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Festo: „Hybride Automation ist ein Alleinstellungsmerkmal“

Interview: Jörg Kipper, Geschäftsführer, Festo Vertrieb GmbH & Co. KG
Festo: „Hybride Automation ist unser Alleinstellungsmerkmal“

Festo: „Hybride Automation ist unser Alleinstellungsmerkmal“
Jörg Kipper leitet seit Februar 2019 die Festo Vertrieb GmbH & Co. KG. Kipper ist ein echtes Festo-Urgestein: Er hat 1994 bei Festo begonnen. Bild: Festo
Wie Festo die hybride Automation aus Pneumatik und Elektrik vorantreibt und was Festo in Sachen künstliche Intelligenz sowie Robotik plant, das verrät Jörg Kipper, Geschäftsführer der Festo Vertrieb GmbH & Co. KG im Interview mit der Automationspraxis.

Autor: Armin Barnitzke

Herr Kipper, Sie sind als Geschäftsführer der Festo Vertrieb GmbH & Co. KG für den deutschen Markt zuständig. Wie läuft das Geschäft?

Kipper: Wir haben ja – wie die ganze Branche – seit 2010 einen tollen Aufschwung erlebt, der dann 2019 leider ins Stocken geraten ist. Daher war 2019 für uns ein Jahr mit leicht rückläufigem Geschäft, im DACH-Markt, also Deutschland, Österreich und Schweiz, sogar noch etwas schwächer als in der Festo-Gruppe insgesamt. Insbesondere das Geschäft mit der Automobilindustrie schwächelte. Zum Glück haben wir aber eine breite Aufstellung und mit Branchen wie Food & Packaging andere Segmente, die die Rückgänge in der Automobilindustrie ausgleichen.

In welchen Branchen sind Sie denn besonders stark?

Kipper: Neben der Automobilindustrie, die ja traditionell für Festo eine wichtige Rolle spielt, sind wir stark in der Elektronik- und in der Werkzeugmaschinen-Industrie. Auch Food & Packaging gehört mit zu unseren Branchen mit den größten Umsätzen.

Und wo sehen Sie noch Wachstumsfelder?

Kipper: Viel investiert haben wir in die Prozessindustrie, hier haben wir ein gutes Produktspektrum und gute Wachstumszahlen. Ein interessantes Segment ist die Batterieproduktion. Dort können wir unsere Erfahrungen aus den Segmenten Automotive einerseits und Electronics andererseits prima zusammenführen. Ein zartes Pflänzchen, das sich aber gut entwickelt, ist das Thema Lifetech. Bei Festo verstehen wir darunter die Labor- und Medizintechnik. Hier geht es um kompakte Handling-Lösungen ebenso wie beispielsweise um Dosier-Systeme, wo wir mit unserem Piezo-Knowhow punkten können.

Wie steht es um die additive Fertigung?

Kipper: Dies ist ein Trend, den wir aus verschiedenen Branchen kennen. Wir befassen uns im Rahmen unserer Kernbranche Werkzeugmaschinen damit. Wir haben mit und für die Werkzeugmaschinen-Hersteller in den letzten Jahren viele Applikationslösungen entwickelt, beispielsweise Handling-Lösungen für den automatischen Werkzeugwechsel. Auch für die Werkzeugmaschinen-Hersteller ist der 3D-Druck gerade ein großes Thema und wir decken für die Integration von 3D-Druck-Applikationen in die Werkzeugmaschine alles ab.

Inwiefern?

Kipper: Neben Elektrik- und Automations-Knowhow braucht man für den 3D-Druck auch Erfahrung beim Dosieren und Zuführen – das können wir alles bieten. Vom Werkzeugmaschinenhersteller DMG MORI wurden wir unter anderem für gemeinsame 3D-Druck-Entwicklungen mit dem Innovation Partner Award 2019 ausgezeichnet. Bei diesen Projekten haben wir der Fabrik- und Prozessautomatisierung kombiniert sowie Software-Bausteine für die Maschinensteuerung bereitgestellt. Um unser Knowhow zur Ausstattung von Maschinen für additive Fertigung unseren Kunden demonstrieren zu können, bauen wir in den kommenden Monaten eine Demo-Anlage, die zeigt, wie breit unser Angebot ist.

