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Wie Lenze die Digitalisierung im Maschinenbau vorantreibt

Lenze-CEO Christian Wendler über Wandel und die Bereitschaft zur Veränderung
Wie Lenze die Digitalisierung im Maschinenbau vorantreibt

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Sein 75-jähriges Jubiläum feiert Lenze in diesem Jahr. Das Motto: „The Courage of Change“. Wie sich die Antriebsexperten aus Hameln zu Automatisierungs- und Digitalisierungs-Spezialisten gewandelt haben und warum man dafür Mut und die Bereitschaft zur Veränderung braucht, das erläutert Lenze-CEO Christian Wendler im Exklusiv-Interview.

Interview: Armin Barnitzke

Begonnen hat Lenze 1947 als Spezialist für mechanische Antriebstechnik. Was ist Lenze heute?

Wendler: Ein ziemlich erfolgreiches Unternehmen, das zweistellig wächst (lacht). Im Ernst: Wir sind Taktgeber der Automatisierung und ermöglichen unseren Kunden eine vernetzte und energieeffiziente Produktion. Und ich bin davon überzeugt: Die besten Zeiten der Automatisierung stehen uns noch bevor. Wir alle realisieren gerade, was es beispielsweise heißt, Energie sparen zu müssen. Ohne Automatisierung, ohne Elektrotechnik und IT werden wir nicht auskommen. Wir sprechen über DC-Netze, über Vernetzung von Energiesystemen und Maschinen und über weniger Verbrauch durch intelligente Steuerung. Gleichzeitig muss Automatisierung noch einfacher und intuitiver werden, denn Engineering-Zeit wird noch kostbarer werden, weil uns Fachkräfte fehlen.

Inwiefern profitieren Sie auf dem Weg zum Automations- und Digitalisierungsspezialisten von ihren Wurzeln?

Wendler: Unsere Ingenieurinnen und Ingenieure wissen, wie es ist, bei acht Grad im Logistik-Frischwaren-Lager zu arbeiten, die Antriebe zu installieren und Komponenten auszuwechseln. Domänenwissen ist gerade in Europa ein großer Vorteil und deshalb haben wir unser Domänenwissen in den letzten Dekaden intensiv ausgebaut. Aber wir ruhen uns nicht auf unseren Erfolgen aus. Wir nutzen sie als Sprungbrett – für neue Produkte, Ideen und Kooperationen. Unser Unternehmen hat sich immer wieder verändert und Märkte mitentwickelt. Das stimmt mich zuversichtlich. Denn die Herausforderungen bei unseren Kunden können wir nur im Zusammenspiel von Elektrotechnik, Automatisierung und IT lösen. Deshalb braucht man das Zusammenspiel von IT und OT. Wir kennen uns in beiden Welten aus.

Wie schafft man den Kulturwandel vom Hardware-lastigen Antriebsspezialisten zur Digital Company?

Wendler: Das verrate ich natürlich nur ungern, denn dann macht uns das jeder Marktbegleiter nach (lacht). Ich will nicht immer von der Mannschaft sprechen, die sich verändern muss. Das stimmt zwar, aber ich selbst musste mich auch verändern. Ich bin Elektrotechniker, habe die Glanzzeiten der Automatisierung miterlebt, neue Technologien, immer mehr Wachstum. Als junger Ingenieur dachte ich: Das geht immer exakt so weiter. Tut es aber nicht. Daher brauchte ich ein neues Bild, ein neues Ziel und musste mir Partner im Unternehmen suchen, die den Weg mitgehen.

Was heißt das konkret?

Wendler: Ich musst lernen, mehr zuzuhöre, mehr zu kommunizieren und Technologien zu erklären. Als Unternehmen mussten wir lernen, uns mehr zu trauen. Dazu gehört auch, mutig neue Wege zu gehen und auch mal „falsch“ abzubiegen. Aus Fehlern lernt man, wenn das Feedback fair ist. Sie müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu kennenlernen, um mit ihnen über die eingeübten Muster hinaus weiterzugehen. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele verborgene Talente wir bei Lenze haben. Diese zu erkennen, lohnt sich, denn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen den Unterschied.

Wie nehmen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Transformationsreise mit?

Wendler: Wir machen jetzt nicht aus jedem einen Data-Scientisten (lacht). Wir brauchen auch Ideen von außen, holen Menschen rein, lassen uns Dinge erklären, hören zu. Das fiel uns in der Vergangenheit manchmal schwer, denn immerhin haben wir seit 75 Jahren großartige Arbeit geleistet. Ein großes Pfund auf dieser Reise sind unsere Teams in Bremen und Stuttgart, also Encoway und Logicline, die seit Jahrzehnten nichts anderes als Digitalisierung machen. Von und mit diesen Kolleginnen und Kollegen lernt unsere Organisation immens.

