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Wie kam Igus zur Low-Cost-Robotik?
Mühlens: Nun, wir waren ja mit unseren Energieketten, Leitungen oder auch Linearführungen schon immer in der Robotik aktiv. Aber im Laufe der Zeit wurden von den Kunden nicht nur Einzelkomponenten nachgefragt, sondern auch komplette Low-Cost-Kinematiken. Gesagt, getan – und wir haben uns daran gemacht, komplette Roboter zu bauen – anfangs Linearroboter. Unser Fokus lag von Beginn an darauf, günstige und verlässliche Robotik zu bauen, die wir dann auch in unserer Produktion einsetzen können. Denn Roboter aus tribologisch optimierten Kunststoffen sind leicht und benötigen keine Schmiermittel. Gerade wenn keine hohen Lasten oder besondere Präzision gefordert ist, bieten sie die Chance zu einer kostensparenden Automatisierung: vom Pick&Place von Lebensmitteln über das Kleben von Bauteilen im Maschinenbau bis zum Greifen von Obst und Gemüse auf dem Feld.
Einen Roboter komplett aus Kunststoff zu bauen, ist aber technisch bestimmt eine große Herausforderung…?
Mühlens: Das stimmt. Daher sind wir schrittweise vorgegangen und haben zunächst Getriebe auf Kunststoffbasis entwickelt. Diese Kunststoff-Getriebe haben wir dann zum Beispiel Roboterherstellern und Maschinenbauern vorgestellt und erste Kunden haben sie dann eingesetzt. Kunden sprachen uns schließlich auf gesamte Roboter aus diesen Getrieben mit Steuerungen und Leistungselektronik an. Das ist auf sehr große Resonanz gestoßen. Und so haben wir das Portfolio dann Stück für Stück erweitert.
Was gehört inzwischen alles zum Low-Cost-Robotik-Portfolio bei Igus?
Mühlens: Wir sind Vollsortimenter bei Traglasten bis fünf Kilogramm. Unser Portfolio reicht von einzelnen Linearachsen, die man zu Mehrachs-Systemen kombinieren kann, über Portal-Roboter bis zu Delta-, Scara- oder Knickarm-Robotern. Zudem haben wir spezielle Kinematiken, etwa im Agrarbereich, um Erdbeeren zu pflücken oder im Medizinbereich für Blutanalysen – denn wir entwickeln auf Kundenwunsch gerne auch Sonderlösungen und das schon ab Stückzahl 1.
Ein echter Hingucker ist ja das neueste Familienmitglied, der kostengünstige Cobot Rebel. Ist der Rebel auch der Bestseller?
Mühlens: Der Rebel ist definitiv unser Markenbotschafter, unser Aushängeschild für kostengünstige Robotik aus Köln. Denn viele Menschen denken bei Robotern in erster Linie an Cobots bzw. Leichtbauroboter. Der Rebel ist letztes Jahr vierstellig eingesetzt worden, das ist fürs erste Jahr ein sehr guter Start. Aber ja: Von den im letzten Jahr knapp 15.000 verkauften Robotern entfällt aber das Gros auf Delta-Roboter oder Portal-Roboter.
Wie viele Varianten gibt es vom Rebel?
Mühlens: Es gibt den Rebel als Sechs-, als Fünf- und als Vierachser. Der Sechsachser trägt maximal 2 kg, der Vierachser kann bis zu 4 kg heben. Und dann gibt es noch den kleineren Rebel KID ebenfalls als Sechs-, als Fünf- und als Vierachser. Preislich startet der Rebel bei 2100 Euro mit Steuerung und endet in der maximalen Ausbaustufe bei 4790 Euro ohne zusätzlich anfallende Kosten.
Wo kommt der Rebel zum Einsatz?
Mühlens: Aktuell sind das hauptsächlich Industrie-Anwendungen, zum Beispiel Pick&Place, Teileeinlegen in Spritzgussmaschinen oder die Kameraführung bei der Qualitätskontrolle. Wir haben aber auch viele Anwendungen in der Landwirtschaft, in Restaurants oder im Bereich Bildung und Universitäten.
Soll der Rebel noch günstiger werden? Igus Chef Frank Blase hat ja den 1000-Euro-Roboter als Ziel ausgegeben. Ist das realistisch?
Mühlens: Ja, wir wollen den Rebel nochmal günstiger machen. Aktuell haben wir zwei, drei Bauteile aus Aluminium, die wir durch Kunststoff ersetzen wollen. Dafür testen wir verschiedene Materialmischungen, damit die Kunststoffe die Wärme im Roboter besser abtransportieren. Wenn wir die Metallteile durch Kunststoff ersetzen können, wird der Roboter weitere 1000 Euro günstiger. Damit kommen wir der 1000-Euro-Marke ein weiteres Stückchen näher. Denn der 1000-Euro-Roboter ist ein großes Entwicklungsziel für uns, weil dieser Preis zusätzliche Märkte erschließt.
