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Fanuc hat seine IoT-Plattform Fanuc Intelligent Edge Link and Drive System, kurz Field, 2016 gestartet. Wie ist der aktuelle Stand?
Winkelmann: Wir haben Field vor knapp drei Jahren als Konzept vorgestellt. Mit dem jüngsten System, das wir 2018 auf der IMTS in Chicago gezeigt haben, bringen wir nun quasi Field 2.0 an den Start. Field wurde weiterentwickelt, vielseitiger und offener. Denn Field ist ja von Anfang an als offene Plattform konzipiert, die nicht nur Fanuc-Komponenten anschließt, sondern auch offen ist für Produkte und Lösungen von Partnern. Und dabei geht es nicht nur ums Ankoppeln von Komponenten und Produkten an die Cloud, sondern Partner können auf Field auch eigenen Lösungen und Apps anbieten. Schließlich wollen wir mit Field unseren Partnern wie Maschinenbauern die Möglichkeit geben, sich eigene Marktsegmente zu erschließen. 2019 werden wir Field auch in Europa ausrollen, mit allem Drum und Dran.
Welche Partner konnten Sie bereits für Field begeistern?
Winkelmann: Konkrete Namen wollen wir noch keine nennen. Wir haben aber gerade in Japan schon sehr viele Partner, die für Field Applikationen entwickeln. Mit Ausrollen des Produkts beginnen wir nun, auf unsere Partner und Kunden in Europa zuzugehen. In der Regel sind das Firmen, mit denen wir schon länger zusammenarbeiten, etwa Maschinenhersteller und Systempartner. Ich bin sicher: Wir werden zukünftig ein buntes Spektrum an Partnern haben, die sich am Field Appstore beteiligen.
Gibt es von Fanuc selbst eigene Anwendungen und Apps für die Plattform?
Winkelmann: Ein gutes Beispiel ist ZDT. Zero Downtime, das wir im Rahmen von Field nun iZDT nennen, ermöglicht es Kunden, ihre Produktion mit Fanuc-Robotern frei von ungeplanten Unterbrechungen zu betreiben. ZDT überwacht dazu die Lebensfunktionen der Roboter in Echtzeit und ermöglicht eine präventive Instandhaltung der Roboter. Während ZDT auf den Roboterbereich zielt, haben wir mit iPMA, das steht für Production Monitoring & Analysis, eine vergleichbare Applikation für CNC-Maschinen entwickelt.
Was macht iPMA?
Winkelmann: Wie der Name schon sagt, ermöglicht iPMA ein Monitoring und eine Analyse der Zustände von Maschinen, aus denen Schlussfolgerungen für die Produktion gezogen werden können. Diese Lösungen werden wir natürlich in Field integrieren und weiterentwickeln.
Mit Field treten Sie natürlich gegen andere IoT-Plattformen wie Siemens Mindsphere an. Gerade Mindsphere hat ja schon eine starke Stellung im Markt. Wie wollen Sie sich dagegen durchsetzen?
Winkelmann: Ganz einfach – indem wir nicht nur Konzepte zeigen, sondern verfügbare Lösungen bringen, die real genutzt werden können. Field wird hier eine ganz neue Dimension eröffnen, weil viel mehr reale Anwendungen darauf laufen werden. ZDT beispielsweise nutzen wir schon seit mehreren Jahren intensiv. Wir haben weit über 20.000 Roboter an der Cloud, die über ZDT überwacht werden. Zudem bieten wir dem Kunden die Möglichkeit, seine Daten so zu nutzen wie er sie braucht, sei es in der Cloud oder vor Ort mit einer On-Premise-Lösung, für die er von uns Server und Software bekommt.
Welche Rolle spielt dabei die KI-Technologie Ihres japanischen Partners Preferred Networks?
Winkelmann: Die Technologie von Preferred Networks ist fester Bestandteil, sie ist unter anderem auch die Basis für unsere KI-Anwendungen. Aber diese KI-Technologie ist nicht ausschließlich: Partnern können auch mit eigenen KI-Lösungen auf Field aufsetzen
KI wird derzeit heiß diskutiert: Wo sehen Sie in absehbarer Zeit konkrete mögliche Einsatzfälle in der Fabrikautomation?
Winkelmann: Einsatzmöglichkeiten für KI sehe ich vor allem dort, wo so riesige Datenmengen anfallen, die man als Mensch gar nicht mehr überblicken kann. Hier kann man mit KI Trends erkennen und Verbesserungen einläuten. Ein Beispiel ist die automatische Optimierung von Bewegungsabläufen.
Denken Sie bei Fanuc auch daran, KI direkt in Ihrer Steuerungen zu integrieren?
