Mit bis zu 40 Mikrometern sind Wafer dünner als ein Haar und haben dabei doch mit 150 bis 300 mm einen Durchmesser, der an die Größe einer Pizza heranreicht. Kurzum: Eine hochzerbrechliche Angelegenheit, selbst nicht in einer Schutzkassette. Damit aus diesen empfindlichen Silberlingen, die pro Kassette den Wert eines Mittelklasse-Autos haben können, Chips werden, müssen sie bis zu 1.200 Prozessschritte durchlaufen und dabei jedes Mal zu einer anderen automatisierten Bearbeitungsstation transportiert werden. Ein klarer Fall für einen Roboter-Einsatz.
Sauberer als im Operationssaal
In Halle 17 seines Villacher Werkes produziert Infineon Chips auf den empfindlichen Dünnwafern in einer Reinraumumgebung der Kategorie 1. Das heißt: In 28 Litern Luft darf sich nicht mehr als ein Staubpartikel befinden. Das ist deutlich weniger, als in einem Operationssaal erlaubt ist.
Für die Mitarbeiter heißt dies: Zugang nur in speziellen Ganzkörperschutzanzügen über eine spezielle Luftschleuse. Haut und Haare müssen vollständig bedeckt sein, so dass keine Schuppe nach außen dringen kann. Lediglich ein kleiner Sichtschlitz bleibt frei. Laptops müssen vorher eine penible Reinigung durchlaufen. Selbst Stifte und das Blatt Papier für Notizen sind partikelfreie Spezialanfertigungen.
„Wir müssen uns bei diesen äußerst sensiblen Produktionsbedingungen für unsere Dünnwafer sehr genau überlegen, welche Transporttechnik wir hier zum Einsatz bringen“, erklärt Martin Moser, Team-Leiter Automatisierung im Bereich AMHS (Automated Material Handling System) bei Infineon Technologies Austria in Villach. „Nachdem in der Wafer-Produktion verschiedene mobile Einheiten und immer auch Menschen unterwegs sind, kommen für den Roboter-Einsatz nur Systeme in Frage, die extrem sensitiv für ein gefahrloses Miteinander von Mensch und Maschinen ausgelegt sind. Und das ganz ohne Schutzumzäunung.
Hand in Hand mit Systempartnern
„Auf der Suche danach sind wir bei der Messe Automatica auf die Kuka Leichtbauroboter aufmerksam geworden“, berichtet der Entwicklungsingenieur. Die Cobots gemäß ISO3 für die sehr speziellen Anforderungen im Reinraum fit zu machen, sei ein überaus intensiver Lernprozess gewesen, bei dem Infineon Hand in Hand mit seinen Systempartnern gearbeitet hätten. Neben Kuka waren dies Experten der Mechatronic Systemtechnik GmbH für den Zusammenbau, die Verkabelung und den Aufbau in der Produktion sowie die Programmierer der Micado Automation GmbH für die Anlagensteuerung.
„Es gab für uns damals keine Blaupause für den mobilen Roboter-Einsatz in der Halbleiterfertigung. Gemeinsam haben wir die Systeme genau auf unsere Bedürfnisse abgestimmt. Das war echte Pionierarbeit“, berichtet Moser. Dazu habe gehört, die Cobots reinraumfähig zu machen. Das sei auch für die Kuka Roboter noch Neuland gewesen. „Das konstruktive Miteinander aller Beteiligten hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir nun eine ideale Transportlösung für unsere automatisierte Chip-Produktion haben“, so Moser.
Heute verrichten in mehreren Reinräumen 17 LBR iiwa Roboter ihren Dienst – rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. „Sie sind sie extrem beweglich, können bis zu 14 Kilogramm Traglast bewältigen, arbeiten ohne Vibrationen und verrichten mit ihrem Greifer millimetergenaue Arbeiten, selbst auf engstem Raum“, erklärt Moser. Ihre zusätzliche siebte Achse erlaube es ihnen, feinfühlige und verwinkelte Bewegungen ausführen.
Perfektion in Millimeterarbeit
So transportieren sie schwarze Kassetten voller wertvoller Siliziumscheiben zu den einzelnen Bearbeitungsschritten, führen sie millimetergenau in die jeweiligen Bearbeitungskammern ein und holen sie anschließend wieder ab. Die mobilen Bestückungsroboter arbeiten dabei eng mit dem Overhead Hoist Transport System, kurz OHT, zusammen. An Schienen unter der fast fünf Meter hohen Decke hängend, schweben die Transportboxen wie von Geisterhand geführt zu den einzelnen Stationen, wo sie diese mit einem Gurtzugmechanismus herablassen. Dort werden sie, gemäß dem Produktionsalgorithmus, von einem der LBR iiwa Roboter aufgenommen und zum nächsten Bearbeitungsschritt transportiert.
„Wir wollten von Anfang an eine passgenaue Lösung für unsere Produktion in Villach“, erklärt Martin Moser. „Die Integration der Systeme haben wir daher selbst übernommen. Dabei war uns der direkte Austausch mit den Kuka Entwicklern sehr wichtig – vor allem mit Blick darauf, wie wir das Gesamtsystem einrichten.“
Im Team von Martin Moser hat Lisa Ebner die Integration der Roboter in den automatisierten Wafer-Produktionsprozess von Anfang an mitbetreut. Als Expertin für die Bestückungssysteme sucht sie ständig nach weiteren Möglichkeiten zum Perfektionieren der Produktion. „Bei der Optimierung müssen wir aber die richtige Balance finden zwischen dem, was technisch-physikalisch möglich ist, und dem, was für unsere Produktionszwecke sinnvoll ist. Je näher wir an 100 Prozent Perfektion herankommen, desto höher die Komplexität und die Zahl der Schnittstellen. Wir müssen immer das für eine wirtschaftliche Produktion richtige Maß finden.“
Lernen für die Halbleiter-Zukunft
Das Automatisierungsteam in Villach ist dabei offenkundig auf einem guten Weg. „Alles, was wir jetzt lernen, bringt uns weiter – zur nächsthöheren Ebene der Automatisierung in der Halbleiterfertigung“, sagt Bernd Steiner, Produktionsleiter bei Infineon Austria in Villach. Und die Zeit drängt in Kärnten. Denn neben den bestehenden Fertigungshallen steht schon der Rohbau einer neuen, vollautomatisierten Chipfabrik. 1,6 Milliarden Euro investiert Infineon in seinen Villacher Standort und setzt damit die größte private Investition in Österreich um. Ende 2021 sollen hier Leistungshalbleiter vollautomatisiert produziert werden.
Kuka Deutschland GmbH
Zugspitzstraße 140
86165 Augsburg
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