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„Geh heim, kaufe eine Firma und werde selbständig“

Robotecs Nick Koch: Von der Kindheit auf dem Bauernhof zur erfolgreichen Robotikschmiede
„Geh heim, kaufe eine Firma und werde selbständig“

Nick Koch war gerade 32 Jahre alt, als er in Schaffhausen die Robotec Solutions als 2-Mann-Unternehmen kaufte: Da war er längst mit dem Robotikvirus infiziert. Heute ist der smarte Schweizer mit seinen intelligenten Robotiklösungen weltweit aktiv – sogar in China.

Autor: Bernhard Foitzik

Unternehmer war Nick Koch schon mit 15. Denn Geld kann man in diesem Alter immer brauchen, auch wenn man auf einem Bauernhof groß wird und es „wenig Freiheit außerhalb des Hofes gab“, wie sich Nick Koch erinnert. Er pachtete von seinem Vater ein Stück Land und baute Mais an. Hoch war die Pacht nicht, aber der Großvater schenkte ihm eine kleine Starthilfe: „Ein Jahr später hatte ich meinen ersten Gewinn.“

Aber hätte es nicht einfachere und schnellere Wege zum selbst verdienten Geld gegeben? Möglich, aber Durchhaltevermögen bis zum Erfolg war ihm schon damals beschieden. Heute noch ist das Kriterium „einfach“ nicht erste Wahl bei Nick Koch, zumindest nicht dann, wenn „interessanter“ oder „besser“ die Alternativen sind.

Nach erfolgreichem Maschinenbaustudium an der Hochschule Luzern arbeitete Nick Koch zunächst fünf Jahre bei ABB. Die erste Chance auf einen Auslandsaufenthalt im Rahmen eines Expat-Programms nahm er wahr. Koch: „Das Engagement in den USA war nahezu ein Kulturschock.“ Denn er ging zur Rimrock Corporation in Columbus/Ohio, einem Systemintegrator und Familienbetrieb mit 90 Mitarbeitern. Bei Rimrock konnte er sich in die vielfältigen Möglichkeiten der Robotertechnik einarbeiten. So wurde er zum Robotik-Systemintegrator.

Konzern war keine Option

Und als er in die Schweiz zurückkam, waren die Annehmlichkeiten eines Konzerns keine Option mehr für ihn. Er beherzigte den Rat seines amerikanischen Mentors Mike Ryan: „Geh heim, kaufe eine Firma und mache Dich selbständig.“ Zufall oder nicht, Nick Koch konnte die Robotec Solutions übernehmen. Da war er 32 Jahre alt. Sein amerikanischer Ratgeber war von Kochs Qualitäten als Macher so überzeugt, dass er ihm finanzielle Starthilfe gab. Ein weiterer Geldgeber und aktiver Unterstützer wurde Nick Kochs Firmpate, der frühere Motor-Columbus-Manager Franz-Anton Glaser.

Das Geschäft startete gut und entwickelte sich insgesamt prächtig – wenn auch mit Zeiten, in denen die Wand im Rücken Halt gab. Zehn Jahre nach dem Kauf der Robotec konnte Nick Koch, wie vereinbart, seine Geldgeber auszahlen. Bezeichnete sich Koch in der Anfangszeit als spezialisierten Generalisten, würde er heute den ‚Generalisten‘ streichen: „Wir sind schon stark spezialisiert und konzentrieren uns auf Projekte, die sich mit Industrierobotern realisieren lassen.“

Mit Industrie 4.0 habe die Automationswelt einen großen Schub bekommen, ist Nick Koch überzeugt: „Da ist es ganz wichtig, dass man sich nicht verliert. Da haben wir schon unseren Fokus.“ Der liegt eindeutig auf Wertschöpfung durch Engineering: „Da können wir unsere Stärken ausspielen und das macht ja auch Freude.“

Nicht stehen zu bleiben, ist für Nick Koch ein ganz wichtiger Punkt. So unterschiedlich die einzelnen Kundenprojekte auch sein mögen: „Unsere Welt erfordert, in wenigen Monaten eine Lösung zu haben.“ Die Erwartung der Kundschaft lässt weder technisch noch zeitlich einen großen Spielraum. Der erste Schuss muss ins Schwarze treffen. „Sonst wird es teuer.“

Durch viele Schulen

Gelernt hat Nick Koch Lastwagenmechaniker. In der Erzählung über diesen Lebensabschnitt klingt das, als wäre es eine Befreiung von der Schule gewesen. Da hatte er nicht nur sein erstes Geld in der Landwirtschaft verdient, sondern auch schon seine ersten Autos repariert und flottgemacht. Diese Fähigkeiten, gepaart mit dem Faible für amerikanische Autos, haben im Laufe der Jahre so manchen Oldtimer wieder zum Laufen gebracht.

