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Beim Blick in die Produktionshalle zeigt sich, dass es nicht ganz so einfach ist mit der KI: Die Expertise für diese Technologie gibt es im eigenen Haus oft nur theoretisch. Externe Dienstleister sind teuer und versuchen, die Technik nach Möglichkeit noch rätselhafter aussehen zu lassen, als sie ohnehin schon ist. Mit jeder externen Vergabe wird zudem internes Know-How und Kontrolle abgegeben. Diesen Problemen stehen unklare Gewinne gegenüber: Rechtfertigen die zu hebenden Potenziale die Investition wirklich? Lohnt sich die Optimierung von ein paar Parametern mit KI eigentlich? Wird KI nicht doch nur genutzt, um einem Trend zu folgen?
Geht man es so an, wird tatsächlich kein Schuh draus. Man übersieht die Potenziale von KI, wenn sie nur als Mittel angesehen wird, lang verstandene Prozesse zu optimieren. Es lohnt sich, mit der neuen Technik etwas ganz Neues zu machen: Leistungen, die bisher von Menschen oder physischen Maschinen erbracht wurden, nun von Software erledigen zu lassen. Das erhöht die Flexibilität und Nachvollziehbarkeit, in vielen Fällen auch die Zuverlässigkeit und ermöglicht ein erfolgreicheres Agieren am Markt.
Doch zwei Hürden bleiben:
- Die Verfügbarkeit von Spezialisten und
- die Undurchschaubarkeit der Technologie selbst.
Wie überwindet man diese?
KI-Fachleute gibt es wenige – aber braucht die Industrie diese?
Bei der Frage der Spezialisten lohnt sich ein Blick in die Geschichte der Digitalisierung: Fachleute für die ganz neuen Themen haben immer gefehlt, aufgehalten hat das die Entwicklung nie. Vor dem Siegeszug der PCs in den 1980er Jahren hätte man leicht auf die Idee verfallen können, dass sich jeder Betrieb ein Rechenzentrum mit eigenen Diplominformatikern leisten müsse, um an der ersten Welle der Digitalisierung teilzuhaben.
So ist es nicht gekommen – stattdessen gab es fertige Produkte mit klar definierten Schnittstellen, die jedem noch so kleinen Betrieb die Nutzung von IT ermöglicht haben. Der Schlüssel waren die PCs: Leicht verständliche, flexibel einsetzbare Rechentechnik-Kapseln, die heute überall im Einsatz sind.
Den gleichen Weg wird KI in der Produktion gehen: Statt Wissen extern einzukaufen, werden Betriebe Produkte kaufen können, die wesentliche KI-Funktionen so bereitstellen, dass man sie ohne fremde Hilfe gut genug einsetzen kann. Das ist eine der Grundannahmen, unter denen Komponenten-Lieferanten wie die Micropsi Industries KI-Produkte entwickeln: Man muss sich gewiss konzentrieren, um ein komplexes Steuerungsproblem mit einem KI-Produkt zu lösen, aber ein Informatik-Studium mit KI-Schwerpunkt braucht man nicht zu absolvieren.
Vertrauen aufbauen zur neuen Technologie
Die zweite Hürde ist die Technologie selbst, die für viele zunächst undurchschaubar wirkt. Hier gilt es, mit der verbreiteten Sorge aufzuräumen, dass KI-gesteuerte Roboter plötzlich groben Unfug treiben. Oft wird behauptet, dass es nicht vorhersehbar und auch nicht nachvollziehbar sei, wie KI-Systeme zu ihren Entscheidungen kommen. Das stimmt nicht. Denn Neuronale Netze sind Folgen von Multiplikationen und Additionen. Sie sind deterministisch und mit Schulmathematik überprüfbar – nur haben sie eben sehr viele Parameter. Auf einen Blick kann man ihnen nicht ansehen, wie sie entscheiden.
