Kürzlich hat Franka Emika mit Franka Production 3 einen ganz neuen Roboter vorgestellt. Warum haben Sie einen neuen Roboter entwickelt? Weil der ursprüngliche Franka-Roboter am Markt nicht so richtig angekommen ist?
Pfaff: Dass der Franka-Roboter nicht am Markt angekommen ist, kann man ja nicht behaupten. Im Forschungs- und Universitäts-Umfeld wurde er sehr gut angenommen. Dorthin haben wir in den vergangenen Jahren ungefähr drei Viertel der 3000 verkauften Franka Roboter geliefert. Aber aufgrund der fehlenden Zertifizierung nach den gängigen Robotik-Normen ließ sich der Franka-Roboter in die Industrie nicht wirklich integrieren. Das haben wir jetzt nachgeholt.
Wie genau?
Pfaff: Franka Production 3 sieht zwar äußerlich – abgesehen von der Farbe – noch genauso aus, wurde aber vom Innenleben her komplett überarbeitet. Mit 2-kanaliger-Sicherheit, Fail Safe over Ethercat in den Gelenken und einer Zertifizierung der Functional Safety nach ISO 13849–1 sowie der allgemeinen Roboternorm ISO 10218–1. Hinzu kommen Weiterentwicklungen im Betriebssystem, bei den darauf basierenden Software-Apps und bei der Programmierung des Roboters. Das war ein langer und arbeitsintensiver Weg. Um die Neuerungen auf den ersten Blick sichtbar zu machen, ist der Franka-Roboter in seiner Industrie-Version nun schwarz statt weiß. Übrigens: Auch für Forschungseinrichtungen und Universitäten wird es eine neue Version geben: Franka Research 3 wird ab September in der gewohnten weißen Lackierung lieferbar sein.
Der Cobot-Markt ist ja stark umkämpft. Was sind Ihre Alleinstellungsmerkmale im Vergleich zu den anderen Robotern am Markt?
Pfaff: Wir haben mehrere Alleinstellungsmerkmale. Erster USP ist unser mechatronisches System, das darüber hinaus über eine nach wie vor einzigartig einfache Bedienbarkeit verfügt. Wir haben also einen sehr sensiblen Roboter mit menschenähnlicher Feinfühligkeit und Geschicklichkeit. Daher bezeichnen wir Franka Production 3 auch nicht als Cobot, sondern als taktilen Roboter. Mit diesem können wir Kräfte ganz präzise steuern und in den Prozess einbringen.
Und der zweite USP?
Pfaff: Der zweite USP ist unsere Software-Plattform, über die wir selbst sowie unsere Partner neue Apps für den Roboter zur Verfügung stellen können. Der dritte, darauf aufbauende USP ist die Möglichkeit eines roboterübergreifenden Machine Learning über die Plattform. Die Roboter produziert übrigens unser strategischer Partner TQ Systems in Durach bei Kempten im Allgäu. Die Produktionsstätte ist zu einem sehr großen Prozentsatz automatisiert: Franka Roboter bauen dort Franka Roboter.
Wie bringen Sie diesen neuen Roboter an den Markt? Wo wollen Sie damit punkten?
Mahler: Wir haben jetzt einen Roboter der nächsten Generation. Mit seiner Taktilität, die dem menschlichen Arm sehr ähnlich ist, kann der Roboter zum Beispiel Zahnräder so sensibel einfügen, wie das ein Mensch machen würde, weil der Roboter die Kräfte eben sehr genau spürt. Dadurch werden vielfältige neue Anwendungen möglich, zum Beispiel in der Montage in der 3C-Industrie. Allein im 3C-Markt gibt es weltweit ein Automatisierungspotenzial von 100 Milliarden Dollar in bislang nicht automatisierbaren Anwendungen, die wir mit unserem taktilen Roboter nun aber adressieren können.
Und außerhalb der 3C-Industrie?
Mahler: Unser zweiter Vorteil ist die einfache Programmierung und Bedienung. Wir ermöglichen damit eine Automation für alle, denn mit unserem Roboter können auch Einsteiger innerhalb weniger Minuten eine industrielle Anwendung aufsetzen – wie auf dem Smartphone über einfach nutzbare Apps. Unser Vorteil ist, dass wir bei den Apps nicht in Roboterfunktionen denken, sondern von der Anwendung und vom Werker her. Bei uns heißen die Funktionen nicht „Fahre von A nach B“ und „Greifer auf/zu“ sondern nach der Aufgabe – Pick& Place zum Beispiel. Und diese Apps sind bei uns in der Architektur schon angelegt. Kunden erhalten vom Start weg bereits ein Paket mit Basic Apps mitgeliefert – beispielsweise für Pick&Place oder PCB-Testing. Für 25 000 Euro erhält der Kunde quasi alles, um sofort loslegen zu können.
