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Kukas Strategie in der Open Industry 4.0 Alliance

Interview: Dr. Christian Liedtke, Head of Strategic Alliances, Kuka AG
Kuka zur Industrie 4.0: „Revolutionäre Veränderungen kommen nicht aus der Komfortzone“

Wieso Industrie 4.0 als Markenname der digitalen Revolution“ immer noch zeitgemäß ist, weshalb Protektionismus die Digitalisierung in der Produktion ausbremst und warum Kuka die Open Industry 4.0 Alliance vorantreibt, verrät Dr. Christian Liedtke, Head of Strategic Alliances bei Kuka.

Interview: Armin Barnitzke

Industrie 4.0 feiert dieses Jahr Jubiläum – der Begriff ist nun schon 10 Jahre alt. Ist denn Industrie 4.0 überhaupt noch zeitgemäß?

Liedtke: Industrie 4.0 als Begriff hat natürlich nach wie vor seine Berechtigung. Es ist aber doch so: Revolutionen zu betiteln – und als erste, zweite oder dritte industrielle Revolution zu bezeichnen –, ist im Rückblick deutlich einfacher als in der Vorausschau. So ist es auch mit der vierten industriellen Revolution. Sie wird als Industrie 4.0 in die Geschichtsbücher eingehen. Bis es soweit ist, verwenden wir begleitend Begriffe wie „das industrielle Internet der Dinge“, „digitale Transformation“, „Digitalisierung“ oder die „Vernetzung der Industrie“.

Sind das nicht alles ganz unterschiedliche Dinge?

Liedtke: All diese Bezeichnungen schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern ergänzen sich und bilden zusammen das, was wir unter Industrie 4.0 verstehen. Industrie 4.0 ist mehr als „Markenname“ zu sehen – ähnlich wie „Tempo“, das Taschentuch. Der Markenname hat sich aus Deutschland heraus weltweit etabliert, weicht lediglich minimal in der Schreibweise ab, meint aber immer das gleiche.

Was sind noch die größten Hürden bei der Verwirklichung der Digitalisierung in der Produktionswelt?

Liedtke: Industrie-4.0-Anwendungen sind heute nicht skalierbar. Die Kommunikation der einzelnen Komponenten muss mit jedem Teile- und Maschinenlieferanten einzeln abgestimmt werden. Diese Abstimmung muss für jede neue Maschine, die in den Prozess integriert wird, wiederholt werden. Jeder Maschinen- und Anlagenhersteller betreibt ein Stück weit Protektionismus, weil er zunächst dafür sorgt, dass seine eigenen Komponenten untereinander reibungslos kommunizieren können.

Was bedeutet das in der Praxis?

Liedtke: Wenn ich heute verschiedene Anlagen einer Produktion vernetzen möchte, muss ich massiv in die Infrastruktur investieren. Da werde ich niemals einen Return on Investment erreichen. Ein konkretes Beispiel: Alles was die deutsche Automobilindustrie in der Produktion macht, ist auf einem sehr hohen Stand. Da lassen sich keine Verbesserungen im höheren Prozentbereich realisieren. Entsprechend niedrig müssen die Investitionen für Optimierungsmaßnahmen sein, um auf einen grünen Zweig zu kommen.

Und warum gibt es trotz OPC UA immer noch so viele Datensilos?

Liedtke: OPC UA hat nichts mit Datensilos zu tun. Die Datensilos entstehen vielmehr dadurch, dass Unternehmen ihre Daten nicht mit anderen teilen. Stichwort: Protektionismus. OPC UA wird die Silos nicht aufbrechen, unterstützt aber sehr wohl die Verbindung untereinander.

Kuka ist auch eine der treibenden Kräfte in der Open Industry 4.0 Alliance: Warum?

