Startseite » KI »

ChatGPT & Co: Generative KI für Produktion und Automation

Unterstützung bei der Datenanalyse – Co-Piloten fürs Engineering – KI-Bilder trainieren KI
ChatGPT & Co: Generative KI für Produktion und Automation

Der Siegeszug von ChatGPT hat das enorme Potenzial der generativen KI ins Blickfeld gerückt. Wie generative KI genutzt werden kann, zeigt ein Blick in die Praxis von Schäffler, Mercedes Benz und Bosch.

Autor: Armin Barnitzke

Als „Generative Künstliche Intelligenz“ bezeichnet man KI-Systeme, die auf Basis der Daten, die sie während ihres Trainings gesehen haben, neue Inhalte erstellen können. Prominentes Beispiel ist OpenAIs ChatGPT, das kreative und kontextbezogene Texte generieren kann.

Der Konstanzer Robotik-Newcomer Fruitcore Robotics war einer der ersten Automations-Player, der das Thema ChatGPT öffentlichkeitswirksam aufgegriffen hat. „Wir sind stolz darauf, als Vorreiter die erste GPT-Integration in der Industrierobotik umgesetzt zu haben“, sagt Patrick Heimburger, Geschäftsführer von Fruitcore Robotics. Im Juni 2023 hat Fruitcore Robotics mit HorstOS ein neues Betriebssystem mit integrierter KI-Unterstützung auf Basis von ChatGPT vorgestellt.

Mit dem AI-Co-Piloten in HorstOS erhalten Anwender einen intelligenten Assistenten, der sie bei der Einrichtung des Roboters und weiterer Komponenten, bei der Fehlerbehebung oder beim Vorschlagen von Programmbausteinen unterstützt: Der AI-Co-Pilot beantwortet Fragen in Echtzeit und in natürlicher Sprache, wodurch Supportanrufe in vielen Fällen der Vergangenheit angehören.

Möchte der Anwender beispielsweise erfahren, wie er dem Roboter die von der Kamera ermittelte Teileposition übergeben kann, kann er diese Frage per Text-Prompt an den AI-Co-Piloten richten und erhält innerhalb weniger Augenblicke den entsprechenden Code-Baustein.

Siemens mit Microsoft

Während Fruitcore Robotics dazu die kommerzielle Schnittstelle zu ChatGPT nutzt, hat Siemens eine strategische Partnerschaft mit dem OpenAI-Investor Microsoft geschlossen. Erstes konkretes Ergebnis ist der ChatGPT-artige KI-Assistent Siemens Industrial Co-Pilot. Der Industrial Co-Pilot soll Nutzer in die Lage versetzen, komplexen Programmiercode für die Automatisierung zügig zu generieren und zu optimieren sowie Simulationszeiten erheblich zu verkürzen. Prozesse, die sonst mehrere Wochen dauern, werden so auf wenige Minuten reduziert.

„Das ist der Beginn einer neuen Ära“, sagte Cedrik Neike, CEO Siemens Digital Industries. „Früher mussten wir mit Maschinen in ihrer Sprache sprechen. Mit dem Siemens Industrial Co-Pilot können wir mit Maschinen in unserer Sprache sprechen. In wenigen Jahren wird KI in der Industrie allgegenwärtig sein.“

Co-Pilot bei Schaeffler

Der Automobilzulieferer Schaeffler ist einer der ersten Nutzer des Siemens Industrial Co-Pilot. Schaeffler will mit der generative KI seinen Ingenieuren beim Engineering helfen, etwa indem diese SPS-Code zur Programmierung industrieller Automatisierungssysteme durch Eingaben in natürlicher Sprache generieren können. „Siemens Industrial Co-Pilot wird die Zahl der Routineaufgaben reduzieren und dazu beitragen, die Effizienz unseres Teams zu steigern und die Kreativität zu fördern“, ist Klaus Rosenfeld, CEO der Schaeffler Group, überzeugt.

Schaeffler will den Siemens Industrial Co-Pilot auch im laufenden Betrieb nutzen, um Maschinenstillstände deutlich zu verkürzen. Um Fabrikmitarbeiter bei der Identifizierung möglicher Fehler zu unterstützen, hat der Industrial Co-Pilot Zugriff auf alle Dokumentationen, Richtlinien und Handbücher.