Die entscheidenden Lernschritte im beruflichen Werdegang bezeichnet Nick Koch als seine MBA: das Studium selbst, der Schritt in die USA, der Start der Robotec und das Lernfeld China. In der Summe muss man hier MBA wohl mit „Macher of Business Automation“ übersetzen. Der „Macher“ Nick Koch ist dann auch jemand, der den ersten Spatenstich des neuen Firmengebäudes in Seon selbst macht – an den Hebeln eines Baggers hob Nick Koch 2017 am Standort des neuen Firmengebäudes im Industriegebiet Birren in Seon den ersten Kubikmeter Grund aus. 4,5 Mio. Schweizer Franken investierte er in den Industriebau mit Büro und Werkstatt mit einer Nutzfläche von 2000 m2 auf zwei Stockwerken.

Über die Zukunft macht sich Nick Koch schon seine Gedanken. Und er weiß schon heute: „Ich werde nicht 65 bei Robotec. Das dürfen Sie schon schreiben.“ Zufälle und absichtsvolle Planung haben sich im Leben von Nick Koch immer abgewechselt. Aber in diesem Punkt, das nimmt man ihm ab, verfolgt er das Ziel konsequent.

Mehr als nur die Firma

Ein Sinneswandel? Nun, in den Anfangsjahren ging es Koch nicht anders als vielen anderen Unternehmern. Das Leben galt der Firma. Die ersten Jahre gab es keinen Urlaub: „Man denkt überhaupt nicht daran, man kämpft um das Überleben – der Firma.“ Die Gefahr bestehe, aus dem Strudel nicht mehr herauszukommen. Inzwischen hat Nick Koch eine „ausgeglichene Bilanz“ zwischen Firma und Privatleben, wobei Familie und Hobby eine wichtige Rolle einnehmen. „Da findet man den Schalter zum Umschalten besser.“ Seine Disziplin, davon ist der 49-Jährige überzeugt, ist zum großen Teil Resultat seiner Kindheit und Jugend in der Landwirtschaft: „Das war streng, aber man kann etwas daraus machen. Man lernt schnell, Verantwortung zu übernehmen.“

Seine Konzentration gilt heute dem Ausbau auf mehreren Ebenen: die technische Ergänzung durch mobile Plattformen ebenso wie der Ausbau des Unternehmens, speziell in der französisch sprechenden Schweiz. Die unterschiedlichen Aktivitäten der einzelnen Firmen hat Nick Koch in der Alaxa Robotic Group gebündelt, zu der außer der ursprünglichen Muttergesellschaft Robotec Solutions auch die ebenfalls in Seon ansässige Smart Robotx, die deutsche M-Tool Solutions und die chinesische Robotec Solutions Suzhou gehören.

Systemgrenzen verschieben sich

Verändert hat sich der Blick auf die Systemgrenzen einer Anlage oder Fertigungslinie. Lange Zeit bestand die Roboterautomation im einfachen Be- und Entladen. Oder einfach im Picken von Pralinen vom Förderband. „Heute schaut man auf die ganze Fabrikation.“ Robotec Solutions kommt das entgegen. Der Anteil des Engineerings ist gestiegen, was sich auch auf den Personalstamm auswirkt. Der Anteil an Ingenieuren nimmt prozentual zu. Diese Kreativität ist auf allen Ebenen spürbar: „Es geht nicht darum, dass man einmal etwas Gutes entwickelt und dann zehn Jahre Ruhe hat. Das ist nicht unsere Welt“, sagt Nick Koch.

Zwei technische Entwicklungen haben ihm dabei im Laufe der Jahre sehr geholfen: Bildverarbeitung und Simulation. Schon die ersten Robotec-Projekte waren mit Kameras ausgestattet, darunter der „Klassiker“ Pralinen-Picken. Visionsysteme sind inzwischen integraler Bestandteil einer Anlage – auch ein Lerneffekt, den Nick Koch aus den USA mitbrachte. Heute kauft Robotec ungefähr so viele Kameras wie Roboter.

