Die Kromberg & Schubert Automotive GmbH & Co, kurz Kroschu, gehört zu den führenden Automobilzulieferern der Welt. Das Unternehmen produziert Bordnetze sowie Sonderleitungen und bietet Kunststofftechnik für Marken wie Mercedes, VW und BMW. Der Ausbruch der Corona-Pandemie führte zu einem weitgehenden Stopp der weltweiten Produktion – zeitgleich mit den Produktionsstillständen der Hauptkunden.
Schutz von Mitarbeitern und Kunden ist entscheidend
Frühzeitig arbeitete Kroschu an Szenarien, seine Produktion wieder hochzufahren. Wie kann ein gesicherter Wiederanlauf der Produktion gewährleistet werden, sodass Mitarbeiter und Kunden vor dem Virus geschützt sind? Über diese Situation haben sich Dr. Thomas Lange-Stalinski, Chief Operation Officer bei Kromberg & Schubert, und Prof. Thomas Bauernhansl, Institutsleiter am Fraunhofer IPA, ausgetauscht. Das Institut sollte es mit seiner Expertise in den Bereichen Fabrikplanung, Logistik, Wertstrom und Automatisierung Kroschu ermöglichen, in allen 26 Werken schnell, effizient und effektiv den Betrieb unter strengem Schutz der Mitarbeiter wiederaufzunehmen.
Dazu mussten Maßnahmen identifiziert, definiert und umgesetzt werden. Ziel war es gleichzeitig den Schutz von Mitarbeitern und Kunden zu gewährleisten, die Produktionsfähigkeit des Zulieferers sicherzustellen sowie die finanziellen Auswirkungen auf Mitarbeiter und das Unternehmen so gering wie möglich zu halten. „Dass die volle Produktionskapazität nicht sofort wieder ausgeschöpft werden kann, war uns klar. Entscheidend war für uns, den Schutz der Mitarbeiter und Kunden einerseits und die Produktionsfähigkeit andererseits verantwortungsvoll in Balance zu setzen“, beschreibt Bauernhansl die Herausforderung der Aufgabe.
Task Force erarbeitet Maßnahmen
Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass Vor-Ort-Begehungen und -Workshops nicht möglich waren. Via Videokonferenz wurde zunächst eine Task Force gegründet, die aus Experten des Fraunhofer IPA, Mitarbeitern des Stammsitzes von Kroschu und mehreren ausgewählten Werken bestand. Bildmaterial und Videoaufzeichnungen halfen den Mitgliedern, sich die Situation vor Augen zu führen.
Über Kollaborationsplattformen tauschten sich die Einzelnen über notwendige Maßnahmen aus, sammelten und bewerteten diese in wöchentlichen Online-Meetings, um die wichtigsten Ad-hoc-Maßnahmen auszuwählen. Ein von den IPA-Wissenschaftlern zusammengestelltes Set an Basisinformationen über Ursachen, Übertragungswege und Folgen des Coronavirus half, die richtigen Entscheidungen zu treffen. So konnte innerhalb weniger Tage ein Standard-Maßnahmenkatalog verabschiedet werden. Temperaturmessung, Bustransport- Management, Arbeitsplatzgestaltung und Risikoanalyse gehörten zu den Hands-on-Maßnahmen der ersten Tage.
Wertstrom-Methode modifiziert
Gleichzeitig wurde ein Set an technischen Lösungen erarbeitet, das zurzeit in den Werken eingeführt wird, um die getroffenen organisatorischen Maßnahmen zu unterstützen. Dabei wendete das Fraunhofer IPA methodische Verfahren aus dem Wertstrom und Know-how der Fabrikplanung wie Lieferantenmanagement an und übertrug diese auf die Corona-Situation.
Das Wertstrom-Konzept, das alle wertschöpfenden und nichtwertschöpfenden Aktivitäten umfasst, um Verschwendung bei der Herstellung eines Produkts auszuschließen, ergänzten die IPA-Experten aus der Bayreuther Projektgruppe Prozessinnovation um die Risikovermeidung. Risikoprozessgruppen mit hohem, mittlerem, geringem und keinem Risiko wie Homeoffice wurden klassifiziert und als rote, gelbe und grüne Werkbereiche markiert.
Des Weiteren erarbeitete Fraunhofer-Austria Maßnahmen für externe Partner wie Zulieferer, Logistik und Instandhaltung. Eine Selbstauskunft und -prüfung müssen Besucher ausfüllen, um ein Werkgelände betreten zu können.
Schließlich wurden die Maßnahmen auf alle 26 Werke ausgerollt und umgesetzt. Geschäftsführer Lange-Stalinski zeigt sich zufrieden: „Die Sicherheit unserer Mitarbeiter und Kunden hat oberste Priorität. Die zusammen mit dem Fraunhofer IPA entwickelten Methoden und Handlungsanweisungen ergeben ein erfolgsversprechendes Konzept, um unsere Produktion wieder hochfahren zu können. Auch unsere Kunden bestätigen, dass wir damit frühzeitig und vorausschauend handeln.“
Projekt mündet in Plattform
Durch das Projekt mit Kroschu bestärkt, initiierte das Fraunhofer IPA zusammen mit Fraunhofer-Austria eine Plattform, auf der sich Unternehmen austauschen und mit Experten vorbereiten können, ihre Produktion wieder sicher hochzufahren. Im sogenannten Virtual CoLAB entsteht zum einen ein Pool von Ad-hoc-Maßnahmen, die für Schutz vor dem Virus und Arbeitsfähigkeit sorgen. Denn „bei unserem Projekt zum Ramp-up bei Komberg & Schubert haben wir erlebt, dass es oft die einfachen, aber durchdachten Lösungen sind, die in der Anfangszeit beim Wiedereinstieg am meisten helfen“, fasst der Stuttgarter Produktionsstratege David Maximilian Dörr die Erfahrungen zusammen.
Zum anderen entwickeln dort die Wissenschaftler mit den Unternehmen Strategien, die zu mehr Wandlungsfähigkeit in der Krise und der Zeit danach führen sollen. „Im Virtual CoLAB leitet uns letztlich die Frage: Wie können wir Unternehmen robuster gegen Ereignisse und äußere Einflüsse wie Corona machen?«, stellt der Leiter der Abteilung Fabrikplanung und Produktionsmanagement am Fraunhofer IPA, Michael Lickefett, klar.
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
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