„Gerade für die Softwareentwicklung funktioniert generative KI bereits ausgezeichnet“, berichtet Dr. Christof Nitsche, Leiter der Gruppe Zuverlässige KI, Fraunhofer IPA. Denn Code sei stark formalisierter, strukturierter Text und liege umfassend online vor, sodass eine KI damit ideal lernen kann. „Man könnte sogar sagen, dass solch KI-basiert erzeugter Code eine Menge Schwarmintelligenz enthält, weil er auf so vielen vorhandenen Codezeilen aufbaut.“

Hilfe gegen Halluzinieren

Tools für eine automatisierte Code-Prüfung wiederum helfen gegen das Halluzinieren. Der Mensch als Softwareentwickler werde dadurch aber nicht ersetzt: „Es braucht sein Kontextwissen, um den Code überhaupt sinnvoll erzeugen lassen, prüfen und nutzen zu können. Im Grunde wird ihm die Fleißarbeit abgenommen, nicht mehr und nicht weniger.“

Auch Mercedes-Benz testet ChatGPT in der Produktion. Um die Analyse von Produktionsdaten beispielsweise aus dem Qualitätsmanagement zu optimieren, integriert der Automobilkonzern ChatGPT. Damit werden Mitarbeiter in der Produktion bei Fehleranalyse sowie Qualitätsmanagement und Prozessoptimierung unterstützt.

Ein automatisiertes Analysetool ermöglicht die intelligente Verknüpfung einer Vielzahl von Qualitätsdaten aus Entwicklung, Kundenerfahrungen und Produktion. Dadurch können potenzielle Fehlfunktionen schnellstmöglich identifiziert und analysiert werden, sagt Mercedes-Benz.

ChatGPT soll darüber hinaus Qualitätsingenieure durch das Clustern von Daten bei der Fehleridentifikation unterstützen. Da die Abfragen im Dialog gesteuert werden, stehen die notwendigen Daten auch Mitarbeitern ohne Programmierkenntnisse zur Verfügung.

Ein weiterer Fokus bei der Integration von ChatGPT in der Produktion liegt bei Mercedes Benz darauf, den Mitarbeitenden weltweit einen KI-basierten digitalen Ansprechpartner zur Seite zu stellen. Die Beschäftigten in der Produktion kommunizieren über ein Self-Service-Portal, das auf jedem Firmengerät verfügbar ist – einschließlich Tablets, Smartphones und Laptops.

Künstliche Intelligenz bei Balluff

Seit 2024 unterstützen beim Automatisierungsspezialisten Balluff ein selbstentwickelter KI-basierter Chatbot (BalluffGPT) und ein KI-gestützter Assistent zur Softwareentwicklung (GitHub Copilot) die Mitarbeiter in der täglichen Arbeit.

Als KI-basierter Chatbot gibt BalluffGPT Mitarbeitenden Antworten auf ihre Fragen. GitHub Copilot wiederum ist ein KI-gestützter Code-Assistenten, der Entwicklern hilft, Code schneller und effizienter zu schreiben. Geplant ist die Entwicklung weiterer Balluff-Bots, die auf Basis interner Daten und Dokumente arbeiten werden und so zum Beispiel Informationen aus Wissensdatenbanken oder dem HR-Bereich aufbereiten.

„KI findet in vielen unserer Lösungen bereits Anwendung – doch auch in unserer täglichen Arbeit steigern wir mit der Technologie sowohl unsere Effizienz als auch unsere Effektivität“, sagt Patrick Wild, Head of Global IT und Mitglied von Balluffs AI Task Force. „Das Tool BalluffGPT wurde in unserer eigenen Cloud-Infrastruktur entwickelt und entspricht somit allen hohen Sicherheitsstandards. Bei Balluff verstehen wir unsere beiden KI-Initiativen als echte Game Changer, denn sie steigern nicht nur unsere Innovationsfähigkeit, sondern vereinfachen und beschleunigen auch an vielen Stellen den Arbeitsalltag.“

Bosch: Generative KI erzeugt Bilder

Bei Bosch wiederum setzt man weniger auf die KI-generierte Sprachfunktionen in der Produktion, sondern nutzt in Pilotprojekten generative KI zur Bilderzeugung. Konkret will der Konzern in zwei deutschen Werken mit generativer KI synthetische Bilder erzeugen, um damit KI-Lösungen für die optische Inspektion zu entwickeln oder bereits vorhandene KI-Modelle zu optimieren.

