Wenn man im schwäbischen Montage-Valley östlich von Stuttgart auf der B29 an Weinbergen und Streuobstwiesen entlang durchs idyllische Remstal fährt, passiert man so manchen renommierten Maschinenbauer – der stattliche Schnaithmann-Komplex, der sich bei Remshalden direkt an der Bundesstraße erstreckt, ist mit seinen acht Hallen und Gebäuden aber schon besonders beeindruckend.
Dabei war dieses rasante Wachstum gar nicht geplant, als sich Karl Schnaithmann 1985 selbstständig machte, weil er sein persönliches Engagement als „Haus- und Hof-Meister“ bei einem mittelständischen Unternehmen nicht mehr ausreichend gewürdigt sah. „Mein Traum war eigentlich ein kleines Unternehmen mit 10 bis 20 Leuten, das Teile fertigt und kleine Montageanlagen baut – doch der Traum war schnell vorbei“, blickt Karl Schnaithmann schmunzelnd zurück.
Denn der findige Schwabe hatte schnell erste zufriedene Kunden, die ihm recht bald signalisiert haben, dass er größer werden müsse: Schnaithmann brauche mehr Leute und müsse mehr Bereiche abdecken. Also ist Karl Schnaithmann bereits 1988 aus seinen 250 qm im Keller in Rommelshausen an den heutigen Standort in Remshalden gezogen – in eine Halle mit 1000 qm. „Diese Halle erschien zwar erst viel zu groß, war dann aber ein halbes Jahr später schon wieder zu eng.“ Also wurde schon 1992 wieder expandiert und die nächste Halle bezogen.
Kärcher: Kunde der ersten Stunde
Einer dieser ersten Kunden war Kärcher. Für den Reinigungstechnik-Spezialisten aus dem benachbarten Winnenden baute Karl Schnaithmann Montage-Transportlösungen – zunächst auf Basis des Gurt-Transfersystems von Bosch. „Bei Kärcher wollte man dann aber Teile transportieren, die nicht 1 Kilogramm wogen, sondern 25. Da ist der Gurt des Bosch-Transfersystems natürlich durchgerutscht“, erinnert sich Schnaithmann.
Also hat sich der Tüftler einen Weg ausgedacht, wie man das Transfersystem relativ kostengünstig umrüsten kann, in dem man statt des Gurts eine Kette verwendet. „Bei Bosch war man aber von meinen Ideen überhaupt nicht begeistert“, erinnert sich Schnaithmann – man habe schließlich eine eigene Entwicklungsabteilung und benötige keine externen Tüftler, wurde er abgekanzelt.
Nachdem Karl Schnaithmann noch ein paar Mal so abgewiesen wurde, war er sauer („Wie wir Schwaben halt so sind…“) und hat sein eigenes Transfer-System entwickelt, das beim Kunden gut ankam. „Das hat mich motiviert, meinen eigenen Weg weiter zu gehen.“ Neben Montage-Transfer-Kunden kamen bald auch Werkzeugmaschinen-Hersteller wie Index, DMG, Weisser oder Emag hinzu, die ebenfalls Bänder für den Teiletransport in den Maschinen sowie Be- und Entlade-Einrichtungen benötigten. „So wurden wir quasi Sub-Systemlieferant für die Werkzeugmaschinenhersteller. Hier realisieren wir alles außerhalb der Maschine – bis hin zur Roboterbeschickung.“
Über die Jahre hat sich Karl Schnaithmann zudem als Generalunternehmer für komplette Montage-Linien einen Namen gemacht. Diese komplexen Linien, auf denen beispielsweise Elektrolenksäulen oder Getriebe gefertigt werden, gehen in die ganze Welt. „80 Prozent der Linien bauen wir für die Automotive Industrie“, zählt Schnaithmann namhafte Firmen wie Conti, Magna, Bosch oder Daimler zu seinen Kunden. Kein Wunder also, dass er sich seit über 10 Jahren mit dem Slogan „Partner der Besten“ schmückt.
