Wir wollten einen Roboter bauen, der Unternehmen jeder Größe und Branche den Einstieg in die Automatisierung erleichtert. Der Roboter sollte preiswerter als der Wettbewerb sein, zugleich aber hochwertig und leistungsfähig“, beschreibt Fruitcore-CEO Jens Riegger die Ideen der Konstanzer Gründer. Ein mutiges Ziel, wenn man bedenkt, dass die Geschichte der Industrierobotik viele Jahrzehnte zurückreicht und Konzerne wie Fanuc, Yaskawa, ABB und Kuka jede Menge Erfahrung im Roboterbau haben.
Riegger und seine Mitgründer schreckte das aber nicht: „Wir wollten eben einen neuen Weg gehen. Unserer Ansicht nach benötigt es hier mehr als nur Softwareergänzungen, vielmehr muss das ganze Robotersystem neu gedacht werden, gemäß dem First Principles Thinking. Das haben wir gemacht bei jedem Bestandteil des Roboters. Denn wir waren damals schon davon überzeugt, dass sich auch an der kinematischen Struktur etwas ändern muss, wenn die Kosten deutlich gesenkt werden sollen“, so Riegger.
Tüfteln in der Freizeit
Riegger war nach einem Maschinenbaustudium an der Hochschule Karlsruhe zum Masterstudium an die HTWG (Hochschule Technik Wirtschaft Gestaltung) nach Konstanz gewechselt. Zusammen mit befreundeten Maschinenbau-Absolventen tüftelte er im Anschluss an ein Roboter-Forschungsprojekt im Kunststofflabor der HTWG Konstanz in der Freizeit einfach weiter. In dem Forschungsprojekt hatten sie sich mit dem Robotermarkt auseinandergesetzt. „Daher wussten wir, dass es bisher kaum leistungsfähige Roboter im Niedrigpreissegment gibt“, erklärt Riegger. Also hat man sich Anfang 2016 an die Konstruktion eines preiswerten Roboters gemacht.
Mithilfe des Forschungsreferates der HTWG Konstanz hatten die Gründer über ein Exist-Stipendium zudem Starthilfe erhalten, um ein Jahr lang intensiv an der Entwicklung zu arbeiten und erste Kontakte zu Investoren zu knüpfen. Riegger: „Das war sehr wertvoll für uns und wir sind sehr dankbar für diese Förderung, die ein tolles Programm ist.“
Harte Anfangszeit
Dennoch: Ein Zuckerschlecken war die Gründung nicht. „Wir haben die Grenzen und Möglichkeiten an der Hochschule ausgelotet und damit gewissermaßen den Grundstein für andere Gründer gelegt. Diejenigen, die nach uns kamen, hatten es leichter“, sagt Riegger. Ob eine solche Robotik-Gründung im Silicon Valley einfacher gewesen wäre? „Mit Sicherheit wären einige Schritte einfacher, aber vor allem schneller gewesen.“
Denn im Silicon Valley gebe es viele Gründer und eben auch sehr viele Investoren, die es gewohnt sind, in frühe Phasen von Start-ups zu investieren. „Vor dem Exist-Gründerstipendium und eine kurze Zeit danach war es schon hart für uns, über die Runden zu kommen. In Deutschland ist das Mindset einfach noch anders. Aber wir arbeiten daran, dass es sich ändert“, ergänzt fruitcore-CFO Patrick Zimmermann.
Auch der Standort ist durchaus ungewöhnlich, denkt man doch bei Robotik eher an München, Karlsruhe oder Stuttgart. Dass das Unternehmen in Konstanz und nicht in klassischen Robotik-Hochburgen gegründet wurde, sieht Riegger als Vorteil, „da wir durch die Nähe zur Universität und zur Fachhochschule HTWG Konstanz hervorragende Talente bekommen und als Unternehmen hier in der Stadt eine gute Stellung genießen.“
Erster Prototyp 2016 fertig
Im Oktober 2016 war dann der erste Prototyp fertig. Für die Gründer ein Highlight: „Insbesondere der Moment, in welchem der allererste Prototyp nachgewiesen hat, dass unser Berechnungsmodell nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis funktioniert“, so Riegger. Getauft haben die Gründer ihren Roboter dann schlicht und einfach Horst. „Uns hat der Name Horst für unseren Roboter gut gefallen. Gleichzeitig steht er aber auch für Highly Optimized Robotic Systems Technology“, so Riegger.
