Lohnfertiger in der Metallbearbeitung stehen im internationalen Wettbewerb unter massivem Preisdruck. Ihre Zerspanungsmaschinen müssen sie deshalb effektiv nutzen – möglichst rund um die Uhr, mit durchgängig hoher Fertigungsqualität und zu niedrigen Kosten. Die Realität sieht allerdings anders aus: Insbesondere bei der Fertigung von Kleinserien und Einzelstücken stehen Zerspanungsmaschinen immer wieder still, weil ein Werkzeug gebrochen ist oder die Oberflächenqualität der Werkstücke zu wünschen übrig lässt.
Prozessoptimierung müsste also mit geringem Aufwand oder am besten automatisch ablaufen. Doch obwohl der Prozess bereits durch viele Sensoren überwacht wird, bieten existierende Lösungen nur eine eingeschränkte Sichtweise auf das Gesamtsystem aus Maschine, Werkzeug und Werkstück. „Nur indem wir die Fähigkeiten von Maschinen-, Werkzeug-, und Messtechnikherstellern kombinieren und die vorhandenen Sensordaten ganzheitlich nutzen, wird die Problemkomplexität beherrschbar und damit die Prozessautomatisierung möglich“, sagt Jan Schmitt vom Fraunhofer IPA.
Selbstlernende Algorithmen
Der Wissenschaftler hat sich im Forschungsprojekt Productivity as a Service (Prodaas) mit dem Maschinenbauer F. Zimmermann, dem Sensorhersteller Blum-Novotest, dem Werkzeughersteller Mapal Dr. Kress KG, dem Plattformanbieter c-Com und mit der Karl Walter Formen- und Kokillenbau zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen die Projektpartner ein erfolgsbasiertes Geschäftsmodell verwirklichen, bei dem Lohnfertiger und Zulieferer nur dann bezahlen, wenn die Maschinenproduktivität durch die datenbasierte Prozessoptimierung gesteigert wurde.
Dazu wollen die Projektpartner die Prozess- und Produktionsdaten, die bisher noch getrennt vorliegen, zunächst an zentraler Stelle vereinen. Die Datenbasis, die dafür nötig ist, steht inzwischen: Nach ersten Vorversuchen laufen seit Ende September alle Prozess- und Produktionsdaten bei c-Com zusammen und können von allen Projektpartnern eingesehen und interpretiert werden. Im nächsten Schritt möchte das Konsortium selbstlernende Algorithmen entwickeln, die die Daten automatisiert auswerten und damit die Grundlage für die Prozessoptimierung bilden sollen.
Außerdem soll eine Datenbank entstehen, die der Prozessplanerin oder dem -planer dabei hilft, die Parameter schnell und einfach festzulegen. Möglich werden soll das, indem die Datenbank festhält, welche Parameter sich in der Vergangenheit für einen bestimmten Produktionsprozess bewährt haben und welche nicht.
Vision: eine autonome Zerspanung
Langfristig wollen die Projektpartner eine autonome Zerspanung ermöglichen, die kritische Zerspanungszustände erkennt, selbstständig in den Prozess eingreift und die Parameter im laufenden Betrieb verbessert. Übermäßiger Verschleiß, Werkzeugbrüche und Schäden an Bauteilen sollen so vermieden werden. „Prozessplaner und Zerspanungsmechaniker werden bei ihrer Arbeit unterstützt und es wird eine Prozessoptimierung Realität, die bisher wirtschaftlich nicht darstellbar war“, sagt IPA-Forscher Jan Schmitt. Mit dieser Lösung soll die Maschinenproduktivität von Einzel- und Kleinserienfertigern gesteigert werden, sodass die Branche auch in Zukunft international wettbewerbsfähig bleibt.
Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg fördert Prodaas mit rund drei Millionen Euro aus dem Förderprogramm InvestBW.
Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
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