In den 125 Jahren seines Bestehens war bei Kuka einiges in Bewegung: Das Unternehmen, das heute für seine orangenen Roboter bekannt ist, hat neben Schweißanlagen auch Acetylenbeleuchtungen, Müllautos, Reise-Schreibmaschinen, Socken-Strickmaschinen und sogar Panzer gebaut, zwei Weltkriege erlebt, einige Beinahe-Pleiten und den ein oder anderen Eigentümerwechsel. „Unbedingter Durchhaltewillen gehört ebenso zur Kuka-DNA wie ein ungebrochener Innovationsgeist. Daher passt auch unser Jubiläums-Motto ‚Keep on Moving‘ so prima zu 125 Jahren Kuka“, sagt der Kuka-CEO Peter Mohnen.
Die Ursprünge: Keller und Knappich Augsburg
Begonnen hat die bewegte Reise 1898, als Johann Josef Keller und Jakob Knappich in Augsburg ein Unternehmen gründen, das zunächst Acetylen-Beleuchtungen herstellt. Schon im verflixten siebten Jahr aber müssen sich „Keller und Knappich Augsburg“ (aus dem Telegrammkürzel wird später der Firmenname Kuka) ein neues Geschäftsfeld suchen, denn die Acetylen-Lampen werden von Osram-Glühbirnen (übrigens ebenfalls aus Augsburg) verdrängt.
Kuka baut Müllautos und Schweißanlagen
Und so verlegt man sich in Augsburg auf Schweißgeräte und Schweißbrenner mit Acetylen, das Schutzgas-Schweißen. Dieses Schweiß-Know-how zieht sich wie ein roter (beziehungsweise orangener) Faden durch die Kuka-Geschichte und wird viele Jahre später auch zum Einstieg in der Robotergeschäft führen. Doch nach dem ersten Weltkrieg kommt dank des Schweiß-Knowhows erstmal ein anderer Geschäftszweig hinzu, der heute zwar ziemlich in Vergessenheit geraten, aber in der Farbe Orange immer noch allgegenwärtig ist.
Denn 1922 entsteht in Augsburg die „Bayerische Kesselwagen“, die Kommunalfahrzeuge für die Straßenreinigung und Müllabfuhr baut. Und gerade die innovativen Drehtrommel-Müllwagen mit mechanischer Be- und Entladung werden ein großer Erfolg in vielen europäischen Ländern. Noch heute steht das Wort Kuka im Ungarischen und im Tschechischen für Mülltonne beziehungsweise Müllwagen.
Nach dem zweiten Weltkrieg macht sich Kuka – neben Schreibmaschinen und Rundstrickmaschinen – auch mit Schweißanlagen einen Namen: 1956 entsteht in Augsburg eine riesige Schweißstraße, die für die Karosseriefertigung bei VW in Wolfsburg bestimmt ist: mit 14 Meter Länge und 16 Tonnen Gesamtgewicht eine echte Weltneuheit. Schon bald baut Kuka komplette Schweißanlagen für alle namhaften Automobilhersteller, neben VW, Porsche und BMW auch für Daimler-Benz, der schon bei den Müllwagen ein wichtiger Geschäftspartner war.
Einstieg in die Robotik mit Daimler
Und der Partner Daimler ist es auch, der Kuka zum Einstieg in die Robotik bringt. Denn 1970 will Daimler in seine neue Schweißanlage im Werk Sindelfingen auch einige dieser neuartigen Geräte namens „Roboter“ integriert haben, die seit Ende der 1960er Jahre in US-Automobilfabriken im Einsatz sind. Und so baut Kuka für Daimler in Sindelfingen 16 Unimate-Roboter aus den USA ein. Diese leiden aber unter enormen Kinderkrankheiten: Denn die Traglast der mit Hydraulik angetriebenen Roboter aus den USA ist viel zu gering für die deutsche Schweißtechnik, die Unimates brechen fast zusammen.
1971 wird daher klar: Kuka muss eigene Roboter entwickeln. „Es gab nichts Vergleichbares am Markt“, erinnert sich Stefan Müller, damals für den Vertrieb verantwortlich. „Niemand hatte bis dahin mit elektrisch angetriebenen Robotern experimentiert“, erzählt Müller im Jubiläumsbuch. Und so wird Kuka Pionier eines ganz neuen Technologie-Zweiges.
