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Cybathlon: Faulhaber liefert Antriebstechnik für HSR Enhanced

Hightech für Menschen mit Behinderung auf dem Cybathlon
Faulhaber: Antriebstechnik im Rennfieber

Faulhaber: Antriebstechnik im Rennfieber
Cybathlon-Pilot Florian Hauser in seinem Wettkampf-Rollstuhl, der von einem Ingenieurteam der Hochschuhe Rapperswil ständig weiterentwickelt wird. Bild: Manuel Gutjahr
Beim Cybathlon, einem Wettbewerb den die ETH Zürich ins Leben gerufen hat, messen sich Menschen mit Behinderungen beim Absolvieren alltagsrelevanter Aufgaben mittels modernster technischer Assistenzsysteme. Elektrische Kleinstantriebe übernehmen in den Hightech-Rollstühlen und der darin verbauten Robotik wichtige Funktionen.

Unfall, Krankheit, Krieg oder Alltagsgebrechen, eine Behinderung kann jeden treffen. Deshalb haben Menschen schon seit langem nach Lösungen gesucht, um den Betroffenen das Leben zu erleichtern. Als Vorreiter gelten die Chinesen, die bereits um 1300 v. Chr. eine Art Sessel mit Rollen genutzt haben sollen. Seither haben sich Rollstühle gewaltig weiterentwickelt und sind heute Hightech-Geräte, die kontinuierlich verbessert werden. Der Cybathlon, der seit 2016 alle vier Jahre stattfindet, soll dazu beitragen. Auch zwischen den Veranstaltungen gibt es immer wieder Rennen, meist im Rahmen von Fachmessen.

Mit dem Rollstuhl auf die Rennstrecke

In der Kategorie Wheelchair Race absolvieren Piloten mit einer schweren Gehbehinderung in einem motorisierten Rollstuhl eine definierte Hindernisstrecke. Die einzelnen Stationen enthalten beträchtliche Herausforderungen, z. B. Treppen, Rampen, Slalomstrecken oder ganz allgemein unebenes Terrain. Mit bislang zwei Goldtrophäen ist dies die Paradedisziplin des Teams HSR Enhanced der Hochschule für Technik Rapperswil.

Der Antriebsspezialist Faulhaber ist dabei mit an Bord – mit Hochleistungsmotoren im Rollstuhl sowie als Sponsor des HSR-Teams. „Als 2016 der erste Cybathlon in Zürich ausgerichtet wurde, haben wir ziemlich spät davon erfahren“, so Prof. Dr. Christian Bermes vom Institut für Laborautomation und Mechatronik der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). „Es blieben uns gerade mal zehn Monate, um aus dem Nichts einen wettbewerbsfähigen Rollstuhl zu entwickeln. Aber die Aufgabe war reizvoll, die technische Herausforderung ausgesprochen interessant.“

Gold für das Hochschulteam

Das Hochschulteam, das sich schnell zusammenfand, war von Anfang an hochmotiviert und erfolgreich. Gleich beim ersten Anlauf holte es sich die Goldmedaille beim Cybathlon. Ein Erfolg, den das Team drei Jahre später bei den Cybathlon Wheelchair Series im japanischen Kawasaki bestätigte. Im nächsten Cybathlon, der in der Schweiz stattfinden soll, treten die Rapperswiler in ihrer Disziplin also als Favoriten an. Sie können sich aber nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen: Wie im Motorsport reagiert die Regelsetzung auf den technischen Fortschritt, und die Messlatte wird ständig höher gelegt.

„In Zürich waren nur drei Treppenstufen zu bewältigen“, erinnert sich Prof. Bermes. „In Kawasaki waren es schon sechs. Die Tür durfte dort nicht mehr vom Fahrer selbst, sondern nur von einem Roboterarm geöffnet und nach der Durchfahrt wieder geschlossen werden.“ Die einzelnen Aufgaben enthalten also beträchtliche technische Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Für das Treppensteigen bspw. haben die verschiedenen Teilnehmerteams ganz unterschiedliche Ansätze entwickelt. Einige von ihnen setzen zum Beispiel auf Raupen, die auch die Fortbewegung auf flachem Untergrund bewältigen. HSR Enhanced verwendet dagegen ein hybrides Antriebskonzept mit Raupen für die Treppe und einzeln lenkbaren Rädern, die den Rollstuhl auf ebenem Gelände sehr wendig machen sollen.

Treppensteigen mit Raupen

Für die Treppe gibt es das absenkbare Zusatzmodul „Herkules“ unter dem Fahrgestell, das den Rollstuhl für die Treppe von einem Rad- in ein Raupenfahrzeug verwandelt. Damit der Pilot auch in der Schräglage sicher sitzt, wird der Fahrersitz und damit der Schwerpunkt verschoben. Die Verlagerung hat zudem Einfluss auf die Traktion und das Fahrverhalten, kommt dem Fahrer aber auch in Alltagssituationen entgegen: Ist der Sitz vorn, sind seine Füße unten, und er kann bequem an einen Tisch heranfahren. In der hinteren Position – der Standard für die Fahrt auf ebenem Untergrund – liegen die Beine oben, was die Kombination aus Pilot und Rollstuhl kürzer und kompakter macht.