Wir haben jetzt viel über die Robotik-Hardware gesprochen, die Softwareseite ist allerdings die andere Seite der Medaille. Wie ist Igus hier aufgestellt?
Mühlens: Auch hier stand das Entwicklungsziel ganz oben: Unsere Roboter sollen nicht nur kostengünstig, sondern auch besonders leicht zu bedienen sein. Um unsere Idee von einfacher Usability umzusetzen, haben wir uns bei der Igus Robot Control an vertrauten Office-Programmen orientiert. Das Speichern von Dateien funktioniert ähnlich, wir haben die Tastenkombinationen angeglichen und der Editor zum Programmieren sieht aus wie bei gängiger Tabellenkalkulationssoftware. Herzstück der Software ist ein digitaler Zwilling. Anwender können am 3D-Modell mit wenigen Klicks Bewegungsbahnen festlegen, die der echte Roboter schließlich ausführt. Die Igus Robot Control ist übrigens kostenfrei für jeden zugänglich und bietet dem Kunden die Möglichkeit, sich vor dem Kauf von der Realisierbarkeit seiner Anwendung zu überzeugen.
Eine weitere App ist die AnyApp. Was hat es damit auf sich?
Mühlens: Mit der AnyApp können wir aus einer Oberfläche heraus nicht nur unsere eigenen Roboter, sondern auch Roboter anderer Hersteller ansteuern. AnyApp eignet sich besonders für Unternehmen, die Roboter verschiedener Hersteller kombinieren, sich aber nicht in mehrere Steuerungssoftware einarbeiten wollen. Natürlich ersetzen wir damit keine Highend-Robotersteuerung. Die Idee ist es, für einfache Anwendungen eine Roboter-Steuerungssoftware anzubieten, die für alle Größen und vor allem herstellerübergreifend funktioniert. Dann ist nur ein Erlernen von Software notwendig.
Im Bereich der Softwareentwicklung tut sich aktuell viel bei Igus…
Mühlens: Das stimmt, ein weiteres Beispiel ist der Machine Planner. Mit unserem Marktplatz RBTX beraten wir ja Kunden und gestalten gemeinsam komplette Low-Cost-Robotik-Applikationen. Hier ist der Wunsch nach einem Tool entstanden, mit dem sich die Angebote auf dem RBTX-Marktplatz einfach zu einer Gesamtlösung verknüpfen lassen. Mit dem Machine Planner auf RBTX kann man ohne CAD- und Konstruktionskenntnisse eine komplette Maschine erstellen, von der Robotik über Förderbänder bis hin zu Greifern und Safety-Systemen. In Echtzeit kalkuliert das Tool zudem Preis und Lieferzeit. Bei einer Bestellung erhält man dann eine Montageanleitung und die Bauteile zum Selbstaufbau mit einer CE-Erklärung oder bei Auswahl des Montageservices alles direkt aufgebaut. Wir wollen damit viele 12.000-Euro-Komplettlösungen entstehen lassen – von der Klebezelle bis hin zur Palettierung.
Apropos RBTX: Wie viele Projekte haben Sie schon begleitet?
Mühlens: Wir haben 3000 Projekte beraten. Über 500 Anwendungen davon lassen sich bei RBTX anschauen und nachbauen. Aktuell verdoppeln wir unsere Projekte von Jahr zu Jahr, weil Kunden verstärkt nach kompletten Lösungen suchen und nicht dem einzelnen Roboter. Aktuell haben wir in Deutschland rund 35 Beratungstermine pro Woche, weltweit sind es circa 100.
Und wer setzt die Anwendungen dann um?
Mühlens: Zum einen können die Kunden die Applikation – mit unserer Unterstützung – im Do-it-yourself selbst aufbauen. Das ist dann immer die kostengünstigste Variante. Zum anderen haben wir inzwischen über 250 Integratoren als Partner. Diese Integratoren können wir mit ihrem Know-how zu Festpreisen anbieten, beispielsweise für Inbetriebnahmen oder Kameraintegrationen direkt vor Ort. Dann kann der Nutzer nicht nur für wenige tausend Euro die Komponenten für seine Roboterlösung bei uns kaufen, sondern zum Pauschalpreis auch Integration und Installation bestellen. Der Vorteil: Er bekommt seine Lösung zum Festpreis und hat nur einen Ansprechpartner.
Soll der RBTX-Online-Marktplatz weiter wachsen?