Als ein solcher Partner der Besten will er den Kundenstamm nicht auf Teufel komm raus vergrößern. „Wir bleiben sehr fokussiert auf solche Dinge und Themen, wo wir den Kunden einen Mehrwert bieten können. Wir machen nicht heute dies und morgen das.“ Mit diesem Ansatz fährt Karl Schnaithmann gut. Voraussichtlich wird der Umsatz von heute 50 Millionen bis 2020 auf 70 Millionen steigen, weil viele Großkunden das Unternehmen mit Aufträgen fast schon zuschütten. „Kunden wie Conti oder Bosch suchen händeringend nach Unterstützung beim Weg in die Industrie 4.0“, berichtet Schnaithmann.
Hierbei verfolgt er einen pragmatischen Ansatz: „Für uns ist 4.0 kein Selbstzweck, sondern muss dem Kundennutzen dienen.“ Zumal vieles, was heute unter Industrie 4.0 verkauft werde, ein alter Hut sei: „Früher waren wir auch schon via Modem mit den USA verbunden und konnten in der Linie des Kunden Veränderungen vornehmen.“ Für Karl Schnaithmann wird der Begriff Industrie 4.0 fast schon missbraucht. „Da findet einer einen Besen und verkauft als 4.0, dass man jetzt kehren kann.“
Drei Bereiche ergänzen sich
So ist und bleibt Karl Schnaithmann also sehr bodenständig – und ist froh, dass er mit den Bereichen Transfersysteme, Subsysteme für CNC-Maschinen und Automotive-Komplettlinien drei Säulen hat, die sich ergänzen und auch mal auffangen, wenn einer der Bereiche schwächelt. „Wenn unter dem Strich moderate 5 Prozent Vorsteuererlöse stehen, ist das genug.“ Dennoch hat er über die Jahre enorm expandiert: Beschäftigte Karl Schnaithmann 2010 rund 100 Mitarbeiter sind es heute schon rund 250 – Tendenz steigend.
„Strategisch geplant war das alles aber nicht, sondern eher Glück und Zufall“, wehrt Schnaithmann mit schwäbischer Bescheidenheit die Frage nach dem Geheimnis seines Erfolges ab. Wobei – Glück alleine sei nicht der ausschlaggebende Punkt gewesen. „Das Wichtigste ist der Mensch, das Miteinander.“
Geholfen hat ihm dabei sicher auch sein Gespür für das Miteinander. „Der Umgang mit Menschen macht mir nun mal Freude. Und so bekomme ich auch mal einen Auftrag, wenn ich ihn normal nicht bekommen hätte.“ Schließlich arbeite man immer vertrauensvoll mit den Kunden zusammen. Dazu gehört bei ihm auch ein verlässlicher Service: „Wir sind schon angerufen worden, weil das Band stand, und als wir dann zum Kunden kamen, war es gar nicht unser Band. Es hieß dann: Aber ihr seid eben die Einzigen, die kommen“, berichtet Karl Schnaithmann.
Chef weiß zu begeistern
Vor allem aber schafft es Schnaithmann, seine Mitarbeiter zu begeistern: „Wenn es um Wochenendeinsätze geht, fragen die nicht ‚Wieviel springt da für mich raus?‘, sondern ‚Wann muss ich da sein.‘“ Für dieses gute Binnenklima sorgen kleine Dinge, wie Gutscheine zum Geburtstag, ein Mittagessen für 2,20 Euro oder ein Masseur, der seit 10 Jahren alle 14 Tage ins Unternehmen kommt.
Vor allem aber ist dies Karl Schnaithmanns Führungsstil: „Zwei bis dreimal die Woche mache ich meine Runde und schüttle allen Mitarbeitern die Hand.“ Da redet man auch mal über private Sorgen. „Ich kann zwar nicht helfen, aber zuhören – es ist mir wichtig, die Menschen zu kennen.“
Zu den Goodies für die Mitarbeiter gehört auch das Kinder-Ferienprogramm, das Schnaithmann seit Jahren in den Oster- und in den Sommerferien für die Mitarbeiterkinder anbietet. „Am Ende der Sommerfeien kommt sogar ein Zirkus, in dem die Kinder auftreten dürfen“, schwärmt er. Letztlich schlägt er damit aber auch zwei Fliegen mit einer Klappe, denn er tut nicht nur den Mitarbeitern etwas Gutes, sondern akquiriert auch die Mitarbeiter von morgen.
