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Philip Harting führt Harting zu Globalisierung und Digitalisierung

Verbindungstechnikspezialist Harting: Von Espelkamp in die Welt
Philip Harting führt Harting zu Globalisierung und Digitalisierung

Firmen im Artikel
75 Jahre wird der Connectivity-Spezialist Harting dieses Jahr. Mit Philip Harting steht mittlerweile die dritte Generation am Ruder und steuert die Familienfirma in Richtung Weltunternehmen und Digitalisierung.

Autor: Armin Barnitzke

Dass er eines Tages in den elterlichen Betrieb eintreten werde, sei ihm schon frühzeitig klar gewesen, erzählt Philip Harting. „Schon als Kind habe ich zwischen den Maschinen gespielt, im jugendlichen Alter in alle Abteilungen reingeschaut und die Gespräche meiner Großeltern und Eltern beim Mittagstisch waren immer spannend für mich.“

Nach dem Abitur machte der Enkel des Firmengründers eine Ausbildung zum Industrieelektroniker und absolvierte danach ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens, Fachrichtung Elektrotechnik, in Braunschweig und der Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Köln. 2005 begann der Diplom-Kaufmann Philip Harting als Managing Director Asia in Hongkong für das Familienunternehmen und wechselte dann Anfang 2008 als Vorstand Connectivity & Networks in die Zentrale im ostwestfälischen Espelkamp. Seit Oktober 2015 steht mit dem inzwischen 45-Jährigen die dritte Generation an der Spitze der Harting Technologiegruppe.

Gegründet wurde die Firma 1945 im benachbarten Minden von Philip Hartings Großvater Wilhelm Harting. Zunächst konzentrierte sich der Betrieb in einer kleinen Halle auf die Herstellung häuslicher Gebrauchsgüter wie Kochplatten, Tauchsieder, Waffel- und Bügeleisen. Später baute Harting auch Musikboxen, Plattenspieler, Tonband- und Medizingeräte und brachte den ersten elektrischen Zigarettenautomaten auf den Markt.

Inbegriff der Industriestecker

Zum großen Erfolgsmodell aber wurde der Steckverbinder Han („Harting Norm“), den Wilhelm Harting 1956 zum Patent anmeldete. Das Know-how dafür hatte er aus Berlin mitgebracht, war dort als Produktionsleiter in einem Industriebetrieb für den Staf („Steckverbinder, außen Flachkontakte“) verantwortlich. Dieser Han wird in der Folge zum weltweiten Symbol für Rechteck-Industriesteckverbinder und quasi zum Inbegriff der Industriestecker – und damit auch zur Erfolgsgeschichte des ostwestfälischen Mittelständlers. Inzwischen ist Harting ein Global Player und Wegbereiter der Industrie 4.0. „Wir haben uns vom reinen Komponentenhersteller zum System- und Komplettlösungsanbieter entwickelt und sind mit unserem globalen Netzwerk aus Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsgesellschaften bestens aufgestellt“, sagt der heutige Vorstandsvorsitzende Philip Harting.

1979 wurde dazu mit der Entscheidung zur Internationalisierung eine wichtige strategische Weichenstellung vollzogen. Mit Tochtergesellschaften und 14 Produktionsstätten ist Harting heute in 44 Ländern vertreten. „So sind wir nah beim Kunden, kennen seine Bedürfnisse, produzieren vor Ort und haben die jeweiligen Märkte, Trends und Entwicklungen im Fokus“, betont Philip Harting, den seine Asien-Erfahrungen stark geprägt haben. „Dort kann man das Tempo und die Dynamik vieler Entwicklungen am besten beobachten und was das für uns bedeuten kann.“

Digitalisierung im eigenen Haus

Technologisch konzentriert sich Harting auf Zukunftsmärkte wie Automation, Transportation, Robotik, Energieerzeugung, Ladeequipment für die E-Mobility, Verkehrs- und Produktionstechnik und wachstumsstarke Regionen vor allem in Asien und Amerika. „Denn wir wollen ein Weltunternehmen werden“, so der Vorstandsvorsitzende. In wenigen Jahren soll die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro erreicht werden. Zuletzt erzielten rund 5300 Mitarbeitende einen Umsatz von 750 Mio. Euro. Mittlerweile rund 70 % des Umsatzes erwirtschaften die Espelkamper inzwischen im Ausland.