Mühlens: Auf unserem RBTX-Marktplatz haben wir inzwischen über 120 Partner, Tendenz steigend. Inzwischen können wir das Komponentensortiment auf die vielen Anfragen anpassen und Hersteller entwickeln exklusive neue erschwingliche Produkte für den Marktplatz. RBTX hat zusätzlich einige eigene speziell erschwingliche Produkte gerade im Förderer-Bereich, beispielsweise Wendeltopfförderer oder Stufenförderer. Da die Anfragen nach mobiler Robotik zunehmen gibt es auch eine neue Kategorie mit AGVs. Zudem wächst die Zahl der fertigen Komplettlösungen. Pro Woche kommen rund zehn neue Lösungen auf die RBTX-Plattform.
Gibt es Pläne bei Igus, die hauseigene Low Cost Automation vom herstellerübergreifenden Marktplatz RBTX zu trennen?
Mühlens: Etwa die Hälfte der auf RBTX verkauften Produkte sind bereits Non-Igus-Produkte. Und der Trend geht klar in Richtung Fremdprodukte. Die kostengünstigste Möglichkeit, die funktioniert, ist die richtige für den Anwender, egal von welchem Hersteller. Wir als Marktplatz sind herstellerunabhängig. Allerdings profitieren wir sehr von der Igus-Infrastruktur und den Synergien, weil wir beispielsweise auch bei Igus Automatisierungsprojekte beraten und umsetzen. Die daraus gelernten Anwendungen kommen dann wieder der RBTX-Community zugute.
Igus GmbH
Übrigens: Wer die Low-Cost-Robotik von Igus und Alexander Mühlens persönlich erleben will, hat am 20. Juni 2024 auf dem Konradin RobotX Forum #KROX die Gelegenheit dazu:
https://automationspraxis.industrie.de/krox/
RBTX live bei #KROX
Die Low Cost Robotik von Igus und Alexander Mühlens persönlich live erleben, kann man auch auf dem Konradin RobotX Forum #KROX, das am 20. Juni 2024 Premiere feiert. Zudem sind über 20 weitere Partnern rund um die Robotik mit dabei: von Fanuc und Kuka bis Agile Robots und Neura Robotics. Weitere Details: https://automationspraxis.industrie.de/krox/
Igus: Zwei Standbeine der Low Cost Automation
- Mit dem Geschäftsbereich Low Cost Automation LCA baut Igus eigene Roboter auf Kunststoffbasis: Von Linearachsen über Portal-Roboter bis zu Delta-Robotern, Scara-Robotern oder Knickarm-Robotern. Jüngstes Familienmitglied ist der Cobot Rebel, der für unter 5.000 Euro inklusive Steuerung erhältlich ist.
- Mit der RBTX-Plattform betreibt zudem Igus einen Online-Marktplatz, auf dem man neben eigenen LCA-Robotern auch Roboter und Zubehör (etwa Greifer, Kameras und Sensoren) von über 120 Drittherstellern kaufen kann – mit garantierter Kompatibilität. RBTX ist aber nicht nur ein Online-Marktplatz à la Amazon, sondern bietet auch eine kostenlose Video-Beratung durch die RBTXperten inklusive Test-before-Invest-Service. Die Automationspraxis unterstützt RBTX als Medienpartner.
Kostengünstige Hand für den Cobot Rebel
„Da der Low-Cost-Cobot Rebel mit seinen rund 8 Kilogramm Eigengewicht und einem Preis ab 3.970 Euro sehr leicht und erschwinglich ist, wird er viel in humanoiden Anwendungen eingesetzt. Aus diesem Grund erreichten uns einige Kundenanfragen nach einer Roboterhand, die sich einfach per Plug-and-Play mit dem Rebel verbinden lässt“, erklärt Alexander Mühlens.
Daher hat Igus jetzt einen besonders kostengünstigen Rebel Fingergreifer entwickelt, der schon für 1.840 Euro erhältlich ist. Die humanoide Hand ist kompatibel mit allen Rebel Modellen. Die Besonderheit des Fingergreifers liegt darin, dass er menschliche Handbewegungen nachahmen kann.
„Der Rebel kann mit der neuen Low Cost-Hand eine breite Palette von einfachen humanoiden Aufgaben und Anwendungen übernehmen. Wir denken da an den Bereich der Forschung und Entwicklung an Hochschulen, aber auch Aufgaben in der Gastronomie oder in der Unterhaltungsbranche sind denkbar“, so Alexander Mühlens.
Alle Komponenten, einschließlich Flansch, Leitungen und Ansteuerung kommen direkt von Igus aus Köln. So erhält der Kunde eine 100 Prozent kompatible Lösung. Für den niedrigen Preis sorgen die schmierfreien Hochleistungskunststoffe. Die Gleitlager in den Gelenken aus Iglidur Polymeren sind nicht nur kostengünstig und schmierfrei, sondern ermöglichen auch reibungslose und präzise Bewegungen der einzelnen Finger.
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