„Für eine KI-basierte Qualitätskontrolle braucht es eine Menge Lerndaten, idealerweise auch von Defekten, damit die KI diese dann auch erkennen kann. Glücklicherweise gibt es wenig reale Defektbilder aus Produktionen“, erläutert IPA-Experte Christof Nitsche. Diese Defekt-Bilder könne man mithilfe von generativer KI erzeugen. „Und das funktioniert tatsächlich hervorragend.“

Während das eine Bosch-Werk mit KI synthetische Bilder erzeugt, um Schweißungen von Kupferdrähten in der Elektromotorenfertigung zuverlässig KI-basiert zu prüfen, legt das andere Werk seinen Schwerpunkt auf die Qualitätssicherung von Hochdruckpumpen.

„Schon heute nutzt nahezu jedes zweite Bosch-Werk KI in der Produktion. Mit Hilfe von generativer KI verbessern wir nicht nur bestehende KI-Lösungen, wir schaffen so auch Grundlagen für eine optimale Durchdringung dieser Zukunftstechnologie in unserem weltweiten Fertigungsverbund“, sagt Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH.

Im Werk in Hildesheim wurden synthetisch generierte Bilder bereits bei ersten Serien-Anlagen in der Elektromotorenfertigung erfolgreich zum Training eingesetzt. Mit dem menschlichen Auge sind die künstlich generierten Bilder nicht von realen Bildern zu unterscheiden. In Hildesheim geht man davon aus, dass sich durch den neuen Ansatz die Projektlaufzeit um sechs Monate gegenüber konventionellen Verfahren verkürzt und sich Produktivitätssteigerungen in Höhe von sechsstelligen Euro-Beträgen pro Jahr ergeben.

Dabei vertraut Bosch übrigens nicht auf OpenAI und Microsoft, sondern setzt auf eigenes Know-how: Entwickelt wurden die Softwaremodelle für generative KI in der Bosch-eigenen Forschung. Gespeist aus den riesigen Datensätzen des Bosch-Fertigungsnetzwerks hat die Bosch-Forschung ein Foundation Model entwickelt.

Verwaltung nutzt Aleph Alpha

Dass generative KI jenseits von Microsoft und OpenAI möglich ist, zeigt auch die Text-Assistenz „F13“ die das Innovationslabor Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha entwickelt hat. Der KI-Chatbot soll Mitarbeiter der Landesverwaltung bei ihrer täglichen Text-Arbeit entlasten. Seit Mai 2023 können alle Mitarbeiter mit Zugriff auf das Landesverwaltungsnetz „F13“ nutzen.

Aktuell beinhaltet der Prototyp vier Funktionen, darunter eine Rechercheassistenz, die bei der Aufbereitung großer Informationsmengen zu spezifischen und individuellen Fragestellungen unterstützt, und eine Zusammenfassungsfunktion, die Texte in unterschiedlich starken Komprimierungsstufen zusammenfasst.

Aber haben Eigenentwicklungen oder Start-ups wie Aleph Alpha tatsächlich eine Chance gegen Big Player wie OpenAI? KI-Experte Dr. Christof Nitsche findet das aktuell schwierig zu beantworten. „Der Markt ist noch so jung und extrem dynamisch“ Zumal sich derzeit überall viel tue und es zunehmend Eigenentwicklungen gebe, ob in Unternehmen oder an Universitäten. Allerdings scheint OpenAI durchaus die Marktdominanz zu beanspruchen, gerade wenn man an den kürzlich präsentierten App-Store denkt mit Millionen von Anwendungen. Hier dürfte es für Start-ups schwer werden, mitzuhalten.

Ohnehin seien Deutschland und Europa beim Thema künstliche Intelligenz bereits sehr abhängig von US-Konzernen, warnt Nitsche: „Denn die zwei wichtigsten KI-Bibliotheken stellen aktuell Google und Facebook bereit: Tensorflow und Pytorch.“ Würden deutsche Unternehmen den Zugriff hierauf plötzlich limitieren, wäre das extrem problematisch, weil wir in Europa nichts Vergleichbares haben. „Das wäre in etwa so, als wenn ein Taxifahrer sein Auto nicht mehr nutzen könnte – eine zentrale Technologie bräche weg. Mit OpenAI ist es aktuell ähnlich.“

Unsere Webinar-Empfehlung


Hier finden Sie mehr über:
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Automationspraxis 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Medienpartnerschaft RBTX.com

Informationen und konkrete Lösungen für die Low-Cost-Automation finden Sie auf dem Lean-Robotix-Marktplatz RBTX.com.

Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Kalender

Aktuelle Termine für die Automatisierungsbranche

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de