Winkelmann: Letztlich haben wir solche Dinge ja schon. Nehmen Sie nur die Funktion LVC, Learning Vibration Control, bei unseren Robotern. Mit Learning Vibration Control lernt der Roboter seine Position zwar schnell, aber ohne Schwingungen anzufahren. Diese Funktion haben wir schon seit vielen Jahren, schon vor dem großen aktuellen KI-Hype. Im Grunde ist das eine Anwendung, die eine Maschine in einem rekursiven Prozess smarter macht. Letztlich unterstützt KI das Zusammenspiel von vielen verschiedenen Komponenten. Auch unsere Bin Picking Applikation, bei der sich unsere Roboter beim Griff in die Kiste kontinuierlich optimieren, ist so ein lernender Prozess.
Ein anderes Hype-Thema ist die kollaborative Robotik. Wie ist hier der Stand?
Winkelmann: Die oft prognostizierte Explosion des kollaborativen Marktes ist bislang ausgeblieben. Der MRK-Markt ist da und wächst stetig, aber die Anstiegsrate ist flacher als erwartet. Der kollaborative Roboter hat seine Daseinsberechtigung, aber wir sehen kurz- bis mittelfristig nicht das riesige Volumen, was mal vor zwei bis drei Jahren angekündigt wurde. Zumal kollaborative Roboter viele Einschränkungen mit sich bringen, unter anderem in Sachen Geschwindigkeit und Traglast. Auch sind noch weitere technische Entwicklungen sowie weitere Erfahrungen bei der praktikablen Umsetzung von normativen und gesetzlichen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der kollaborativen Robotik im industriellen Umfeld notwendig – insbesondere in Deutschland. Darüber hinaus kann man viele Anwendungsgefälle auch mit aktuellen Industrierobotern und moderner Schutzzonentechnik wie DCS lösen. Kurzum: Kollaborative Roboter sind durchaus ein Werkzeug in der Werkzeugkiste des Automatisierungsplaners, aber eben nur eines mehr. Nichtsdestotrotz komplettieren wir unser Portfolio an kollaborativen Robotern weiter.
Welche Cobot-Modelle kommen hier besser an? Die mit 35 Kilogramm Traglast oder die kleineren?
Winkelmann: Das ist interessant. Als wir den 35 Kilogramm Roboter auf den Markt gebracht haben, waren die meisten MRK-Anwendungen im niedrigen Playload Bereich. Mittlerweile hat sich das Bild gedreht. Es gibt immer mehr Anwendungen im High-Playload-Bereich, die wir mit dem CR35 bespielen können, sowohl im Consumer-Bereich als auch in der Industrie. Ein gutes Beispiel dafür ist die Anwendung bei Stihl in Waiblingen. Bei dem Motorsägenhersteller entlastet unser kollaborativer Roboter die Mitarbeiter an der Verpackungslinie für Trennschleifer. Ohne die Hilfe des CR-35iA muss der Werker den Trennschleifer, der rund 10 kg wiegt, selbst bewegen. Das war bisher eine erhebliche Belastung für den Werker. Pro Schicht summiert sich das Gewicht der Trennschleifer auf rund acht Tonnen.
Bauen Sie ihr Portfolio also nach oben aus?
Winkelmann: Das würde ich nicht ausschließen (lacht).
Stark im Fokus stehen derzeit auch mobile Plattformen. Ist Fanuc hier auch aktiv?
Winkelmann: Wir verschießen uns dem Thema mobile Transportsysteme nicht und werden Schnittstellen zum einfachen Anschließen unserer Roboter an mobile Transportsysteme zur Verfügung stellen. Aber wir werden sicher auf absehbare Zeit keine eigenen mobilen Plattformen anbieten. Wir setzen eher auf Partnerschaften mit FTS Herstellern. Wir wollen da auch offen sein. Warum sollten wir uns einschränken? Es gibt schließlich eine bunte Vielfalt an FTS Herstellern.
Fanuc Deutschland GmbH
www.fanuc.de; Hannover Messe Halle 17, Stand A42
Neuhausen wächst weiter
2017 hat Fanuc in Neuhausen bei Stuttgart ein europäisches Entwicklungszentrum EDC etabliert, um dort die Anforderungen der hiesigen Kunden zu bündeln und diese gemeinsam mit Entwicklern in Japan in Form von neuen, serienreifen Produkten zu realisieren. Das EDC soll weiter wachsen. Inzwischen sind bereits rund 350 Mitarbeiter in Neuhausen beschäftigt – Tendenz steigend. Zunehmend übernimmt Neuhausen eine wichtige Funktion im Bereich der Unterstützung der europäischen Fanuc-Organisation. Geplant ist, den Standort in absehbarer Zeit zu erweitern.
Fanuc-Deutschland-Geschäftsführer Ralf Winkelmann findet gerade den deutsch-europäisch-japanischen Mix sehr befruchtend: „Wir werden zwar als deutsches Unternehmen wahrgenommen, aber wir haben eben auch eine japanische Mutter – und die japanischen Tugenden geben wir gerne auch an deutsche Kunden weiter, etwa langfristiges Denken, Service-First-Gedanke, Nachhaltigkeit, Präzision in den Produkten, stetiges Entwickeln von Produkten und eine gewisse Gelassenheit. Das ist eine Tugend, die einem in unserer schnelllebigen Zeit auch hilft, auf Kurs zu bleiben.“
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