Als CEO stellt sich Philip Harting immer wieder die Frage, wie und in welche Richtung sich die Anwenderbranchen entwickeln, was der Kunde morgen und übermorgen braucht. Insbesondere den Veränderungen im Zuge der Digitalisierung stellt sich die Technologiegruppe proaktiv. So digitalisiert Harting im eigenen Unternehmen Prozesse und Strukturen, wo immer es sinnvoll und notwendig ist. Philip Harting: „Von der Digitalisierung im eigenen Haus lernen wir, wie Unternehmen die Zukunft bewältigen und mit welchen Produkten und Lösungen wir sie dabei unterstützen können.“

Chef geht als Vorbild voran

Da die Digitalisierung aber auch von den Beschäftigten ein hohes Maß an Flexibilität, Lern- und Veränderungsbereitschaft erfordert, werden die Mitarbeitenden für die Veränderungen und die kontinuierlichen Transformationsprozesse fortlaufend geschult und so fit gemacht für die technologischen, arbeitsplatz- und kompetenzbezogenen Herausforderungen. Dabei geht der Chef mit gutem Beispiel voran: „Führung ist für mich keine Worthülse. Ich muss als Vorbild vorangehen und diese Führung jeden Tag aufs Neue leben.“

Um die Implementierung von Smart Manufacturing aktiv mitzugestalten, arbeitet Harting an Smart-Connectivity-Lösungen, kundenspezifischen Adaptionen sowie Schnittstellenstandards. Für die Steckverbinder-Pioniere ist es klar, dass die Connectivity noch deutlich smarter werden wird, denn Sensordaten müssen schon in der Peripherie der Maschine verarbeitet werden. Daher gibt es bereits smarte Han Produkte, die Daten speichern (z. B. Han ID Modul) oder Maschinen schützen (z. B. Han-Modular SP Module).

Ein gutes Beispiel ist nicht zuletzt die 2016 auf der Hannover Messe mit dem Hermes Award ausgezeichnete, modular aufgebaute MICA (Modular Industry Computing Architecture), mit der sich Digitalisierungsprojekte direkt an Anlagen und Maschinen schnell und einfach realisieren lassen. Inzwischen gibt es bereits zahlreiche Kunden, die MICA einsetzen für Condition Monitoring und Smart Maintenance. Zur MICA gehört auch – passend zum Ecosystem-Gedanken der Plattformökonomie – ein Partnernetzwerk für vorkonfigurierte Lösungspakete. Zudem können sich Anwender, Lösungsanbieter und Entwickler im MICA.network austauschen, vernetzen und gemeinsam erfolgreiche Geschäftsmodelle entwickeln.

Partnerschaften statt Zukäufe

Ohnehin sind Partnerschaften für Philip Harting ein ganz zentrales Element. „Innovationen sind der Schlüssel zum Erfolg. Aber keiner kann alles, jeder bringt seine eigenen Kompetenzen ein. Durch Forschungspartnerschaften und Zusammenarbeit erreichen wir einen Mehrwert für unsere Kunden.“ Partnering und Kooperationen passten im Übrigen besser zu Harting als die Übernahme von Start-ups. „Zukäufe stehen nicht auf unserer Agenda, denn deren Integration kostet viel Zeit und Geld“, so der Vorstandsvorsitzende.

Die Sicherung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit hat für das Familienunternehmen oberste Priorität. Denn als Familienunternehmen könne man die Strategie langfristig ausrichten. Bereits 2018 wurde daher die Rechtsform in Harting Stiftung & Co. KG geändert, damit auch bei künftigen Generationswechseln mit einem stetig größeren Gesellschafterkreis eine enge Verbindung zwischen Unternehmen und Familie gewährleistet und der Fortbestand der gemeinsamen unternehmerischen Aktivitäten auf Dauer gesichert ist.

„Die Firma ist unsere Diva“

Derzeit ist die Verbindung der Familie zur Firma Harting aber nach wie vor sehr eng. Oder wie es die Senior-Chefin Margrit Harting ausdrückt: „Die Firma ist das wichtigste Familienmitglied, sie ist unsere Diva.“ Und so gehören neben Philip Harting auch seine Schwester Maresa Harting-Hertz (Vorstand Finanzen und Einkauf) und die Mutter Margrit Harting dem sechsköpfigen Vorstand an. In diesem sitzt neben drei familienfremden Managern auch noch Dietmar Harting (80), der sich (nach dem Rückzug aus dem operativen Geschäft und der Übergabe des Vorstandsvorsitzes an seinen Sohn) vor allem dem Thema neue Technologien widmet.

Der 2015 vollzogene Generationswechsel war das Ergebnis eines klar aufgesetzten, strukturierten Prozesses. „Alle Entscheidungen werden gemeinsam im Vorstand vorbereitet und getragen. In der Familie wird diskutiert, bis eine gemeinsame Lösung gefunden ist. Wir sind alle Alpha-Tiere, haben unsere eigene Persönlichkeit, aber kein Ego-Problem“, hebt Philip Harting hervor und ergänzt: „Meine Schwester könnte das Unternehmen genauso gut führen wie ich, aber sie hat sich für den Bereich Finanzen und Einkauf entschieden. Der Verantwortung für das beeindruckende Lebenswerk unserer Großeltern und Eltern sind wir beiden uns immer bewusst.“

Behutsames Heranführen

Und die nächste Generation steht am Horizont schon bereit, um das Lebenswerk weiterzuführen: Philip Harting ist fünffacher Vater, seine Schwester hat drei Kinder. Ob, wann und wer von den Kindern eines Tages in dem Familienunternehmen tätig sein wird, werde aber die Zukunft zeigen, so Philip Harting. Dafür gebe es keinen strategischen Plan. Zwei- bis dreimal im Jahr werden bei den Hartings allerdings Familiennachmittage veranstaltet, bei denen man den Kindern die Abteilungen und Bereiche des Unternehmens zeigt. So lernen sie schrittweise, was die Firma produziert und wie sie funktioniert.