Und so ging es dann mit Horst Schlag auf Schlag: Im Mai 2017 wurde das Unternehmen gegründet – zunächst als Fruitcore GmbH, später dann umbenannt in Fruitcore Robotics GmbH. Und im Oktober 2018 erfolgt der offizielle Horst-Produktlaunch auf der Motek. Begleitet wurde das Ganze von Auszeichnungen wie „Produkt des Jahres 2016“ (Maschinenmarkt), „innovativste Hightech-Gründung in Deutschland“ (Weconomy-Wettbewerb) sowie dem Handling Award 2019 als bestes Start-up oder dem Best of Industry Award 2020 in der Kategorie Robotik.
Aber was zeichnet den Industrieroboter Horst denn nun aus? Ein wichtiges Detail ist die Antriebstechnik auf Basis von mehreren verschachtelten Viergelenkketten, wodurch die Antriebsleistung der Motoren effizienter genutzt wird. Riegger: „Dadurch ist es möglich, kleinere Elektromotoren und Getriebe zu verbauen und trotzdem dieselbe Qualität und Dynamik zu erreichen wie bei konventionellen Robotern. Der Antrieb durch Viergelenkketten führt zu einem geringeren Gewicht und zu deutlich niedrigeren Kosten.“
Schon für deutlich weniger als 20.000 Euro bekommen Unternehmen so einen präzisen Industrieroboter. Der sechsachsige Horst900 stemmt bis fünf Kilogramm und hat eine Reichweite von 900 Millimetern sowie eine Wiederholgenauigkeit von ± 0,05 Millimetern. Damit addressiert Fruitcore Robotics Anwendungen wie Be- und Entladen von Maschinen, Stapeln, Sortieren und Verpacken, das Handling von Dreh-, Fräs- und Stanzteilen, aber auch die Automatisierung von Pick-&-Place-Anwendungen bei Kleinteilen. „Letztlich liegen unsere Zielbranchen in nahezu allen Industriebereichen, von Automotive über Pharma-, Chemie- und Medizintechnik bis hin zur Elektrotechnik und Prüftechnik“, so Zimmermann.
Einfache Bedienung durch Software
Den Horst-Vätern war aber von Anfang an auch klar, dass es mit der Mechanik alleine nicht getan ist. „Um einen Roboter preisgünstig anzubieten, muss man ihn enorm bedienerfreundlich machen, weil komplexe Programmierung mit hohen Kosten einhergeht.“ Software und Steuerung sind deshalb ebenso wichtige Bestandteile des Robotersystems. Mit der Software HorstFX und der Bedieneinheit Horstpanel könne man sowohl einfache als auch komplexe Anwendungen ohne Fachkenntnisse schnell, einfach und intuitiv programmieren, verspricht Fruitcore. Auch externe Maschinen werden über die grafische Programmierung anhand der in der Industrie gängigen Schnittstellen unkompliziert angesteuert. Der Übergang zur Programmierung komplexer Prozesse ist fließend. Beispielsweise können grafisch programmierte Abläufe mit einem Klick in Programmcodes konvertiert werden.
Horst bekommt Brüder
Derweil bauen die Fruitcore-Macher die Horst Familie aus: Neben dem ersten Modell Horst900 gibt es nun einen kleinen, leichten und schnellen Bruder Horst600 (der im Einführungspreis unter 10.000 Euro kostet und auch in einer Labor-Version erhältlich ist) und in Kürze einen großen und stärkeren Bruder Horst1400, der sich für Logistik- und Beladeaufgaben eignet.