Motoren von Faulhaber kommen im Treppenmodul, bei der Sitzverstellung und bei der Einzelradlenkung zum Einsatz. Für die Absenkung des „Herkules“ werden zwei leistungsstarke grafitkommutierte Motoren der Baureihe CR verwendet, die das Gesamtgewicht von rund 180 kg von den Rädern auf die Raupen heben. Der gleiche Motortyp verschiebt mit Getriebe und Spindel versehen auch den Sitz. Die DC-Motoren mit Grafitkommutierung sind mit Durchmessern von 38 mm besonders kompakt und leicht. Durch die Konstruktion als Glockenankermotor mit der patentierten, freitragenden Rotorspule mit Schrägwicklung, die um einen ruhenden Magneten rotiert, kann fast der gesamte Motordurchmesser für die elektrische Spulenwicklung genutzt werden. Dadurch erreichen die Motoren im Verhältnis zu ihrer Größe und ihrem Gewicht höhere Leistungen und Drehmomente als konventionelle Ausführungen, so Faulhaber.

Für die Lenkbewegung der Räder sorgen vier bürstenlose Motoren der BXT-Serie mit passendem Getriebe. Sie liefern dank ihrer innovativen Wicklungstechnik und Auslegung ein besonders hohes Drehmoment von 10,2 mNm und das bei nur 14 mm Höhe und 22 mm Durchmesser. Mit einer Drehzahl von bis zu 10 000 U/min können sie die Lenkbewegung praktisch verzögerungsfrei umsetzen. Die standardmäßig integrierten digitalen Hallsensoren sollen für eine sehr präzise Drehzahlregelung sorgen.

Hohe Anforderung an Antriebe

„Die Motoren müssen ziemlich hohe Anforderungen erfüllen“, schildert Bermes. „Im und am Rollstuhl können wir keine klobigen Teile gebrauchen, wir versuchen also die Ausmaße der Module grundsätzlich zu minimieren. Das gleiche gilt natürlich für das Gewicht – jedes Gramm weniger macht das Fahrzeug beweglicher und besser zu handhaben. Außerdem wollen wir keine Akkuleistung verschwenden, weshalb wir Antriebe mit höchstmöglichem Wirkungsgrad brauchen.“

Die Arbeit am Hightech-Rollstuhl ist ein ingenieurwissenschaftliches Projekt. Das Rapperswiler Institut für Laborautomation und Mechatronik beschäftigt sich mit angewandter Forschung. Das Zusammenspiel von Elektronik und Mechanik, von Soft- und Hardware ist dort ein wesentlicher Schwerpunkt. Man arbeitet dabei eng mit Unternehmen sowie dem schweizerischen Forschungs- und Entwicklungsverbund Innosuisse zusammen. Der Wettbewerb ist quasi der Praxis-Härtetest für die entwickelten Technologien. „Insgesamt sind über alle Kategorien rund hundert Teams aus der ganzen Welt beteiligt. Da kommt eine enorme Entwicklungsleistung zusammen, von der Menschen mit Behinderung profitieren“, betont Bermes. „Das komplexe Zusammenspiel der Module lässt sich aber auch auf andere Bereiche übertragen, wie zum Beispiel Automation und Robotik.“

Der Sportsgeist entscheidet

Bei der Vorbereitung auf das jeweils nächste Rennen kommt zum technischen Anspruch noch ein entscheidender Faktor hinzu: Sportsgeist. Teamleiter Bermes selbst bezeichnet sich als sportbegeistert und Florian Hauser, der seit einem Motorradunfall querschnittsgelähmte Pilot des Hightech-Rollstuhls, ist ein ehrgeiziger Sportler, der beim Training und im Rennen alles gibt. Derselbe Geist herrscht im Team aus Bachelor- und Master-Studierenden und Ingenieuren. Sie alle wollen gewinnen. Bermes erklärt: „Es ist wie in der Formel 1: Wir versuchen die technischen Möglichkeiten komplett auszureizen. Zugleich muss das Material sehr robust und zuverlässig sein, damit es den schwierigen Parcours sicher bewältigt und das Rennen durchhält. Während der Fahrt ist es dann aber ausschließlich der Pilot, der die Leistung auf die Strecke bringt. Mit Florian haben wir dafür den perfekten Piloten im Cockpit.“

Bei einem anspruchsvollen Technologiewettstreit wie dem Cybathlon sollen alle Beteiligten an ihren Aufgaben wachsen und versuchen immer wieder Grenzen zu überwinden. Das gilt für die Schweizer Entwickler an der HSR genauso wie für die Ingenieure bei Faulhaber in Schönaich. Dort nutzt man die Synergieeffekte aus den gesammelten Erfahrungen zum Beispiel für Optimierungen und die Entwicklung neuer Produkte in den Applikationsbereichen Human Augmentation und Prothetik. Von diesem Technologietransfer profitieren zuerst Applikationsingenieure und später Menschen mit Behinderungen weltweit. Ob myoelektrische Handprothesen, Arm- und Beinprothetik bis hin zu Exoskeletten und Workbots. Die Liste der Anwendungsbereiche, für die der Antriebsspezialist passende Antriebslösungen liefert, ist lang. „Auch deshalb haben wir uns für die Antriebssysteme aus Schönaich entschieden,“ so Bermes abschließend.

Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG

Daimlerstr. 23/25

D-71101 Schönaich

www.faulhaber.com

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