Geburt des Famulus: Kuka schreibt Roboter-Geschichte
1974 präsentierte Kuka auf der Hannover Messe das Ergebnis seiner Bemühungen: seinen ersten Roboter namens Famulus. Aber auch dieser bringt noch nicht den großen Durchbruch, es werden nur eine Handvoll davon hergestellt. Bei den großen Autobauern kommt Famulus nie zum Einsatz, auch er hat zu viele Kinderkrankheiten und die Ölkrise Mitte der 1970er sorgt für knappe Kassen.
Mit Förderung der Bundesregierung im Rahmen des Projekts „Handhabungssysteme zur Humanisierung des Arbeitslebens“ (ein Motto, das im Zuge des demografischen Wandels auch heute noch hoch aktuell ist) kann sich Kuka aber an die Weiterentwicklung seines Roboters machen und präsentiert 1977 den Nachfolger des Famulus.
Von diesem bestellt Daimler 20 Stück, dann ordern auch BMW und Ford jeweils 20 Roboter. „60 Roboter war für uns ein absoluter Großauftrag“, so Stefan Müller. Dennoch ist noch kein großer Roboter-Boom in Sicht: In den 1980ern verlassen pro Jahr kaum mehr als 150 Roboter (mit einer modifizierten CNC-Steuerung von Siemens) das Werk in Augsburg. Die Roboter sind in der Herstellung zu teuer und werden mit Kukas Schweißanlagen querfinanziert. Und die großen Automobilhersteller investieren damals noch in eine eigene Roboterentwicklung.
Mitte der90er Jahre gelang Kuka der Roboter-Durchbruch
Schwung in das Augsburger Robotik-Business bringt dann der US-Amerikaner Gordon Riske, der durch den Zukauf eines Anlagenbauers in Michigan an Bord kommt: Unter seiner Führung werden die Roboterkonstruktion durchforstet und die Herstellungskosten stark gesenkt. Mitte der 1990er markieren weitere zwei Meilensteine den endgültigen Durchbruch der Kuka-Roboter:
- 1994 gibt VW die eigene Roboterentwicklung auf und setzt stattdessen auf Kuka. Bald laufen die Augsburger Roboter in jedem VW-Werk weltweit
- 1996 stellt Kuka die weltweit erste Windows-basierte Roboter-Steuerung vor und löst die alte umständliche CNC-basierte Steuerung ab. Und so ist aus dem Roboterbauer Kuka schon damals ein Softwareentwickler geworden – was sich bis heute fortsetzt, doch dazu später.
Unruhen mit den Eigentümern und Fast-Pleiten
Technisch ist Kuka also auf dem richtigen Weg, doch im Unternehmensumfeld gibt es immer wieder Unruhe: Denn der Mischkonzern IWKA, zu dem Kuka seit 1970 gehört, wird nach dem Einstieg des US-Investors Guy Wyser-Pratte 2007 zerschlagen. Nur Kuka bleibt übrig und steht quasi allein im Sturm der Finanz- und Wirtschaftskrise – und 2008 kurz vor der Insolvenz.
Der deutsche mittelständische Maschinenbauer Grenzebach steigt damals als Retter ein, fordert aber ein Ende der starken Abhängigkeit von der Automobilindustrie. Es folgen ein erbitterter Kleinkrieg um Vorstand und Aufsichtsrat zwischen Grenzebach und der amtierenden Kuka-Führung. Denn Grenzebach und der US-Investor Guy Wyser-Pratte werfen dem Vorstand vor, das Unternehmen nicht schnell genug auf neue Geschäftsfelder wie die Medizin- oder Solartechnik auszurichten.
In der Folge wird der Grenzebach-Vertraute Till Reuter als CEO installiert. Dem Investmentbanker gelingt der Turnaround. Er gewinnt das Vertrauen der Banken, reduziert die Abhängigkeit von der Automobilindustrie und startet ein Effizienzprogramm. Aber auch intern gewinnt Till Reuter aufgrund seiner starken menschlichen Seite enorm an Beliebtheit bei den Kukanerinnen und Kukanern. Schon 2010 hat Kuka die Krise überwunden. 2014 wird Till Reuter zum Manager des Jahres gewählt.
