KI sei natürlich in der Automation nichts grundsätzlich Neues, sagt Prof. Piller. „Neu sind jedoch die Qualität und die enormen Möglichkeiten, welche Transformer-Language-Architekturen wie ChatGPT mit sich bringen. Hier geht es nicht darum, wiederkehrende Aufgaben zu automatisieren oder Rechenvorgänge schneller ablaufen zu lassen, sondern um die Verarbeitung von Sprache. Dabei dürfen wir Produktivitätsfortschritte in einem unglaublichen Ausmaß für viele Geschäftsbereichen erwarten.“
Mit Sprache automatisiert umgehen
Die KI-Algorithmen werden insbesondere Innovationsbereiche und das Engineering bereichern. „Ideen entwickeln, sammeln und aufbereiten, Trends erkennen, Kundenbedürfnisse analysieren – bei all diesen Aufgaben geht es am Ende um Sprache, die wir dank KI viel schneller, vielfältiger und leistungsstärker bearbeiten können.“ Einen weiteren entscheidenden Vorteil bringt Prof. Piller auf den Punkt: „Ohne Data Scientist zu sein, kann ich nun auch mittels Sprache direkt mit der Software agieren. Ein Beispiel: Tausende von Kundenreviews oder Daten aus dem CRM analysieren – was früher als Spezialservice mit einem hohen Programmieraufwand verbunden war, macht ChatGPT quasi nebenbei und ist dabei auch noch besonders einfach zugänglich.“
Problem- und Lösungsräume erschließen
Im Innovationsmanagement kann die KI in Zukunft dazu beitragen, größere Problem- und Lösungsräume zu erschließen. „Die Zahl der bearbeitbaren Opportunitäten steigt erheblich an. Somit können Unternehmen viel mehr Innovationspfade parallel betreten, neue Wege erkennen und bei überschaubarem Aufwand das damit verbundene Potenzial bewerten“, erläutert Prof. Piller. Bei der Suche nach Lösungen können die Algorithmen sogar Vorselektionen machen und Vorschläge an den Menschen geben, der am Ende entscheidet – das macht den Gesamtprozess erheblich effektiver.
Höhere Innovationsleistung
Denn auf diese Weise lassen sich wesentlich mehr Ideen betrachten, was letztlich zu einer höheren Innovationsleistung führt, sagt Prof. Piller, der zu diesem Thema an verschiedenen Studien und Fachveröffentlichungen mitgewirkt hat. Sein Fazit: „Künstliche Intelligenz und Menschen werden zunehmend in einer Form hybrider Intelligenz zusammenarbeiten, was eine Neubewertung der Art und Weise erfordert, wie wir Innovation angehen und verwalten.“
Das betreffe das schnelle Erstellen von ersten Konzeptzeichnungen und das Skizzieren von Prototypen ebenso wie Dokumentationen, die sich in Zukunft ebenfalls zu großen Teilen automatisiert erstellen lassen. Ebenso würde die KI bei allen klassischen Disziplinen der Automatisierung unterstützen können, etwa bei virtuellen Inbetriebnahmen.
Produktentwicklung beschleunigen
Auch das Engineering profitiert. „Am Ende des Tages werden Unternehmen quasi einen Digitalen Zwilling ihres Zielmarktes bauen können, also ein komplett automatisiertes Konzept-Testing vornehmen“, ist Prof. Piller überzeugt. Das wiederum erlaube viel mehr Experimentalrunden als früher, da Algorithmen alle Tätigkeiten übernehmen: von der Bearbeitung der Problem- und Lösungsräume über den vollautomatisierten Laborcheck bis zur Optimierung der finalen Formulierung.
Der KI-Experte erwartet zudem eine neue Qualität des Wissensmanagements: „Nochmals weitergehende Perspektiven eröffnet KI, wenn Unternehmen ihr spezifisches Language-Modell erstellen lassen und in dieses ihre gesamten Firmendokumente einfließen lassen, selbstverständlich in einer privaten, umfassend geschützten Cloud.“
Gesammeltes Wissen nutzbar machen
Auf einen Schlag würden damit die Daten und Informationen aus mehreren Jahrzehnten des Engineerings in neuer Qualität nutzbar. Prof. Piller: „Auf Basis des proprietären Wissens des Unternehmens, das mit globalem Wissen verbunden wird, entsteht ein Konvolut, das einen riesigen Wettbewerbsvorteil bietet.“
Wird damit der Mensch überflüssig? Prof. Piller verneint: „Im Gegenteil, gerade im Bereich der Automation werden die personellen Ressourcen voraussichtlich in Zukunft sogar noch stärker gefragt sein. Wir werden zwar viel Zeit beim Recherchieren, Analysieren und Schreiben sparen und uns stattdessen eher aufs Kontrollieren und Verifizieren konzentrieren – und darüber hinaus viel mehr Freiräume für Umsetzen und Implementieren von Innovationen gewinnen.“
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