Wollen Sie eigene 3D-Drucker herstellen?

Kipper: Nein, natürlich nicht. Denn wir bauen keine eigenen Maschinen. Aber unsere Kunden erwarten eben immer mehr Lösungen von uns, sprich funktionstüchtige Einheiten, nicht nur Komponenten. Und solche Lösungen liefern wir nicht nur an klassische Werkzeugmaschinenbauer, sondern auch an Printer-Hersteller, wie unsere Kooperation mit Hewlett Packard (HP) zeigt.

Neben den neuen Branchen und Segmenten: Was sind Ihre Pläne für 2020?

Kipper: Ein ganz wichtiger Schwerpunkt für uns ist die hybride Automation. Mit dieser Initiative unterstreichen wir, dass wir unsere pneumatische Basis konsequent immer weiter in Richtung elektrische Achsen, Antriebsregler und Motoren erweitern. Denn auch wenn die Pneumatik in vielen Anwendungen immer noch die beste Lösung ist, sind zunehmend elektrische Lösungen gefragt.

Und mit welchen Argumenten wollen Sie hier punkten?

Kipper: Bei der hybriden Automation hat Festo ein weltweites Alleinstellungsmerkmal. Wir können den Kunden das ganze Spektrum offerieren: von der pneumatischen über die elektrische Automation bis hin zur Prozesstechnik – und das Ganze mit einer lösungsorientierten Beratung. Das kann sonst niemand auf der Welt mit eigenen Produkten. Denn unsere Servo-Motoren und Controller sowie weitere Produkte sind eigene Produkte inklusive der Entwicklungen, die exakt auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten sind. Und das elektrische Portfolio werden wir mit großen Entwicklungs-Ressourcen weiter ausbauen. Wir können inzwischen, wenn gewünscht, ganze Maschinen rein elektrisch ausstatten – samt Inbetriebnahme und Service. Dafür investieren wir auch massiv in das Knowhow unserer Vertriebsmitarbeiter.

Viel investiert haben Sie auch in die intelligente Ventilinsel Motion Terminal, die die Pneumatik in die digitale Zukunft führen soll. Wie kommt das Motion Terminal an am Markt?

Kipper: Das Motion Terminal ist wirklich genial: Denn das ist eine Hardware, die man ganz nach seinen Bedürfnissen flexibel auf die Anwendung hin programmieren kann. Allerdings braucht das Motion Terminal am Markt doch länger als gedacht. Passende Anwendungen sind nicht in jeder Maschine zu finden, es gibt aber erste spannende Applikationen zum Beispiel in der Holzbearbeitung. Aber für viele Kunden ist es auch eine Preisfrage. Vielen genügt eben ers tmal eine klassische, auf ihre Anwendung zugeschnittene Ventilinsel mit wenig Intelligenz. Ein universell einsetzbares intelligentes Terminal ist nicht immer erste Wahl.

Was kommt bei Festo 2020 an neuen Innovationen?

Kipper: Aktuell beschäftigen wir uns intensiv mit Cobots – gerade, wenn es um die Zusammenarbeit der Maschinen mit dem Menschen geht, können wir unsere Stärken ausspielen. Diese zeigen wir mit unserem pneumatischen Bionicsoftarm. Dieser Cobot eröffnet uns gute Chancen. Damit bündeln wir unser Knowhow in Sachen Elektrik und Pneumatik, um kostengünstige und doch sichere Lösungen zu schaffen. Derzeit gehen wir mit einzelnen Kunden in erste Pilotprojekte, um die Marktanforderungen beispielsweise bezüglich Gewichten und Geschwindigkeiten zu verstehen. Für solche Aktivitäten haben wir einen Bereich Innovation im deutschen Vertrieb gegründet.