Immer auch ein Tüftler geblieben
„Wenn die Kinder in der Kindheit ein paar Mal bei Schnaithmann waren, wollen sie dort nach der Schule arbeiten.“ Knapp 40 Auszubildende hat er im Unternehmen, viele davon bleiben oder kommen nach dem Studium wieder zurück. Zudem schleust Karl Schnaithmann unzählige Bachelor- und Master-Studenten sowie Praktikanten durchs Haus.
Bei aller Menschenfreude ist Schnaithmann aber auch ein Tüftler geblieben: „Die Technik macht mir nach wie vor viel Freude. Ich sitze gerne in Entwicklungsgesprächen mit dabei.“ Obwohl eher Techniker als Manager, hat er im Verlauf der Unternehmensgeschichte Vieles richtig gemacht – ohne je eine Managerschule besucht zu haben. Denn er hat es verstanden, stets die richtigen Leute um sich zu versammeln. „In der Anfangszeit habe ich mir recht früh einen Beirat zugelegt. Diesen Beirat habe ich bis heute – obwohl ich ihn eigentlich nicht mehr brauche.“
Kultur des Scheiterns vorhanden
Zum Erfolg trägt aber auch sein Gespür für das unternehmerische Risiko bei. „Wenn unser Entwicklungsleiter 50 000 Euro für ein spannendes Projekt benötigt, bekommt er das Geld auch ohne Powerpoint-Präsentation und ausgefeilten Business-Plan“, so Schnaithmann. Weil er seinen Mitarbeitern vertraut. Und weil es bei ihm eine Kultur des Scheiterns gibt: „Wenn etwas schief läuft, darf es keine Vorhaltungen geben, sondern wir setzen uns zusammen und sprechen darüber, was beim nächsten Mal besser laufen kann.“
Denn inzwischen hat Schnaithmann auch gelernt, loszulassen: „Bis 2002 war ich eine One-ManShow und hab geglaubt, dass ohne mich nichts geht. Alles wollte ich wissen, ich konnte nicht loslassen.“ Doch dann kam ein einschneidendes Erlebnis: Nach einer Operation und einem schweren Ski-Unfall kurz darauf, der Karl Schnaithmann fast das Leben gekostet hatte, war er monatelang lahm gelegt. Das war für ihn der Anlass, das Unternehmen anders zu strukturieren. „Heute gibt es unterhalb der Geschäftsführung eine Ebene mit sieben Leuten aus den unterschiedlichen Bereichen, von Konstruktion über Produktion bis Vertrieb, die den Laden operativ am Laufen halten.“
Inzwischen geht es Schnaithmann nicht schnell genug, dass das Unternehmen auch ohne ihn funktioniert. Aktuell ist der 63-Jährige dabei, einen externen Geschäftsführer zu suchen, der das Unternehmen weiter führt. „Ich will zunächst in den Beirat wechseln und spätestens mit 70 nur noch als Gesellschafter fungieren.“
Seine beiden erwachsenen Töchter möchten aus derzeitiger Sicht jedenfalls nicht ins Unternehmen einsteigen. „Und zwingen will ich sie auf keinen Fall – schließlich hat auch mein Vater mich meinen eigenen Weg gehen lassen.“ Die Töchter sollen aber das Unternehmen über die nächsten Jahre als Gesellschafter begleiten. „Und eventuell steigen ja dann eines Tages mal die Enkel ein.“
Verkaufen will er sein Unternehmen auf keinen Fall. „Mir wurden schon viele Millionen für eine Komplettübernahme angeboten – aber das ist nicht meine Triebfeder. Geld bedeutet mir wenig. Ich möchte das Unternehmen erhalten – für die Familie und vor allem für die Mitarbeiter.“
Schnaithmann Maschinenbau GmbH
www.schnaithmann.de; Motek Halle 3 Stand 3420