Einstieg der Chinesen: Midea erwirbt Kuka-Mehrheit
Aber schon wartet der nächste Unruheherd auf die Augsburger. 2015 verkündet der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea, seinen Kuka-Anteil von damals 13% deutlich aufstocken zu wollen. In der Folge entsteht in der deutschen Öffentlichkeit ein großer Streit, ob man ein „Vorzeigeunternehmen der Industrie 4.0“ einfach so den Chinesen ausliefern solle. Immerhin: In nur wenigen Jahren hat sich Kuka von einer Fast-Pleitefirma zum Industrie-4.0-Vorzeigekonzern gemausert – auch dank Till Reuter, der sich für die Übernahme durch Midea ausspricht, zumal er um die Bedeutung des Wachstumsmarktes China weiß.
Ende 2018 muss allerdings auch Till Reuter überraschend (und unfreiwillig) das Unternehmen verlassen und der bisherige CFO Peter Mohnen übernimmt den CEO-Posten. In seiner unaufgeregten Art stellt er die Weichen neu: „Wir hatten immer viele coole Sachen entwickelt, aber von zehn Dingen hat es vielleicht eins in den Markt geschafft. Innovationen wurden nicht skaliert. Das wollten wir ändern“, so Peter Mohnen. Seitdem geht es Kuka andersherum an: verstärkt die Bedürfnisse des Marktes abfragen und gezielt nach den Wünschen der Kunden entwickeln.
Rekordzahlen in der Krise
Dieser Wandel sei aber nicht seine Einzelleistung, betont Peter Mohnen, sondern dem starken und begeisterten Team weltweit zu verdanken. „Als ich vor knapp 5 Jahren CEO wurde, hatten wir viele Schwierigkeiten auf den Märkten, aber auch in der eigenen Struktur und unseren Produkten. Eine richtige Strategie zu haben und die eine oder andere manchmal schmerzhafte Entscheidung zu treffen – das ist eine Sache. Viel wichtiger ist aber, dass die Mannschaft den Kurs mitträgt und umsetzt. Dafür braucht es langen Atem und die Bereitschaft, auch auf schwierigen Wegstrecken die Extra-Meile zu gehen. Und das ist eine Stärke der Kukanerinnen und Kukaner weltweit.“
Und das zahlt sich aus: Ausgerechnet das Krisenjahr 2022 wird zum historischen Geschäftsjahr: ein Auftragseingang von rund viereinhalb Milliarden Euro, das gab es noch nie. Erstmals steuert die stark wachsende China-Division allein über eine Milliarde an Auftragsvolumen bei. Aber auch das Anlagengeschäft in Nordamerika floriert ebenso wie die Logistik-Lösungen des Schweizer Lager-Spezialisten Swisslog, der seit 2014 zu Kuka gehört. „Unser Ziel mit Swisslog ist es, die Intralogistik mit Robotern zu kombinieren, bis hin zu der Idee, in einem Supermarkt die Regale mit Robotern zu befüllen“, sagt Peter Mohnen.
Für den aktuellen Erfolg macht Peter Mohnen drei strategische Pfeiler aus: „Erstens: Wir sind heute ein globales Unternehmen, das ein Drittel seines Umsatzes in den USA macht und ein Viertel in China – wir schlagen also quasi eine Brücke zwischen Ost und West. Zweitens sind wir inzwischen stark diversifiziert und machen rund 60 Prozent unseres Umsatzes außerhalb der Automobilindustrie. Drittens haben wir unseren Fokus von Hardware in Richtung Software verlagert.“
In Augsburg steht die Software im Fokus
Denn Peter Mohnen hatte bereits früh erkannt, dass einfache Bedienung und moderne Betriebssysteme bei Robotern künftig eine wichtige Rolle spielen werden. Bereits Anfang 2019 startete er daher ein internes Projekt – quasi als Start-up im Konzern – um ein neues Roboter-Betriebssystem auf den Markt zu bringen, das später auf den Namen iiQKA.OS getauft wird. Sein Ziel: „Bis 2030 wollen wir den Umgang mit einem Roboter so weit vereinfachen, dass dieser bedienbar ist wie ein PC.“ Kuka setzt damit erneut einen Meilenstein: So wie die Augsburger 1996 Pionier bei offenen PC-basierten Steuerungen waren und 2004 zusammen mit dem DLR den als ersten Leichtbauroboter/Cobot LBR vorgestellt haben, wollen sie nun mit dem Linux- und webbasierten, intuitiv-bedienbaren Betriebssystem iiQKA.OS Ausrufezeichen setzen.
