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Batterieproduktion: Forderungen an die Politik

Wie helfen Robotik und Automation auf dem Weg in die Elektromobilität?
Batterieproduktion: Forderungen an die Politik

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Die Batterieproduktion ist für die Anbieter von Robotik und Automation eine große Chance, aber auch eine Herausforderung. Experten verlangen von der Politik bessere Rahmenbedingungen, gerade mit Blick auf China.

Autor: Markus Strehlitz

Der Trend zur Elektromobilität eröffnet für Robotik und Automation viele neue Möglichkeiten. „Der Transport von Batterien, insbesondere in großen Mengen und über große Entfernungen, stellt nicht nur eine große logistische Herausforderung dar, sondern bedingt auch operative und strategische Risiken“, sagt Dr. Joachim Döhner, der bei Kuka als Senior Director Business Development & Strategy Battery tätig ist und der VDMA-Fachabteilung Batterie-Produktion vorsteht.

Batterien werden also zunehmend dort produziert, wo sie auch gebraucht werden – eben auch in Europa.Und da die Lohnkosten in Europa hoch und Arbeitskräfte nur begrenzt verfügbar sind, gibt es in der Batterieproduktion einen verstärkten Bedarf an Automatisierungslösungen, betont Döhner auf einem von der Automationspraxis organisierten Podium auf dem Automatica Forum 2023. Den großen Automations-Bedarf bestätigt Frank Konrad, Co-CEO der Hahn Automation Group und Vorstandsvorsitzender des VDMA-Fachverbands Robotik + Automation: „Es gibt eine sehr große Nachfrage in allen Transformationsbereichen. Das gilt für die Energieerzeugung, die Speicherung und eben auch für die Antriebstechnik“, so Konrad.

Wir stehen noch am Anfang

„Allerdings stehen wir bei der Elektromobilität gerade am Anfang“, ergänzt Thomas Ernst, CEO der Pia Automation und Vorstand der VDMA-Fachabteilung Integrated Assembly Solutions. „Es wird daher noch unglaublich viele – auch technologische – Veränderungen am Markt geben“. Zumal es gar nicht so einfach ist, die Produktion auf Komponenten für die E-Mobilität umzustellen. So stellt zum Beispiel die Fertigung von Batteriezellen hohe Anforderungen an die eingesetzte Technik. Roboter und Komponenten wie Schläuche oder Stecker müssen auch unter Reinraum- und Trockenraum-Bedingungen funktionieren. Zudem gelten hohe Sicherheitsanforderungen, schließlich arbeitet man im Hochvolt-Bereich.

Das Verständnis für die Prozesse ist daher entscheidend. Doch nicht alle Firmen, die nun in der Batterieproduktion mitmischen wollen, haben Erfahrungen mit den besonderen Herausforderungen. „Wir merken, dass sich Kunden extrem schwertun, die nicht aus diesem Bereich kommen“, berichtet Ernst. Die Automatisierer seien daher noch stärker als sonst als Berater gefordert. „Wir werden bereits in die Entwicklung der Produkte eingebunden. Dann können wir unser Know-how einbringen, damit Produkte so designt werden, dass sie anschließend auch kostengünstig herzustellen sind.“

Innovationszyklen wie Smartphones

Viele Unternehmen aus dem Automotive-Umfeld hätten erwartet, vielleicht gehofft, dass die Verdrängung des Verbrenners durch die Elektromobilität deutlich langsamer vor sich geht, so Döhner. „Da das aber nicht der Fall ist, suchen sie nun Partnerunternehmen wie Kuka, die ihnen in das Thema hineinhelfen.“ Doch man dürfe die Herausforderungen nicht unterschätzen. „Man stellt sich vieles aus der Entfernung manchmal ein bisschen einfach vor. Doch diejenigen, die das zu blauäugig angehen, werden scheitern.“

Zu diesen Herausforderungen zählt auch, dass die Innovationszyklen in der Elektromobilität andere sind als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. „Ich sage es mal etwas flapsig: Ein Elektroauto wird immer mehr zu einem Consumer-Elektronik-Produkt mit vier Rädern“, so Döhner. Die Zeiträume, in denen man denken müsse, seien eher mit denen bei einem Smartphone zu vergleichen.

Das stellt auch Herausforderungen an die Planung der Produktionsanlage: „Ich habe noch kein Projekt erlebt, bei dem schließlich genau das produziert wurde, was bei der Beauftragung der Stand der Dinge war.“ Damit umzugehen, ist laut Döhner nicht einfach. Der Aufwand, mitten in der Projektumsetzung noch größere Änderungen einzubringen, sei nicht zu unterschätzen. Das hat auch Auswirkungen auf die Anbieter der Automatisierungstechnik. „Wir müssen sehr agil arbeiten“, erklärt Ernst. „Das Skill-Set unserer Mitarbeiter ist stark gefordert.“

Große Konkurrenz aus China

Maschinenbauer und Automations-Spezialisten müssen aber nicht nur agil sein, sondern auch eine gewisse Größe mitbringen, um bei Projekten in der Elektromobilität mithalten zu können. „Bei Linien in der Batterieproduktion sprechen wir schnell mal von 50 oder 60 Millionen“, so Ernst. Um solche großen Projekte zu stemmen, müssten sich Unternehmen zusammenschließen. In einem Strategiepapier empfiehlt der VDMA-Fachverband Robotik und Automation daher die Bildung von Konsortien, um innovative Anwendungen in der Batterieproduktion voranzutreiben.