Auch wird immer wieder gefordert, dass KIs ihre Entscheidungswege verständlich machen sollten, am Besten in nachvollziehbaren Regeln nach dem Wenn-Dann-Sonst-Schema. Wäre dies möglich, bräuchte es kein komplexes Modell; die klassische Programmierung würde reichen. Doch KI ist die Antwort auf Probleme, für die es keine Lösung in leicht erklärbaren Wenn-Dann-Sonst-Regeln gibt. Stattdessen sind testbare, zuverlässige Systeme gefragt, die zwar komplex sind, weil sie eben komplexe Probleme lösen, die aber einfach durch ihre Verwendung erkundet werden können: Man probiert und entwickelt ein Gefühl dafür, wie die KI im jeweiligen Anwendungsfall reagiert. Wenn dieses Experimentieren schnell und schmerzlos von statten geht, entsteht Vertrauen.
Mit KI Handarbeitsplätze automatisieren
Schnelles Experimentieren zu ermöglichen ist derzeit noch eine technologisch harte Nuss für Anbieter von KI-Produkten. Manchmal erfordert es einige Geduld, eine KI so weit zu trainieren, dass sie reif für den Produktiveinsatz ist. Doch es lohnt sich. Hat man den Bogen einmal heraus, lassen sich mit dem Micropsi-Industries-Produkt Mirai zum Beispiel Handarbeitsplätze flexibel automatisieren. Vom Picken von Teilen über Zustellbewegungen bis hin zum Fügen und Verfolgen: Alles ist mit einer einzigen kleinen Kamera am Roboter-Handgelenk umsetzbar. Da sich zudem alle Komponenten flexibel auf neue Aufgaben trainieren lassen, kann der Roboterarm gemeinsam mit Mirai immer wieder an verschiedenen Stellen in der Produktion eingesetzt werden.
Blick in die Praxis eines Automobilzulieferers
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt ein Automobilzulieferer, der mit dem Vorhaben, das Sortieren von Metallteilen zu automatisieren, auf Micropsi zukam. Teile, die halb-geordnet in einer Gitterbox angeliefert werden, müssen dort in eine Maschine eingelegt werden. Die Schwierigkeit: Die Lichtverhältnisse vor Ort sind unvorhersehbar, direktes Sonnenlicht kommt vor, die Metallteile reflektieren stark und auch mit Flugrost muss gerechnet werden. Mirai löst hier das Problem von Varianzen in der Materialzufuhr unter erschwerten Lichtbedingungen. Dafür musste die KI lernen, das nächste Teil zu finden, unabhängig von Tageszeit, Sonnenlichtintensität, Oberflächenzustand und Verpackungszufällen.
Schwerer zu lösen sind die Messanwendungen, die sich bei Micropsi Industries-Kunden aktuell in der Validierungsphase befinden: Hier müssen Sonden mit großer Genauigkeit zugestellt werden. Gefunden werden dabei beispielsweise Lötstellen an Kupferleitungen, die auf Dichtheit geprüft werden und die sich in Position, Orientierung, Form und Materialbeschaffenheit teilweise stark unterscheiden.
Umgesetzt werden all diese Anwendungen mit fast identischer Hardware: Ein UR5e von Universal Robots, die Mirai-Steuerung plus Handgelenkkamera sowie ein vom Kunden für die Anwendung zugeschnittenes Werkzeug sind im Einsatz. Die KI-Steuerungen sind vor Ort von Mitarbeitern der Werke eintrainiert worden. Quellcode musste nur auf SPS-Seite geschrieben werden: Die Messanwendung läuft taktgebunden an einem Band.
KI-Know-how intern aufbauen: Das Rad nicht neu erfinden
Mirai ist nur eines von vielen KI-Produkten für den Einsatz in der Produktion, die im Augenblick entstehen. Sie stoßen ein Umdenken an und ermöglichen Software-gesteuerte und somit flexible Produktionsprozesse. Die dabei entstehende Komplexität wird in Produkten verpackt, deren Verwendung einfach erlernbar ist.
Wer sich also traut, kann mit KI sehr viel mehr erreichen als ein wenig Optimierung: Sie ermöglicht mehr Flexibilität, Unabhängigkeit und Resilienz und nicht zuletzt Effizienz. Der Markt muss dafür Produkte anbieten, die explorativ bedient werden können und den Aufbau von Vertrauen in KI ermöglichen. Gelingt das, ist eine große Automatisierungswelle, vergleichbar mit der Einführung der PC-Technik, möglich.
Micropsi Industries GmbH
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