Digitalisierung lohnt sich – das wurde bei der Lernreise „Industrie 4.0 live“ anhand vieler Beispielen deutlich, berichtet Stefan Aßmann, Business Chief Digital Officer (CDO) für den Unternehmensbereich Industrietechnik bei der Robert Bosch GmbH und einer der beiden Schirmherren der Lernreise: „Unter anderem bei Vorher-Nachher-Betrachtungen von Durchlaufzeit, Beständen und Produktivität, hat sich gezeigt, dass die digitale Transformation etwas bringt.“ Andere Themen wie datengetriebene Geschäftsmodelle oder Pay-per-use werde zwar häufig diskutiert, aber bisher eher wenig umgesetzt: „Es ist aber auch nicht ungewöhnlich, dass zwischen den ersten Erfolgsberichten auf Konferenzen und der tatsächlichen Umsetzung in der industriellen Praxis einige Zeit vergeht«, schränkt Aßmann ein.
Fokus auf eigene Wertschöpfung
Schließlich sei die Digitalisierung kein Selbstzweck, ergänzt Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer IPA und zweiter Schirmherr der Lernreise: „Am Ende möchte man ganz konkrete Geschäftskennzahlen verbessern: schneller liefern, mehr Umsatz machen, die Rendite steigern.“ Das habe dazu geführt, dass sich viele Unternehmen zunächst auf ihre eigene Wertschöpfung konzentriert haben, etwa auf die Bestandsoptimierung oder Predictive Maintenance. „Erst in einem zweiten Schritt – und da stehen zurzeit viele Unternehmen – hat man die gesamte Prozesskette ins Auge gefasst.“ Einige Firmen hätten begonnen, ihre Kundenschnittstelle weiter zu digitalisieren; andere, insbesondere im B2B-Bereich, punkten mit innovativen Geschäftsmodellen wie Equipment-as-a-Service. „Da stehen wir jedoch noch ganz am Anfang“, so Bauernhansl weiter.
Schere hat sich vergrößert
Ohnehin beklagt Aßmann die zuweilen eher gemächliche Reisegeschwindigkeit auf dem Weg zur Industrie 4.0: „Während insbesondere in Deutschland die Dinge häufig bis ins Kleinste untersucht und perfektioniert werden, kommen andere Länder schneller in die Anwendung. In der Digitalisierung sind die, denen die sprichwörtlichen 80 Prozent zunächst reichen und die dafür deutlich schneller sind, am Ende meist auch erfolgreicher.“
Zwar hat sich aus seiner Sicht das Bewusstsein für Notwendigkeit und Nutzen der Digitalisierung durch die Corona-Pandemie deutlich erhöht. Das bedeute aber nicht, dass auch immer die Umsetzungsgeschwindigkeit gestiegen sei, sagt Aßmann: „Ich beobachte, dass viele Unternehmen nochmal einen Gang hoch geschalten haben, wohingegen die Unternehmen, die schon vor der Pandemie eher zögerlich waren, zum Teil noch weiter abgehängt werden. Kurzum: Die Schere zwischen den Frontrunnern und Nachzüglern hat sich vergrößert.“
Die dritte Säule: Nachhaltigkeit
Man darf also gespannt sein, wie die Reise weitergeht. Klar ist immerhin: Stand die Fabrik der Zukunft bisher auf zwei Säulen (schlank und digital) kommt nun eine dritte hinzu: nachhaltig/klimaneutral. Denn der effiziente, verschwendungsfreie Ressourceneinsatz (lean) gepaart mit Vernetzung und Transparenz (digital) eröffnet Potenziale für eine umweltfreundliche Produktion (green). Die neue Lernreise „Fabrik der Zukunft: Lean – Green – Digital“ soll daher spannende Best Practice-Beispiele für eine wertstromorientierte und vernetzte Ultraeffizienzfabrik zeigen.
Denn die Digitalisierung sei ein Hebel, der massiv zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität beitragen könne, verweist Bauernhansl auf das Thema Transparenz: „Wo verbrauche ich wie viel Energie und Material? Dazu müssen Daten erhoben werden, in der eigenen Fabrik, dann in der Supply Chain und schließlich im gesamten Lebenszyklus der Produkte, die man anbietet. Aufbauend auf der Datentransparenz geht es darum, die Sichtbarkeit zu erhöhen auf die Stellen, die den größten Einfluss auf die Umwelt und das Klima haben.“
Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Über die Lernreise Industrie 4.0 live
Um Unternehmen bei der Umsetzung der digitalen Transormation zu unterstützen, hat das Macils Management Centrum zusammen mit der Robert Bosch GmbH und dem Fraunhofer IPA im Juli 2016 die erste Lernreise Industrie 4.0 live ins Leben gerufen. Innerhalb von zwei Jahren besuchten Vertreter von 30 Mitgliedsfirmen zwölf Industrie-4.0-Vorreiter und konnten sich dort praktische Inspiration für die eigene Organisation holen.
Im September 2018 startete die zweite Lernreise Industrie 4.0 live mit bekannten und neuen Mitgliedern und Best Practise-Partnern wie Volkswagen und Siemens sowie Festo, Rittal und SEW-Eurodrive. Großer Beliebtheit erfreuten sich neben den Managementsitzungen auch die Transferworkshops bei Unternehmen wie Deutz, Fischerwerke und Daimler Truck. Zum Abschluss geht es diesen Sommer virtuell zu Hagleitner Hygiene International mit Sitz Zell am See in Österreich.
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