Kommen diese Apps auf der Plattform nur von Ihnen oder laden Sie auch Dritte ein?
Mahler: Das Ökosystem wollen wir weiter nach vorn bringen, indem wir die Schnittstellen offenlegen. Hier können Partner andocken und eigene Apps entwickeln, um diese dann über unsere Plattform anzubieten. Auch die Smartphone-Welt profitiert ja davon, dass es ganz viele Apps gibt. Diese Art von Plattform-Ökoystem ist bei uns von Anfang an mitgedacht. Aktuell haben wir im Ökosystem 165 Apps. Diese Zahl wollen wir weiter steigern. Wir gehen davon aus, dass es in den nächsten Jahren weit über 1000 Apps werden.
Sie sprachen vom roboterübergreifenden Lernen auf der Plattform. Was ist das?
Mahler: Den Grundgedanken hat unser Gründer Sami Haddadin mal in einem Experiment verdeutlicht: Dabei haben sich mehrere Roboter (in Garmisch, in Hannover und in München) über Cloud-basiertes Machine Learning innerhalb von Minuten selbst beigebracht, einen Schlüssel in ein Schloss zu stecken und dieses zu öffnen. Dabei haben sie wie ein Kind durch Ausprobieren gelernt. Und wenn etwas einmal gelernt wurde, ist es sofort für jeden anderen Roboter auf der Plattform abrufbar.
Wenn Roboter voneinander lernen, ist das natürlich ein tolles Szenario. Aber dazu müssen die Roboter ja ständig mit der Cloud verbunden sein. Wie kriegt man das hin? Machen die Kunden denn da mit?
Mahler: Das ist gerade im industriellen Feld gewiss ein sehr sensibles Thema. Es ist wichtig, dem Kunden die Wahl zu lassen: Er kann sich auch dafür entscheiden, die Online-Verbindung nach der initialen Installation und dem Download der benötigten Apps wieder zu unterbrechen. Man kann unseren Roboter komplett offline nutzen, ohne dass Daten nach draußen gehen. Aber der Kunde hat auch Vorteile, wenn er seine Roboter online betreibt und Informationen, wie beispielsweise zum Lernen voneinander, zugreifbar sind. Hierdurch bieten sich unter anderem Funktionen für Predictive Maintenance oder für ein Produktivitäts-Monitoring an. Gleichzeitig achten wir darauf, dass die Kunden keine Bedenken haben müssen: Die Daten werden bei uns so verschlüsselt, dass sie für Dritte nicht zugänglich sind.
Wollen Sie künftig vor allem über die Plattform verdienen und die Hardware dazu kostenlos anbieten?
Mahler: Momentan legen wir den größten Fokus darauf, die Nutzbarkeit des Roboters so einfach wie möglich zu gestalten. Deshalb sind die Basic Apps in der Standardausstattung für 25 000 Euro mit enthalten. Aber unser Produkt ist durchaus so positioniert, dass es in der Nutzung vor allem im Paket aus Roboter und Plattform Sinn macht: Mit der Plattform-Anbindung wird auch die Hardware für den Kunden immer vorteilhafter. Wir wollen weiter auf den Ökosystem-Gedanken setzen und diesen konsequent ausbauen. Mit den Apps können sowohl die App-Entwickler als auch wir als Plattformanbieter Geld verdienen. Wir planen keine Strategie, mit der wir unseren Roboter umsonst anbieten.
Franka Emika GmbH
Zu den Personen
Alwin Mahler: Ist seit Dezember 2021 CEO bei Franka Emika. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in den Bereichen Internet, Telekommunikation und Digital Business, unter anderem bei Telefonica und bei Google. Bei Google hat er beispielsweise im Silicon Valley Produkte im Bereich Local Commerce mit aufgebaut.
Patrick Pfaff: Der Informatiker hat in Freiburg im Bereich Autonome Systeme und mobile Roboter promoviert. 2008 hat er als Forscher und Entwickler bei Kuka begonnen und in Augsburg diverse Positionen durchlaufen. Zuletzt hat er als Vice President R&D Mobile Robotics & Platform Tools bei Kuka die Entwicklungsplattformen für mobile Robotik, Programmierung und IOT verantwortet. Seit Dezember 2020 arbeitet er für Franka Emika.
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