie hier mit Partnern?

Groß: Sowohl als auch. Wir arbeiten an eigenen Lösungen, wollen aber immer auch intensiv mit Partnern zusammenarbeiten. Unsere Kunden, Integratoren und Partner entscheiden, , welches Kamerasystem sie einsetzen. Wir legen daher sehr viel Wert auf offene Schnittstellen.

Wo sehen Sie weitere Anwendungsfälle für KI in der Robotik jenseits der Robot-Vision?

Groß: Auch die schon erwähnten Mensch-Maschine-Schnittstellen sind interessante Anwendungsbereiche. Einen Roboter mit natürlicher Sprache zu programmieren, öffnet die Technologie dann nicht mehr nur auf Expertenlevel. Dafür entwickeln wir einen Copiloten für die Kuka-Roboter-Sprache KRL. Und im Bereich Service gibt es ebenfalls gute Beispiele für KI.

Nämlich?

Groß: Wir haben eine riesige Wissensdatenbank, die durch unsere Kunden oder durch unseren eigenen Service gefüttert wird. Bei der Frage „Wie löse ich den auftretenden Fehler“ kann eine KI viel schneller eine Lösung finden, so dass sich der Kunde oder der Servicemitarbeiter nicht mehr durch diese riesige Datenbank wühlen muss. Und natürlich gibt es auch beim Thema Predictive Maintenance viele konkrete Anwendungsfälle: Wenn man viele Roboter-Daten sammelt, ist es nur logisch, auch eine intelligente Interpretation dieser Daten zu machen.

 Als Königsdisziplin KI-Robotik gelten ja humanoide Roboter. Für Sie auch?

Groß: Wir schauen uns Technologietrends grundsätzlich sehr genau an. Auch wenn manche Themen überhöht werden, gibt es fast immer spannende Aspekte. Bei den humanoiden Robotern sehen wir das Thema Autonomie im Vordergrund. Für autonome Robotersysteme werden vor allem Sinne, insbesondere Vision mit künstlicher Intelligenz benötigt. Zusätzlich entstehen hohe Anforderungen an flexible Greifersysteme. Die optische Imitierung von menschlichen Merkmalen oder auch die Fortbewegung auf zwei Beinen, halten wir jedoch für nicht notwendig.

Kuka AG
www.kuka.com


Erste Wahl für smarte Automatisierung

Der reine nackte Roboter reicht aus Sicht von Reinhold Groß heute nicht mehr aus als Unterscheidungsmerkmal: „Die Mechanik gerade unter den großen etablierten Industrieroboterherstellern unterscheidet sich kaum: Alle Hersteller bauen gute Roboter.“ Die Differenzierung finde daher über einen Dreiklang aus Roboter-Hardware, Software und Services statt. „Wir verbessern weiter unsere Serviceorganisation und bauen das gesamte Kundenerlebnis weiter aus. Wir wollen den Kunden eng begleiten: von der Ideengenerierung über Beschaffung und Lieferung bis zur Integration und zum Service. Unsere Vision ist, die logische Wahl für die smarte Automation zu sein.“

Um Kuka als „erste Wahl für smarte Automatisierung“ zu positionieren, beobachtet Groß sowohl die etablierten Roboter-Konkurrenten als auch Newcomer und Start-ups: „Natürlich schauen wir als Erstes darauf, was die Kunden brauchen. Aber jedes Unternehmen ist gut beraten, wenn man ein wenig nach rechts und links schaut.“ In Sachen Marktanteile und Marktentwicklung hat er dabei eher die größeren etablierten Roboterhersteller im Fokus. „Aber beim Thema Innovationen schauen wir uns natürlich auch die neuen und kleinen Robotikanbieter an. Da sich diese klar differenzieren müssen, schauen wir durchaus, wie diese Newcomer argumentieren und welche Lösungen und Technologien sie anbieten.“


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