Neben der Erweiterung der Roboterpalette arbeitet Fruitcore Robotics fleißig an weiteren Neuerungen: „Beispielsweise treiben wir die Integration von Vision-Systemen in unsere Robotersteuerung voran“, verrät Riegger. Und auch betrieblich ist man am Expandieren. „Wir sind stark gewachsen und haben inzwischen 75 Mitarbeiter.“ Zudem wächst das Partner-Netzwerk, Fruitcore Robotics deckt inzwischen den ganzen DACH-Raum ab.
Und da Fruitcore Robotics fast alle Bestandteile seiner „Industrieroboter made in Germany“ im eigenen Haus fertigt, ist man auch dabei, die Produktionskapazität zu erweitern: In Villingen, der Heimatstadt dreier der Firmengründer, ist gerade ein neuer Produktionsstandort entstanden. Hier sollen pro Jahr mehrere Hundert Industrieroboter gebaut werden.
Fruitcore Robotics GmbH
Macairestraße 3
D-78467 Konstanz
Horst und seine Brüder
Horst steht für Highly Optimized Robotic Systems Technology und vereint eine clevere mechanische Kinematik mit einer intuitiven Software.
Das Ursprungsmodell HORST900 kostet etwa 18.000 Euro und stemmt bis fünf Kilogramm, hat eine Reichweite von 900 Millimetern, eine Wiederholgenauigkeit von ± 0,05 Millimetern.
Der große Bruder Horst1400 ist ein größeres Abbild der 900er Version und basiert ebenfalls auf mehreren verschachtelten Viergelenkketten. Der große Horst stemmt Lasten von 8 bis 10 Kilogramm und hat eine maximale Reichweite von 1.400 Millimetern. Der Industrieroboter eignet sich unter anderem zum Kommissionieren sowie zum Be- und Entladen von Maschinen oder Gitterboxen.
Der kleinste Roboter Horst600 ist vor allem für Anwendungen mit wenig Platz geeignet. Mit einer Reichweite von 578 Millimetern kann Horst600 Traglasten von bis zu drei Kilogramm bewegen. Der handliche Kleinroboter im kompakten Design kommt in zwei Varianten: in der Variante ‚fast‘ für Anwendungen mit schnellen Taktzeiten (etwa beim Kleinteilehandling) und als ‚strong‘ mit bis zu 3 kg Traglast (für die Maschinenbeladung).
Den Horst600 stattet Fruitcore Robotics erstmals mit einem Play-Back-Teaching aus. „Damit kann der Bediener den Roboter auch per Hand führen, was die Programmierung noch weiter vereinfacht“, sagt CEO Jens Riegger. Mit dieser intuitiven Bedienung soll der kleine Horst auch bei einer neuen Zielgruppe jenseits der klassischen Industrie punkten. Denn neben der Standardversion kommt Horst600 auch in einer Lab-Version speziell für Labore sowie Pharma- und Chemieunternehmen. Der Einführungspreis von 9.995 Euro gilt übrigens für alle Varianten von Horst600.
Bild: Fruitcore Robotics
Das Gründer-Team: Vom Raspberry PI zum Roboter
Die Ur-Gründer Manuel Frey, Jens Riegger und Tobias Erb haben sich als Mitarbeiter des Labors für Werkstoffsystemtechnik an der HTWG Konstanz kennengelernt. Das Vorhaben Fruitcore startete Ende 2014, damals haben die drei Gründer sich noch um Geschäftsmodelle rund um den Raspberry PI gekümmert, daher auch der Name des Unternehmen: Fruitcore.
Manuel Frey und Jens Riegger haben dann zusammen an einem Forschungsprojekt über Roboter gearbeitet und 2016 damit gestartet, ihren eigenen Roboter zu entwickeln. Tobias Erb hat das Team in der Zwischenzeit verlassen, dafür sind Tobias Kuentzle, Tim Schmiedl und Patrick Zimmermann im Laufe des Jahres 2016 dazugestoßen. Patrick Zimmermann hat den wirtschaftlichen Part der Geschäftsführung übernommen.