Wichtig ist Philip Harting aber vor allem, dass die Kinder ihre eigenen Neigungen und Talente entdecken. Dabei werden sie gefördert und unterstützt. „So haben es meine Eltern auch bei meiner Schwester und mir vorbildlich – und mit Erfolg – praktiziert“, so der CEO. „Für eine unternehmerische Arbeit sind neben der nötigen fachlichen Qualifikation nicht zuletzt Leidenschaft und Begeisterung unabdingbar.“

Harting Stiftung & Co. KG

www.harting.com


Ein Herz für den Handball

In Minden, dem Ursprungsort des Unternehmens, ist Harting seit Jahren Sponsor und Gesellschafter des Handball-Bundesligisten GWD Minden und Hauptsponsor des GWD-Hauptvereins . Der Handballsport hat Tradition bei den Hartings. „Denn unser Herz schlägt für diese Sportart“, sagt Philip Harting. Schon der Großvater Wilhelm Harting hat Fahrzeug und Chauffeur für die Fahrten der GWD-Handballer zu den Auswärtsspielen zur Verfügung gestellt. Dietmar Harting hat dann später in Espelkamp in jungen Jahren aktiv den Handballsport betrieben.

Kein Wunder: Ostwestfalen-Lippe ist mit drei Traditionsvereinen eine Hochburg des deutschen Handballsports. Für Harting ist der Handball also eine prima Plattform für das Standortmarketing und das Nachwuchs-Recruiting. Aber auch über die Region hinaus nutzt Harting den Sport als Marketinginstrument: 2018 wurde das Handball-begeisterte Unternehmen Premier-Partner des Deutschen Handball-Bundes und der Männer-Nationalmannschaft und Förderer der Jugend-Nationalmannschaften.


Engagiert im ZVEI und BDI – Dietmar Harting wurde vielfach ausgezeichnet

Fast fünf Jahrzehnte stand Dietmar Harting an der Spitze der 1945 von seinen Eltern gegründeten Firma und schmiedete aus dem kleinen Mindener Mittelständler einen weltweit agierenden Technologiekonzern.

Dabei schlug das Herz des gebürtigen Berliners anfänglich gar nicht für Wirtschaft und Technik. Geschichte und Archäologie faszinierten den ältesten Sohn von Wilhelm und Marie Harting weit mehr. Doch der Vater Wilhelm Harting durchkreuzte alle Pläne. Dietmar Harting musste sich zunächst für Elektrotechnik entscheiden, beendete sein Studium dann aber als Diplom-Kaufmann, nachdem sich sein zwei Jahre jüngerer Bruder Jürgen in Richtung Technik orientiert hatte. 1967, fünf Jahre nach dem frühen Tod des Firmengründers, trat der damals 27-Jährige in das Familienunternehmen ein.

Weit über die Grenzen der Region hinaus wurde Dietmar Harting bekannt als Präsident bundesdeutscher und internationaler Organisationen und Gremien. 1998 rückte er als erster Mittelständler an die Spitze des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Nach dem Abschied 2004 ernannte ihn der ZVEI zum Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit. Im selben Jahr wurde Dietmar Harting Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und leitete von 2003 bis 2009 das Deutsche Institut für Normung (DIN), das ihm für seine Arbeit mit dem DIN-Ehrenring dankte. Auf internationaler Ebene führte „Mr. Normung“ (so der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen) u. a. die European Electronic Component Manufacturers Association (EECA) und das Comité Européen de Normalisation Electrotechnique (CENELEC).

Für sein herausragendes Engagement als Unternehmer, Förderer von Wissenschaft und Technik, in Verbänden und Organisationen wurde Dietmar Harting vielfach ausgezeichnet, etwa mit der Ehrendoktorwürde der Leibniz Universität Hannover. Zudem wurde dem Ehepaar Dietmar und Margrit Harting die Ehrenbürgerwürde der Stadt Espelkamp und das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Nach dem Rückzug aus der operativen Unternehmensführung widmet sich Dietmar Harting auf seinem Hof im benachbarten Uchte mit Leidenschaft der nachhaltigen Landwirtschaft und regenerativen Energiegewinnung.

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