Gerade in Europa werden aber solche Konsortien oft hinterfragt – was Konrad für falsch hält. Zumal die Maschinenbau-Konkurrenten aus Asien ganz anders aufgestellt sind. „Wir sprechen hier von Wettbewerbern, die deutlich mehr als 10.000 Mitarbeiter haben, und Projekte im dreistelligen Millionenbereich in weniger als einem Jahr umsetzen können“, sagt Konrad. In Deutschland sehe er keinen Automatisierer, der dazu in der Lage sei.

Die Anbieter aus China seien aber schließlich auch nicht von heute auf morgen so groß geworden, sondern seien gefördert worden. Daher fordert Konrad von der Politik, die kritische Haltung gegenüber Konsortien zu überdenken. Wettbewerber müssten das Thema zusammen angehen.

Berlin muss sich Gedanken machen

Dabei sind nicht nur die unterschiedlichen Größenordnungen ein Problem. Die chinesischen Anbieter können auch unter besseren Rahmenbedingungen agieren. In seinen Handlungsempfehlungen im Strategiepapier fordert der VDMA-Fachverband Robotik und Automation daher, dass diese auch hierzulande optimiert werden.

Dabei geht es unter anderem um Investitionsanreize für die Anwender sowie günstigere Finanzierungskonditionen und besseren Zugang zu Wagniskapital für die Anbieter von Roboter- und Automatisierungstechnologie. Zudem fordert der VDMA eine Verdoppelung der Studienplätze in diesen Fachdisziplinen und die Einführung eines Schulfachs Technik.

„Man muss sich in Berlin Gedanken machen“, sagt Konrad. „Wir sind zwar in der Elektromobilität schon an ganz vielen Themen dran und leisten Entwicklungsarbeit. Aber wir müssen aufpassen, dass es nicht wieder, wie bei der Photovoltaikindustrie dazu kommt, dass wir in Deutschland die Grundlagentechnologie entwickeln und dann beim Skalieren nicht dabei sind.“ Man wolle keinen Protektionismus, ergänzt Döhner. Aber es müssten alle nach den gleichen Spielregeln spielen. Dabei richtet er den Blick nicht nur nach Asien, sondern auch in die USA. Dort greife der Inflation Reduction Act in den Markt ein.

Hürden abbauen

Döhner kritisiert auch die bürokratischen Hürden und das langsame Tempo hierzulande. „Wenn bei uns ein Förderantrag für ein Entwicklungsprojekt eine Bearbeitungszeit hat, in der in anderen Teilen der Welt komplette Fabriken gebaut werden, wird uns das nicht viel dabei helfen einen Vorsprung aufzuholen.“

Ernst wünscht sich in diesem Zusammenhang auch mehr Flexibilität beim Thema Arbeitszeit, die aktuellen Vorgaben seien zu starr. „Zurzeit sprechen wir von zehn Stunden pro Tag. Aber eine flexible Wochenarbeitszeit wäre besser.“ Viele Mitarbeiter hätten kein Problem damit, auch mal zehn oder zwölf Stunden an einem Tag zu arbeiten und dafür zum Beispiel den Freitag zu Hause sein zu können. Die gesetzlichen Vorgaben entsprechend zu ändern, würde Anbietern wie Pia helfen, im Projektgeschäft agiler zu handeln und damit wettbewerbsfähiger zu sein.

Recycling bietet Chancen

Die Politik könnte aber auch beim Thema Recycling aktiv werden, so die Experten. Denn die aktuellen Batteriekonzepte sind noch nicht darauf ausgelegt, dass sich die Komponenten einfach demontieren lassen, um die Materialien wiederzuverwerten. Es gäbe zwar Möglichkeiten, die Konzepte zu ändern, um das Recycling besser zu unterstützen. Doch diese sind auch mit mehr Kosten verbunden. Und im Markt herrscht derzeit ein harter Preiskampf. Ernst könnte sich daher vorstellen, dass von Seiten der Politik Vorgaben gemacht werden, um die Recycling-Fähigkeit zu verbessern.

Hahn-Co-CEO Konrad hält das Recycling von Batterien ebenfalls für eine Chance. „Wir investieren relativ viel in Forschungsprojekte zu diesem Thema.“ In diesen geht es laut Konrad unter anderem um die Frage, wie die künftige Batteriemontage aussehen muss, um einen höheren Recyclinggrad zu erzielen. Aber nicht nur in der Montage, sondern eben auch beim Recycling von Batterien können Robotik und Automation eine wichtige Rolle spielen. „Das ist ein großer Markt, aber wir stehen hier noch am Anfang“, sagt Ernst. „In China ist das momentan fast gar kein Thema. Daher haben wir als Europäer dort eine sehr gute Möglichkeit, uns abzuheben.“

Fazit: Viele können profitieren

Trotz aller Forderungen nach besseren Rahmenbedingungen gehen die Experten daher davon aus, dass viele Technikanbieter vom wachsenden Markt rund um Elektromobilität und Batterieproduktion profitieren können. „Wird jeder in der Batterieproduktion mitmischen können? Ich glaube nicht“, so Konrads rhetorische Frage. „Aber es werden sehr viele Nischen entstehen, in die auch kleinere Firmen eindringen können.“

PS: Die Debatte im Video

Wie helfen Robotik und Automation auf dem Weg in die Elektromobilität? Wer sich die Podiumsdiskussion auf dem Automatica Forum 2023 in voller Länge anschauen möchte, findet hier das dazugehörige Video

 


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