Durch die digitalen Ökosysteme der Industrie 4.0 und den automatisierten Datenaustausch entstehen neue datenbasierte Geschäftsmodelle, in denen Hersteller zu Dienstleistern werden. Zukünftig könnten alle Prozesse in einer Werkhalle als einzelne Services angeboten werden: Everything as a Service (XaaS). Eine Maschine muss dann nicht mehr gekauft werden – der Nutzer zahlt in einem Pay-per-Use-Modell.
Im Großforschungsprojekt X-Forge untersucht ein Forschungsteam vom Fraunhofer IPA zusammen mit Partnern aus der Industrie einige dieser neuen Geschäftsmodelle und klärt, welche Daten dafür ausgetauscht werden müssen und wie dieser Datentransfer technisch umsetzbar ist.
In jedem der vier Initiativen des Großforschungsprojekts entwickeln unterschiedliche Partner digitale Services für den Maschinen- und Anlagenbau, betreiben sie und transferieren die Erkenntnisse in andere Branchen. Alle Services sollen möglichst auf Open-Source-Software basieren, damit sie der Allgemeinheit zugänglich gemacht und in einer Community weiterentwickelt werden können.
Rechnung direkt von der Maschine
Die Anschaffungskosten für Hightech-Maschinen können gerade kleine Unternehmen oft nur mit großer Mühe stemmen. Also pflegen sie lieber den bestehenden Maschinenpark und zögern Investitionen hinaus. Eine Lösung bietet hier das Pay-per-Use-Modell. Damit bleiben die Maschinen Eigentum des Herstellers und Anwender bezahlen monatlich für die Nutzung.
Wie ein solches, nutzungsbasiertes Geschäftsmodell ausgestaltet sein muss, damit es für Hersteller und Anwender gleichermaßen attraktiv ist, wird im Projekt Wood Working as a Service (WOODaaS) untersucht: Was genau wird am Monatsende abgerechnet und wie erfolgen Rechnungsstellung und Bezahlung? Außerdem wird geklärt, ob die Daten, die die Sensoren bestehender Hobel- und Kehlmaschinen generieren, für das neue Geschäftsmodell ausreichen und welche Daten zusätzlich erhoben werden müssen. Am Ende werden Rechnungen, Bezahl- und Wartungsvorgänge automatisiert ausgelöst.
Fabrikhalle voller Services
Das Projekt Smart Factory as a Service (FABaaS) geht noch einen Schritt weiter: Hier wird nicht der Betrieb einer einzelnen Maschine oder der Lebenszyklus eines bestimmten Produkts zu einem nutzungsbasierten Geschäftsmodell weiterentwickelt, sondern der gesamte Ende-zu-Ende-Prozess in einem produzierenden Unternehmen – von der Bestellung über die Fertigung bis zur Auslieferung und Bezahlung. Dass alles, was in einer Werkhalle geschieht, in einzelne buchbare Services externer Anbieter aufgeteilt wird, ist ein neuer Ansatz für die Produktion, der durch die Digitalisierung überhaupt erst möglich wird.
XaaS-Angebote sind nicht nur wegen ihrer kosteneffizienten Nutzung von Ressourcen vorteilhaft. Vielmehr ermöglichen sie auch einen hohen Grad an Flexibilität, fördern Innovationen und schaffen Zugang zu Fachwissen, während sie den Herstellern erlauben, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und agiler auf Marktbedürfnisse zu reagieren.
Für die Anbieter solcher Lösungen liegt der Mehrwert insbesondere in der Generierung regelmäßig wiederkehrender Einnahmen und in der starken Kundenbindung. Abhängig vom Marktumfeld ergeben sich auch Wettbewerbsvorteile durch Alleinstellungsmerkmale. Kern des Ansatzes ist die Fokussierung auf datenbasierte Lösungen und die Beziehung zwischen den handelnden Parteien.
So sind in den vergangenen zwei Jahren im Großprojekt X-Forge zahlreiche neue Methoden und Modelle zur Entwicklung und Implementierung von XaaS entstanden. Insgesamt wurden bisher 15 XaaS-Dienste entwickelt. Auf den Projektergebnissen soll nun, gemeinsam mit anderen Forschungsprojekten, im Rahmen von Manufacturing-X aufgebaut werden. Das Großprojekt strebt die Kommerzialisierung und Skalierung der Services im GAIA-X Framework an, der Weg zur Skalierung wird schon beschritten.
Fraunhofer IPA
Mehr zum Thema Industrie 4.0