Liedtke: Revolutionäre Veränderungen kommen nicht aus der Komfortzone. Es braucht Agilität und Flexibilität. Wir müssen lernen, unser Know-how auf die Straße zu bringen. Dazu ist Mut gefragt, die Initiative zu ergreifen, selbst wenn unsicher ist, ob man damit langfristig Erfolg haben wird. Digitalisierung in der Industrie wird daher nur dann funktionieren, wenn Unternehmen ihren eigenen Weg auch ein Stück weit verlassen, um in Ökosystemen gemeinsam etwas Großes zu schaffen. Jedes Mitglied der Allianz trägt seinen Teil dazu bei, dass Endanwender ihre Produktion einfacher vernetzen können.

Nämlich?

Liedtke: Wir als Kuka sind Automatisierungs-Spezialist. Wir bauen Roboter, Zellen und ganze Anlagen. Natürlich bieten wir zur Hardware auch digitale Services. Und wenn es dann um die Vernetzung von Maschinen auf dem Shopfloor und die begleitenden Produktionsprozesse geht, brauchen wir Partnerschaften. Hier können wir und unsere Partner dann das Know-how zusammenführen. Wenn es also aus unserer OT-Welt hinein in die IT-Welt geht, brauchen wir starke Partner, die wiederum darin Profi sind: zum Beispiel SAP

Vor kurzem sind Microsoft und Siemens bei der Open Industry 4.0 Alliance mit an Bord gekommen: Wie wichtig war dieser Meilenstein?

Liedtke: Innerhalb der Allianz und der bisher dort vertretenen Kompetenzen gab es in den Edge- und Cloud-Layern noch weiße Flecken, die wir nun besser schließen können. Natürlich zeigt der Beitritt von Mircosoft als Hyperscaler auch, welche Relevanz die Allianz mittlerweile erreicht hat. Beide neuen Mitglieder erweitern das bisherige Portfolio der Allianz bedeutend.

Wird gerade mit Microsoft die Allianz noch internationaler? Bislang war die Allianz ja vor allem ein who is who der deutschen Industrie…

Liedtke: Die Internationalisierung voranzutreiben ist eines der zentralen Ziele der Open Industry 4.0 Alliance. Aber natürlich muss man irgendwo einmal anfangen, und da haben wir uns ganz bewusst für den deutschsprachigen Raum entschieden, weil es gerade zu Beginn einer Zusammenarbeit wichtig ist, dass wir uns relativ einfach austauschen können. Unter den mittlerweile rund 80 Mitgliedern befinden mit Kuka, SAP, Microsoft, Siemens oder Voith aber inzwischen schon international agierende Unternehmen oder auch Unternehmen mit Sitz in Europa, Asien oder Amerika.

Sind Sie mit der Beteiligung der deutschen Industrie zufrieden?

Liedtke: Naja, was das who is who der deutschen Wirtschaft betrifft, würden wir uns eigentlich noch mehr Vertreter aus dem Maschinenbau wünschen. Davon sind leider die wenigsten in Allianzen wie der Open Industry 4.0 Alliance aktiv, aber in der Produktion stehen wir Seite an Seite mit ihnen und könnten gemeinsam viel in Hinblick auf die Digitalisierung der Produktion erreichen.

An was arbeitet Kuka in der Open Industry 4.0 Alliance?

Liedtke: In der Allianz geht es nicht nur darum, dass Maschinen miteinander kommunizieren können. Wir betrachten auch die Software. So soll zum Beispiel die Software, die die Nutzung und Wartungszyklen eines Roboters überwacht mit einer SAP-Software vernetzt werden. Das bedeutet, dass ein Sensor, der irgendwo in einer Produktionsanlage verbaut ist, das gleiche Datenmodell nutzen muss, wie die Daten, die in einem ERP-System abgelegt sind. Für die ganze Kette dazwischen muss das Datenmodell identisch sein, außer der OPC Foundation hat das noch keiner bedacht. Aber, die Fabriken in Deutschland sind Brownfield-Standorte. Die Bestandsanlagen dort können den Standard OPC UA nicht zwangsläufig sprechen. In der Prozessindustrie gibt es sogar Anlagenteile, die Jahrzehnte alt sind.

Welche Projekte laufen konkret und mit wem?