Vom Holzmodell zur Simulation

Ebenso ist die Simulation aus dem Engineering nicht mehr wegzudenken. Von den „Segnungen“ einer gekonnten Simulation muss man heute auch keinen Kunden mehr überzeugen – oder doch? Denn zu den Smart Manufacturing Days 2019 konnten Besucher, neben vielen beeindruckenden Roboterapplikationen, einen in der Tat einzigartigen Roboter in Seon bestaunen, einen Roboter aus Holz. Der Pharma-Kunde war erst durch die Beweglichkeit des Holzmodells im Maßstab 1:1 davon zu überzeugen, dass sich die Aufgabenstellung in der entworfenen Weise wird realisieren lassen. Das macht man bei Robotec einfach für einen Kunden.

Gibt es bei all den Erfolgsgeschichten auch Fehleinschätzungen? Nick Koch lacht: „Sicher, fast so viele wie gute Erfahrungen.“ Nur so viel: Das China-Geschäft ist ganz schwierig, denn der Markt ist keineswegs stabil und Personalwechsel sind an der Tagesordnung. Das fordert den Unternehmer. Auf der anderen Seite sei die Entwicklung dieses Subkontinents sehr spannend. Sein Rat: Die junge Generation solle sich auch technologisch so an China orientieren, wie man es früher an den USA getan habe. Da spricht der Ingenieur.

Fanuc als Roboterlieferant

Dass das Unternehmen überhaupt in China aktiv ist, hat damit zu tun, dass Nick Koch den Know-how-Transfer kontrollieren wollte. Die ersten Anlagen gingen von der Schweiz aus nach China, dann stieg der Druck, dass Kunden lokales Sourcing betreiben wollten oder mussten.

Auf Fanuc als Roboterlieferanten setzt Robotec auch in China. Denn das extra breite Portfolio ist zum einen weltweit verfügbar und es ist zum anderen standardisiert. Mit den gelben Robotern hat Robotec gute Erfahrungen gemacht. Bereits 2012 konnte Fanuc zum 500. verkauften Roboter gratulieren. Den ältesten noch aktiven Roboter hat Nick Koch beim Kauf der Robotec quasi mitübernommen. Der Roboter hat inzwischen über 100.000 Betriebsstunden – kein schlechter Beweis für die Zuverlässigkeit.

Ein anderes spannendes Thema sind mobile, autonome Roboter wie sie Smart Robotx im Portfolio hat. Vier Jahre intensiver Marktbearbeitung hat das Team schon investiert. Trotz einiger Erfolge ist der Break-even – wenn man alles zusammenzählt – noch ein paar Schweizer Franken weit weg. Nick Koch: „Das Schöne an der Situation ist aber, dass wir die neue Technik mit unserem Stammgeschäft vernetzt haben und anbieten können.“ Immerhin: Ein Dutzend mobile Plattformen hat Smart Robotx schon im Einsatz, darunter bei einem namhaften Schweizer Uhrenhersteller.

Robotec Solutions AG

www.robotec-ag.com/de


Nick Kochs Gruppe mit vier Töchtern

Mit 32 übernahm Nick Koch (der auf einem Schweizer Bauernhof groß geworden ist und Lastwagenmechaniker gelernt hat, bevor er Maschinenbau studierte) die Robotec Solutions als 2-Mann-Unternehmen.

Heute umfasst seine Alaxa Robotic Group (https://alaxaroboticgroup.com) vier Tochterunternehmen:

  • Die Robotec AG (Schweiz) ist Spezialist für robotergestützte Automation: www.robotec-ag.com.
  • Smart Robotx (Schweiz) bietet in Kooperation mit Omron mobile Roboterlösungen an: www.smart-robotx.ch.
  • Die M-Tool Solutions GmbH (Raum Stuttgart) bietet Robotiklösungen für spanabhebende Fertigung, Spritzgiesstechnik und Automation an: www.m-tool.eu.
  • Robotec Solutions (Suzhou) Co. Ltd baut in China Robotiklösungen mit Schweizer Touch für den asiatischen Markt: www.robotec-co.com.
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