Und wie positionieren Sie sich bei der Digitalisierung? Sehen Sie sich im IoT eher als Datenlieferant? Oder sind Sie Datenauswerter?

Kipper: Wir wollen kein reiner Datenlieferant sein, sondern beschäftigen uns auch mit der Datenanalyse. In diesem Kontext hat Festo ja 2018 den KI-Spezialisten Resolto gekauft. Der Zukauf zahlt sich jetzt schon aus, denn zusammen mit den Kollegen von Resolto hatten wir schon einige spannende Termine mit Kunden, auch auf den obersten Hierarchieebenen. Denn unsere Kunden sammeln bereits fleißig Daten und fragen sich nun, wie die relevanten Daten weiterverarbeitet werden können. Ein Ziel der Kunden ist es, festzustellen, wann Maschinen und Prozesse aus dem Ruder laufen könnten.

Und wie kann Festo helfen?

Kipper: Wir sprechen mit den Kunden darüber, wie wir unser Daten- und KI-Knowhow in deren Maschinen integrieren können. Hier geht es vor allem um vorbeugende Wartung, also Predictive Maintenance. Maschinenbauer möchten beispielsweise wissen, wann eine Materialermüdung eintritt beziehungsweise wann ein Werkzeugwechsel notwendig ist. Oder nehmen Sie die Karosseriewerke der Automobilhersteller. Ein pneumatisches Spannsystem kostet nur 100 Euro, ein unvorhergesehener Stillstand in der Automobilproduktion jedoch mehrere 100.000 Euro. Für ein selbstlernendes Frühwarnsystem zur vorausschauenden Instandhaltung von Spannsystemen haben wir daher Resoltos KI-Software zur Echtzeit-Datenanalyse und den Festo Controller CPX-E-CEC in eine Lösung eingebunden.

Wie funktioniert ein KI-Frühwarnsystem?

Kipper: Das Ganze funktioniert sogar ganz ohne zusätzliche Sensorik, denn die KI-Software wertet nur bestehende Daten aus – etwa den Druckverlauf in der Pneumatik. Dazu läuft die KI-Software ständig mit, lernt den gesunden Zustand einer Maschine oder Anlage kennen und kann dann Abweichungen vom Normalzustand als Anomalien diagnostizieren – auch wenn diese ganz harmlos anfangen. Entsprechende KI-Funktionen haben wir bereits in unser IoT Gateway eingebaut, das Daten sammelt und in eine eigene Festo Cloud schickt. Wir wollen künftig weitere Produkte anbieten, die diese KI von Resolto beinhalten.

Abschließend eine Frage an Sie als Vertriebsexperte: Wie beeinflusst die Digitalisierung den Vertrieb?

Kipper: Zunächst – wir sind vor allem deshalb erfolgreich, weil wir einen Direktvertrieb haben. Unsere besondere Stärke ist es, den Prozess anzuschauen und kundenindividuelle Lösungen zu kreieren, weil wir mit Ingenieuren beim Kunden sind, die die Anwendung verstehen. Aber natürlich hat gerade die junge, digital-affine Generation ein neues Kaufverhalten – eine Art Amazonifizierung. Aber das betrifft ja nicht nur junge Menschen: Wir alle sind es inzwischen gewohnt, vor dem Kauf eines Produktes im Internet viele Produktvergleiche und Kundenbewertungen anzuschauen.

Was bedeutet das für Festo?

Kipper: Auf dieses veränderte Kaufverhalten müssen wir uns auch bei Festo einstellen. Wir waren immer schon stark in Sachen Konfiguratoren und Software-Tools zur Produktauswahl. Unsere Möglichkeiten, ein Produkt individuell zusammenzustellen, führen wir jetzt online zusammen. Vom ansprechenden intuitiven Internetauftritt über leicht zu bedienende Auswahl-Tools bis hin zur schnellen Bestellung. Unsere neue Generation der Online Plattform ist in USA und China schon in Nutzung und wird in Deutschland Ende 2020 eingeführt werden.

Festo Vertrieb GmbH & Co. KG

www.festo.com

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