Liedtke: Ganz konkret arbeiten wir mit SAP, Voith, 3D Signals, Fujitsu oder Multivac an Early Adopter-Projekten. Worum es darin geht? Wir verfolgen gemeinsam das Ziel, die Architektur mit Leben zu füllen. Unser Kernprodukt „Roboter“ ist dabei zu 100% kompatibel und interoperabel mit den in der Allianz eingebrachten Produkten. Innerhalb der Allianz gibt es einen Prozess, der die Konformität der Produkte und Lösungen überprüft. Produkte und Lösungen, die diesen Prozess erfolgreich durchlaufen, erhalten das Label der Allianz. Je mehr Produkte und Lösungen das Label bekommen, desto größer wird natürlich auch der Pool und die Attraktivität für potenzielle Kunden, ihre Projekte über die Allianz einzusteuern.

Wollen Sie mit der Alliianz auch eigene Standards schaffen?

Liedtke: Nein. Es geht uns nicht darum, einen neuen Standard zu kreieren. Wir wollen auf den bestehenden Standards aufsetzen. Wir sorgen alle gemeinschaftlich dafür, dass wir bestehende Standards nehmen, um eine Struktur zu schaffen, wie die Komponenten der einzelnen Teilnehmer zusammenarbeiten können. Kunden können weiterhin ein Siemens Mindsphere, ein Adamos-Netzwerk, ein Axoom und ähnliches parallel dazu verwenden.

Aber es gibt konkrete Ergebnisse der Arbeit der Open Industry 4.0 Alliance?

Liedtke: Klar. Ein aktuelles, konkretes Ergebnis ist der Open Industry 4.0 Alliance Community App Store, der im Umfeld der Allianz entstanden ist und als Projekt eines Mitglieds erstmals auch das Label Open Industry 4.0 Alliance Community erhalten hat. Der OI4 Community App Store stellt Hardware-unabhängige, für die Industrie geeignete Apps so einfach zur Verfügung wie Consumer-Apps auf dem Smartphone.

Kuka AG

Zugspitzstraße 140

86165 Augsburg

www.kuka.com


In diesen strategischen Allianzen ist Kuka vertreten:

  • Open Industry 4.0 (mit SAP und 80 weiteren Unternehmen): Die Open Industry 4.0 Alliance schafft Mehrwert durch die Förderung ganzheitlich entwickelter, interoperabler Industrie 4.0-Lösungen und -Services. Basis hierfür sind gemeinsame Rahmenbedingungen, die Unternehmen verschiedener Branchen mitentwickeln. Im Oktober hat die Allianz, bei der Kuka Gründungsmitglied ist, ihren ersten Geburtstag gefeiert.
  • Industrial Digital Twin Association (IDTA, gegründet vom VDMA und ZVEI mit 20 Unternehmen): Ziel des Vereins ist es, die parallel verlaufenden Entwicklungsstränge zum industriellen digitalen Zwilling zusammenzubringen und als Open-Source-Lösung gemeinsam mit den Mitgliedsunternehmen zu entwickeln. Anwender profitieren dabei von den frühen Einblicken in die Digitalisierung der Industrieprodukte.
  • Mindsphere World e.V. (mit Siemens und über 120 weiteren Partnern): Mindsphere ist Siemens‘ industrielle IoT-as-a-Service-Lösung, die Analysefunktionen und KI nutzt, um IoT-Lösungen von Edge bis Cloud umzusetzen. Aufgebaut auf der Anwendungsplattform von Mendix ermöglicht es Mindsphere seinen Nutzern, schnell personalisierte IoT-Anwendungen zu entwickeln und zu integrieren.
  • Plattform Industrie 4.0: Wurde 2013 als ein Gemeinschaftsprojekt der deutschen Wirtschaftsverbände Bitkom, VDMA und ZVEI zur Umsetzung des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 der Hightech-Strategie der Bundesregierung gegründet. 2015 wurde die Plattform erweitert und Akteure aus Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik einbezogen. Inzwischen wirken über 350 Akteure aus mehr als 150 Organisationen in der Plattform mit.

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