Sie sind im Januar 2021 als Chief Sales Officer bei Afag gestartet. Mit welchem Ziel?
Renc: Ich bin angetreten, um bei Afag die Transformation im Vertrieb und die Ausrichtung auf den Kundennutzen voranzutreiben. Daher haben wir im Vertrieb 2021 einen tiefgreifenden Change-Prozess durchlaufen: Wir haben uns eine neue, kundenorientierte Struktur gegeben. Diese steht jetzt und nun wollen wir diese mit Leben füllen.
Wie sieht diese kundenorientierte Struktur aus?
Renc: Wir organisieren uns nicht mehr nach Standorten, sondern nach Regionen und Kunden, um die Stärken bei Afag mit unserem breiten Portfolio noch besser zu nutzen. Dazu haben wir drei Teams gebildet, die einen fest definierten Kundenkreis mit den jeweiligen Spezialisten und Produkten aus den drei Bereichen Handling, Zuführung und Transportieren bedienen.
Sind die Teams nach Branchen aufgebaut?
Renc: Nein, die Teams sind regional orientiert, damit sie den Kunden mit seinen Bedürfnissen besser kennenlernen und ganzheitlich betreuen können. Dazu sollen sich die Spezialisten auch untereinander austauschen.
Apropos Austausch: Afag ist in der Vergangenheit durch Zukäufe gewachsen. Sie haben durch die Zukäufe von eps und mhk neben dem Headquarter in der Schweiz auch wichtige Niederlassungen in Hardt im Schwarzwald und Amberg in der Oberpfalz. Wie führt man diese gewachsenen Standorte und die jeweiligen Mitarbeiter in einer Struktur zusammen?
Renc: Das war die Herausforderung. Aber letztlich hat uns die Corona-Pandemie mit den Lockdowns sogar einen Schub in die richtige Richtung gegeben. Dass Teams über mehrere Standorte so eng zusammenarbeiten, wäre ja vor Corona kaum denkbar gewesen. Nun ist die virtuelle Zusammenarbeit mit Tools wie Microsofts Teams, Sharepoint & Co. Alltag. So sind die virtuellen Teams schnell zusammengewachsen – besser, als wir gedacht haben.
Virtuelle Zusammenarbeit ist das eine: Aber wie kann man das Teamdenken fördern?
Renc: Das stimmt: Die Teams müssen sich finden. Daher haben wir beispielsweise Kickoff-Meetings in angenehmer Atmosphäre durchgeführt, bei denen wir die Teams persönlich zusammengebracht haben. Dort haben wir viel miteinander diskutiert, uns die Kundenbedürfnisse angeschaut und abends als besonderes Event haben wir dannn lecker zusammen gekocht.
Und was sind nun Ihre strategischen Pläne für 2022?
Renc: Wir haben uns auch quantitative Ziele gesetzt. In den nächsten drei Jahren wollen wir den Umsatz von heute rund 50 Millionen auf 75 Millionen Euro steigern. Dazu geben wir auch beim Marketing Gas, haben unsere Webseite überarbeitet, setzen noch mehr auf digitales Marketing und haben zudem beim Außendienst Personal aufgestockt.
Welche Branchen nehmen Sie ins Visier?
Renc: Natürlich haben wir – wie viele Automationsspezialisten – die Automobilbranche als wichtigen Kundenstamm. Da die Automotive-Branche mitten in der Transformation steckt, adressieren wir verstärkt auch neue Märkte – etwa die Elektromobilität oder die Elektronikfertigung. Auch der Medical-Bereich ist für uns sehr interessant.
Mit welchem USP wollen Sie dabei punkten? Was zeichnet Afag aus?
Renc: Nun, wir sind als Automationsspezialist breit aufgestellt und können die Bereiche Handhaben, Zuführen und Transportieren umfassend abbilden und den Kunden Lösungen bieten. Und wir können den Kunden mit unseren Engineering-Teams beraten und begleiten. Der Kunde kann also selbst entscheiden, ob er nur eine Komponente kauft oder ein schlüsselfertiges System, eine komplette Lösung. So bedienen wir Kunden mit unterschiedlicher Fertigungstiefe: große Anlagenbauer ebenso wie kleine Sondermaschinenbauer. Der Kunde bekommt von uns eine Lösung in der Tiefe, wie er sie gerne haben möchte.
Wo liegen beim Zuführen, Handhaben und Transportieren Ihre Schwerpunkte?
Renc: Unsere klassischen Stärken liegen sicher im Bereich Zuführen und Handhaben. Dazu gehören unsere roten Handling-Module, die man in Anlagen in der ganzen Welt findet, ebenso wie unsere patentierten Zuführ-Fördersysteme. Aber auch im eher jungen Bereich Transportieren haben wir spannende und sehr genau Lösungen.
Wie ändern sich die Bedürfnisse der Kunden in der Handhabungs- und Montagetechnik?
Renc: Beim Zuführen gibt es zwei parallele und eher gegenläufige Trends. Die einen Kunden fordern schnellere Taktzeiten und den anderen geht es weniger um Geschwindigkeit, die wollen mehr Flexibilität bei der Zuführung.
Wie setzt man die geforderte Flexibilität bei der Zuführung um?
Renc: Hier setzen wir keine Fördertöpfe ein, sondern Handling-Systeme oder Roboter, die dann die wechselnde Teile von einer Rüttelplatte mit Unterstützung einer Kamera picken können. Dazu kombinieren wir eine Vibrationsplatte oder ein Flip-Band mit einem Handling aus unseren roten Modulen oder dem Roboter eines Partners. Auf Wunsch bieten wir dem Kunden sogar eine fertige Zelle an – mit einem Roboter seiner Wahl.