Wollen Sie also neben Encoway und Logicline noch weitere Software-Firmen kaufen?

Wendler: Eine Korrektur, Encoway wurde nicht gekauft, sondern ist eine gemeinsame Gründung. Anfang der 2000er Jahre zeigten wir damit schon einigen Weitblick. Wir halten immer die Augen auf und schauen, wie wir als Unternehmen weiterkommen. Aber wir müssen wegkommen von der Denke, man müsse alles kaufen und nur dann funktioniere es. Viele gute Unternehmen stehen gar nicht zum Verkauf. Mein Weg ist: Wir müssen in Zusammenarbeit investieren, in Ökosystemen denken und konkret Partnerprogramme ausbauen, denn ehrlich gesagt: Die Integration von anderen Unternehmenskulturen ist nach einem Kauf eine Herausforderung, die meist unterschätzt wird. Lieber verdienen wir gemeinsam Geld.

Was bieten Sie Ihren Kunden heute bereits in Sachen Automation und Digitalisierung?

Wendler: Wir verheiraten die OT und die IT. Und glauben Sie mir, es wird eine glückliche, lohnenswerte Verbindung. Lenze kann seinen Kunden Lösungen als One-Stop-Shop anbieten. Wir entwickeln gemeinsam digitale Geschäftsmodelle mit Kunden und implementieren diese im digitalen Zwilling und vor Ort. Wir bringen auch unsere Hardware-Komponenten mit ein. Das immense Domänenwissen habe ich bereits angesprochen. Darauf bauen wir auf. Wir haben das Lenze-Systemhaus. In diesem bündeln wir unser Digitalisierungs-Know-how und sind weltweit Partner unserer Kunden.

Und damit wollen Sie insbesondere kleinen und mittleren Maschinenbauern auf dem Weg in die Digitalisierung helfen?

Wendler: Ja, denn viele Maschinenbauer wollen ihren Kunden digitale Services anbieten, weil sie genau wissen, dass sie in naher Zukunft sonst den Anschluss verlieren. Und es mangelt nicht an exzellenten Ideen, aber es fehlen zumeist die Ressourcen, die Fachkräfte, das Wissen und die Technologiekompetenz, um agil eine tiefergehende Umsetzung anzugehen und digitale Angebote zu entwickeln. An diesem Punkt unterstützen wir. Wir helfen unseren Maschinen- und Anlagenbaukunden bei der Digitalisierung und nehmen sie an die Hand, um gemeinsam Applikationen zu entwickeln. Heute kann kein Unternehmen mehr allein im stillen Kämmerlein Software programmieren. Der Erfolg liegt im Miteinander von Kunden, OEMs, Zulieferern und Technologieträgern.

Was haben Sie speziell mit der Open Automation Plattform Nupano vor?

Wendler: Wir wollen dem Kunden einen ökonomischen Mehrwert liefern. Den vermissen viele Maschinen- und Anlagenbauer im Markt, insbesondere, wenn es um die Digitalisierung geht. Unsere Kunden fordern von einer Plattform einen Wettbewerbsvorteil und wollen nicht nur Commodity-Apps runterladen. Mit unserer Open Automation Plattform Nupano unterstützen wir die Maschinen- und Anlagenbauer bei der Entwicklung eigener Applikationen, die ihnen neue Umsätze ermöglichen. Als Basis-Set liefern wir auch sofort ein Life-Cycle-Management der Apps mit und setzen auf offene IT-Standards. Commodity-Apps gibt es obendrauf. Diese Baukastensystematik ist ein großer Vorteil unseres Ansatzes.

Und was soll in Zukunft noch kommen? Wie ist Ihre Strategie in Sachen Digitalisierung?

Wendler: Ein bisschen davon habe ich Ihnen ja schon verraten. Wichtig: Wir müssen und wir wollen immer nah am Kunden sein. Die Aufgabenstellung unserer Kunden und die Erfüllung der Bedürfnisse ihrer Kunden stehen im Vordergrund. In unserer Strategie trennen wir letztendlich gar nicht zwischen Automatisierung und Digitalisierung, sondern bieten ein durchgängiges Portfolio: Von leistungsfähigen Antrieben über das modulare Automatisierungssystem und die offene Plattform Nupano bis zu branchen- oder kundenspezifischen Apps. Ich bin übrigens überzeugt davon, dass es nicht die eine Checkliste ‚Digitalisierung‘ für alle Industrien gibt. Im Lösungsgeschäft kommt es immer darauf an, Standardsoftware zu nutzen und gleichzeitig geschickt auf spezifische Anforderungen der Kunden eingehen zu können. Und genau das können wir: Für unsere Kunden den richtigen, wirtschaftlich optimalen Schnitt zwischen Standardisierung und Individualisierung ihrer Lösung herstellen.

Lenze SE

www.lenze.com


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