„Das ist nichts anderes als eine kleine Revolution auf dem Markt“, strahlt Dr. Kristina Wagner, verantwortlich für die Kuka Automation Software Factory und das aktuell größte Entwicklungsprojekt, das Betriebs- und Ecosystem iiQKA: „Vom Auspacken bis zur Programmierung des ersten Miniprogramms dauert es keine 80 Minuten mehr.“ Und diese Revolution soll noch weiter gehen, bekräftigt Peter Mohnen: „Wir werden in den nächsten fünf Jahren rund eine Milliarde Euro in R&D investieren, mehr als je zuvor. Schon heute arbeitet die Mehrzahl unserer Entwicklerinnen und Entwickler im Bereich Software.“ Bei Kuka ist eben auch nach 125 Jahren immer etwas in Bewegung.
Kuka AG
www.kuka.com
Kuka und Midea: Von Augsburg in die Welt
Ziemlich groß war die Aufregung zuweilen, als der chinesische Haushaltswaren-Konzern Midea 2016 als Mehrheitseigentümer bei Kuka eingestiegen ist. Inzwischen haben sich die Wogen aber geglättet. Das liege vor allem am konstruktiven Miteinander, sagt CEO Peter Mohnen „Ich erlebe Midea als ein großes und professionelles Unternehmen, das unsere Stärken wertschätzt und unseren Kurs mitträgt, um Kuka erfolgreich weiterzuführen.“ Dabei gebe es natürlich auch zuweilen Diskussionen. „Aber ich denke, jedes Unternehmen hat mit seinen Eigentümern manchmal auch Diskussionsbedarf, egal woher diese stammen. Das kennen wir bei KUKA auch aus früheren Zeiten nur gut“, sagt Peter Mohnen lachend.
Aber natürlich haben die chinesischen Eigentümer auch Akzente gesetzt: „Ich glaube, Kuka ist in den letzten Jahren deutlich stärker performance driven. Gerade auf den Führungsebenen haben wir hier einen echten Kulturwandel erlebt“, wird Yanmin „Andy“ Gu, Vice President der Midea Group und seit 2017 Aufsichtsratsvorsitzender von Kuka im Kuka-Jubiläumsbuch zitiert. Dafür habe Kuka auch ein stückweit vom typisch deutschen Perfektionismus abrücken müssen. Schnellere, pragmatische Lösungen und ein nüchterner Blick auf die Zahlen sind in Augsburg nun stärker in den Fokus gerückt.
Eines werde sich aber auch in Zukunft nicht ändern, betont Peter Mohnen. Und das ist der deutsche Standort Augsburg als Herz des Unternehmens: „Kuka steht für „Keller und Knappich Augsburg“. Und das A für Augsburg werden wir auch nicht ändern. Hier ist unser Konzern zu Hause, hier ist die Heimat unserer globalen Technologie- und R&D-Kompetenz, hier beschäftigen wir mit Abstand die meisten Mitarbeitenden. Unsere Wurzeln sind und bleiben in Augsburg.“
Aber das reiche nicht aus, um auf der ganzen Welt die Kundennähe zu haben, die heute gefordert wird, so Peter Mohnen. „Wir sind international aufgestellt und wollen noch stärker zur Global Company werden. Deshalb investieren wir gezielt, entwickeln bestimmte Produkte auch lokal, und verfügen über ein belastbares multi-nationales Lieferantennetzwerk.“
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