Eine Kühlschranktür kann bis zu 20 Kilogramm wiegen. Während sie bei der Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH die Türenschäumerei und weitere Montagestationen durchläuft, müssen die Monteure sie immer wieder anheben, tragen und auf einem Arbeitstisch ablegen. Dabei sollen die Monteure einer möglichst geringen körperlichen Belastung ausgesetzt sein. Gleichzeitig ist es für Liebherr schwieriger geworden, effizient zu produzieren, weil die Variantenvielfalt zugenommen hat.
Um auszuloten, wie Ergonomie und Produktivität weiter gesteigert werden können, hat sich die Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA ins Haus geholt. Mit Kameras und Sensoren haben sie einen Tag lang ausgewählte Montagearbeitsplätze unter die Lupe genommen und Optimierungspotenziale aufgedeckt.
Sensoren an Werkzeugen sowie Bauteilen – und ein digitaler Avatar
Um manuelle Montageprozesse auswerten zu können, ohne den laufenden Betrieb zu stören, haben die Forscher ein modulares und skalierbares Sensorsystem namens LeanDA entwickelt. Es besteht aus kleinen drahtlosen Sensorpaketen, die an Werkzeugen und Bauteilen befestigt werden. Zehn davon hat das Forschungsteam an Schraubern, Scannern, Kisten oder Klebebandabrollern angebracht.
„Die Sensoren erkennen, wann welches Werkzeug verwendet und wann welcher Prozessschritt ausgeführt wird“, erklärt Patricia Berkhan vom Fraunhofer IPA. „Die ermittelten Daten gehen an ein Edge-Device, wo sie von intelligenten Algorithmen ausgewertet werden.“
Damit alle Bewegungen, die die Monteure während der Arbeit ausführen, lückenlos erfasst und ausgewertet werden können, haben die Forscherinnen und Forscher außerdem ein System von Inertialsensoren angewendet. Jeweils 17 Sensoren hat das Forschungsteam an den Armen und Beinen sowie an weiteren Körperpunkten der Monteure angebracht und deren anthropometrische Daten erfasst. Mit den Sensorbewegungen werden diese Daten zu einem dreidimensionalen digitalen Avatar zusammengefügt.
Optimierungspotenzial offengelegt
Mehrere Hundert Megabyte an Daten haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler so innerhalb weniger Stunden gesammelt. Minutiös können sie daraus ermitteln, welcher Prozess wie lange dauert und wie groß der Wertschöpfungsanteil ist. Sie können Verschwendungen aufdecken und deren Ursache benennen. Sie können Laufwege rekonstruieren und zeigen, welche davon vermieden oder verkürzt werden könnten, um die Effizienz weiter zu verbessern. Und sie können aus ihren Daten ableiten, wie die Montagearbeitsplätze umgestaltet werden könnten, um Arbeiten in leicht gebeugter Haltung künftig zu verhindern.
Das Forschungsprojekt bei der Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH war ein sogenanntes »Exploring Project« des Zentrums für Cyberphysische Systeme (ZCPS) am Fraunhofer IPA. Forscherinnen und Forscher aus den beiden Gruppen Montageplanung und datengetriebene Montageoptimierung sowie Angewandte Biomechanik haben sich zusammengeschlossen, um durch Fusionierung verschiedener Sensorsysteme in der manuellen Kühlschrank-Montage Transparenz hinsichtlich Produktivität und Ergonomie zu schaffen.
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
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