Und wie löst man die Forderung nach höherer Geschwindigkeit?
Renc: Hier ist Mehrbahnigkeit eine Lösung. Entweder mehrere Bahnen in einem Fördertopf oder eben mehrere Fördertöpfe nebeneinander. Und manchmal hilft einfach eine clevere Lösung. Hier profitieren wir natürlich auch von unserem hauseigenen Engineering: Wir bekommen oft Aufträge, die andere nicht lösen wollen oder können
Was sicher nicht schlecht für die Preise ist, oder?
Renc: Ja. Das stimmt. Wir sind aber ohnehin nicht der Low-Cost-Lieferant, sondern wir fertigen hochwertige Produkte und anspruchsvolle Lösungen. Wir bieten Schweizer Qualität und Präzision. Qualität hat eben ihren Preis.
Und was sind die Trends beim Handling?
Renc: Beim Handling geht der Trend zu komplexeren sowie digitalen und intelligenten Handling-Modulen. Die digitale Transformation ist überall zu spüren. Das treiben wir mit anderen Playern unter dem Dach des VDMA Standards für digitale Handling-Lösungen voran und bringen eine ganz neue Generation an digitalen Handling-Produkten auf den Markt: Schon 2022 sollen erste Produkte kommen.
Was zeichnet diese digitalen Handling-Produkte dann aus?
Renc: Letztlich geht es um mehr Intelligenz in den Produkten – und das auf kleinstem Raum. Die Produkte sollen sich untereinander unterhalten können und noch dazu dem Kunden Informationen liefern, die er auswerten kann – etwa zur Leistungsoptimierung und zur vorausschauenden Wartung.
Nochmal zurück zu Ihren Plänen und Zielen: Wenn die neue Vertriebsstruktur steht, was sind dann Ihre nächsten Ziele?
Renc: Wir haben mit Afag im Export noch Möglichkeiten, die noch nicht ausgeschöpft sind – sowohl in Europa als auch in den USA und in China.
Sie sind Maschinenbau-Ingenieurin. Ist es nicht schwierig als Frau im männerdominierten Maschinenbau?
Renc: Nein. Technik war schon immer meine Leidenschaft. Und ich habe schon immer gerne Dinge aufgebaut oder weiterentwickelt und dabei andere begeistert und mitgerissen. Das macht mir einfach Spaß. Als Frau habe ich mich dabei nie fremd gefühlt. Techniker sind spannende und intelligente Menschen. Man muss sich Respekt verdienen mit Know-how – egal ob als Mann oder als Frau.
Afag Holding AG
„Faszination Bewegung“
Die Schweizer Afag entwickelt und produziert seit über 65 Jahren Komponenten für die Montageautomation in den Bereichen Zuführen, Handhaben und Transportieren. In den Niederlassungen in der Schweiz, Deutschland, China und USA beschäftigt Afag über 300 Mitarbeitende.
Ein kurzer Blick in die Historie
- 1956: Die Apparatefabrik AG – kurz Afag – wird in Huttwil gegründet. Bereits die ersten Produkte dient der Automatisierung – und zwar von Webstühlen.
- 1962 beginnt Afag Automation mit dem Bau der ersten Wendelförderer für die Uhrenindustrie und fertigt einige Jahre später auch komplette Zuführlösungen, die die kleinen Montageteile lagerichtig zur Weiterverarbeitung bereitstellen. Ergänzend entwickelt Afag standardisierte Manipulatoren zur Handhabung der Teile.
- 1981 fällt die Entscheidung, aus dem Handhabungsfundus als Sondermaschinenbauer ein modulares Standardprogramm an Handling Einheiten im Baukasten zu entwickeln – die Geburtsstunde der roten Afag-Handling-Module.
- 1989 beginnt in Amberg die IMA mit der mhk als Vertriebsgesellschaft eigene Schwingförderer zu entwickeln und gefräste Fördertöpfe zu produzieren. IMA/mhk und Afag in Huttwil sind zunächst Wettbewerber am Automationsmarkt.
- 2000/2001 werden beide Unternehmen von der Schweizer Feintool AG aufgekauft, die den Sondermaschinenbau von dem Bereich der Handlings- und Zuführtechnik trennt.
- 2004 wird die mhk in Amberg zur Afag GmbH als Zuführtechnik-Spezialist für industriell gefertigte, CAD/CAM-produzierter Zuführtechnik.
- 2011 übernimmt die familiengeführte Schaeff-Gruppe in Schwäbisch Hall von der Feintool AG den kompletten Handling und Zuführungsbereich unter der Flagge der Afag. Dazu gehört nun die Afag Automation AG in Huttwil und die Afag GmbH in Amberg.
- 2013: Mit der Beteiligung an der eps GmbH verstärkte sich Afag im Bereich der Handlings Systeme.
- 2018: Mit dem Erwerb des Konstruktionsbüros TBK GmbH und TBP GmbH erweitert Afag sein Angebotsportfolio. Die Automationsspezialisten können jetzt auch Engineering-Dienstleistungen anbieten.
- 2019: Aus eps wird die Afag Engineering GmbH in Hardt
- 2021: Die beiden Ingenieurbüros TBK und TBP werden ebenfalls in die Afag Engineering GmbH integriert. Das Unternehmen stellt sich nun ganz neu am Markt auf als Anbieter eines kompletten Portfolios an Zuführung, Handling und Transportsystemen, schlüsselfertigen Lösungen, sowie Engineering Dienstleistungen.
- Ende 2021: Einweihung des neuen Standorts von Afag Automation in Zell, Schweiz