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B&R: „KI optimiert Engineering und Betrieb von Maschinen“

Interview: Markus Sandhöfner, Geschäftsführer der B&R Deutschland GmbH
B&R: „KI optimiert Engineering und Betrieb von Maschinen“

Warum B&R in Deutschland bei ABB Robotics in Friedberg eingezogen ist, wieso das Portfolio noch stärker in Richtung Software und künstliche Intelligenz (KI) ausgebaut werden soll und welche Rolle Meshmind dabei spielt, erläutert B&R-Deutschland-Chef Markus Sandhöfner.

Interview: Armin Barnitzke

B&R Deutschland ist kürzlich von Bad Homburg nach Friedberg zu ABB Robotics gezogen. Warum? Geht Ihr Unternehmen jetzt komplett im ABB-Konzern auf?

Sandhöfner: Nein, natürlich nicht. Aber für den Umzug gab es gleich mehrere gute Gründe. Zum einen war unser altes Gebäude in Bad Homburg nicht mehr zeitgemäß für ein innovatives Unternehmen wie unseres. Zum anderen hat sich durch die Corona-Pandemie das Arbeiten geändert: Arbeit am Rechner wird zu Hause erledigt, wenn man ins Büro geht, will man kommunizieren, zusammenarbeiten, Innovationen gestalten. Und das fordert eine ganz andere Arbeitsumgebung. Bei ABB in Friedberg konnten wir ein von außen generalsaniertes Gebäude von innen ganz nach unseren Wünschen gestalten. Ganz abgesehen davon sind die Arbeitswege nun für die meisten unserer Kollegen kürzer.

ABB Robotics hat also keine Rolle gespielt?

Sandhöfner: Doch klar. ABB Robotics hat ein Technologiezentrum, in dem bislang nur Roboter stehen. Dieses Technologiezentrum werden wir mitnutzen und unsere gesamten modernen Automatisierungstechnologien einbringen. Und wir wollen in das Technologiezentrum auch Kunden einladen, um gemeinsam Anwendungen zu testen. Und klar: Wenn wir jetzt mit unseren Kolleginnen und Kollegen von ABB Robotics an einem gemeinsamen Standort sind, dann wird die Zusammenarbeit intensiver, weil man sich einfacher zusammensetzen kann oder informell in der Kantine trifft. Kurzum: Das Ganze ist eine Win-Win-Win-Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Geht es bei der engeren Zusammenarbeit vor allem um die maschinenzentrierte Robotik?

Sandhöfner: Nein, nicht nur. Die maschinenzentrierte Robotik ist ja nur eine Art, wie man den Roboter im Maschinenbau einsetzen kann. Und diese eignet sich vor allem dann gut, wenn der Roboter tief mit dem Prozess der Maschine verheiratet werden soll. Aber natürlich gibt es auch darüber hinaus Möglichkeiten, etwa kann der Roboter an der Maschine zur Be- und Entladung eingesetzt werden. Wir überlassen es aber dem Anwender, wie tief er seine Integration mit unserer Automatisierungsplattform treiben will. Dazu haben wir die neue Robotermechanik von Codian in unser Portfolio aufgenommen. Sie lässt sich mit jeder Steuerungsplattform kombinieren und in jede Maschinenkonfiguration integrieren.

Und wie profitieren Sie von ABB Robotics?

Sandhöfner: Wir beherrschen den Prozess in der Maschine – und auch dort werden Maschinenbauer stärker in Richtung Robotik gehen, weil der Roboter flexibel ist. Und bei sinkenden Losgrößen benötigt eine flexible Maschine einen Aktuator, der sich auf viele unterschiedliche Ausprägungen eines Produkts ideal einstellen kann: den Roboter.

Steigt damit auch der Bedarf an Linear-Transportsystemen?

Sandhöfner: Ja, natürlich. Mit flexiblen Maschinen, die sich auf unterschiedliche Varianten optimal einstellen können, können Hersteller auf Nachfrageschwankungen besser reagieren. Das mündet dann in der Fähigkeit, Losgröße 1 zu fertigen. Dafür braucht es die adaptive Maschine. Deren Kernelement sind flexible Transportsysteme, weil das Produkt ja unterschiedliche Wege durch die Maschine nehmen muss. Zudem kann man damit Prozessstationen so flexibel wie möglich gestalten und sogar Prozessstationen designen, die mit dem Transport direkt interagieren.

In welche Richtung wollen Sie bei B&R das Portfolio technisch ausbauen? Robotik, Track-Transportsysteme und Bildverarbeitung haben Sie ja bereits. Geht es mehr in Richtung Software und KI?

Sandhöfner: Gewiss. Wir wollen die Unterstützung beim Engineering verbessern, etwa über künstliche Intelligenz. Denn adaptive Maschinen sind einfach komplexer. In der Engineering-Phase gilt es abzuschätzen, welche Architektur benötigt wird, wie viele Prozessstationen man wo braucht und wie viele Shuttles und Segmente benötigt werden. Für unsere Magnetschwebetechnik Acopos 6D haben wir daher das Launchpad entwickelt, mit dem man über wenige Klicks festlegen kann, aus wie vielen Segmenten und Shuttles die Maschine bestehen soll und welche Arbeitsstation die Shuttles anfahren sollen. Auf Knopfdruck ermittelt das System dann Flaschenhälse, errechnet Durchsatzzahlen und gibt Hinweise, wo man den Transport optimieren kann.

Geht es Ihnen nur um Simulation?

Sandhöfner: Nein. Ich kann mit unseren Werkzeugen auch auf Knopfdruck fertigen Programmcode generieren. Um von der Simulation zur automatischen Codegenerierung zu kommen, nutzen wir KI-Technologien, die auch auf unsere Bibliotheken und unsere Mapp-Bausteine zurückgreifen. Damit wird der Maschinenbauer letztlich auch sicherer, weil der Code natürlich weniger oder gar keine Fehler enthält.

Macht KI künftig Mapp Technology und das Automation Studio überflüssig?

Sandhöfner: Nein. Es geht nicht um eine Ablösung, sondern um eine Ergänzung. Und diese ist heute schon Realität. Den Automation Studio Copilot haben wir gemeinsam mit unserem Partner Meshmind entwickelt. Mit dem Copilot kann ich dem Automation Studio in natürlicher Sprache Anweisungen geben, etwa einen Regelkreis zu programmieren. Und dann nutzt die künstliche Intelligenz hinterlegte Codebeispiele oder Mapp-Komponenten, um fertigen Code zu schreiben. Ich kann aber auch selbst programmieren und dann den Copilot bitten, den Code zu optimieren und Fehler aufzudecken. Oder der Copilot kann den fertigen Code kommentieren, so dass Nicht-Experten ihn einfacher verstehen können. Dass die Codegenerierung sicherer und einfacher wird, ist auch deshalb wichtig, weil unsere Kunden es durch den Fachkräftemangel ohnehin schwer haben, die benötigten Programmierer zu finden.

Braucht es den Automatisierer noch, wenn man in der Weise KI-gestützt arbeiten kann?

Sandhöfner: Ja, auf jeden Fall. Die KI übernimmt zwar Programmierfleißarbeit, aber eine Konzeption braucht Intuition und gute Ideen – und das bekommt KI noch nicht so gut hin. Daher verlagert sich die Tätigkeit der Automatisierer vom Programmieren hin zur Konzeption. Zumal es ja im Engineering ohnehin immer mehr zum übergreifenden Denken geht. Mechanik, Elektrik und Software wachsen stärker zusammen.

Haben Sie auch jenseits des Engineerings Beispiele, wo Sie KI bei B&R bereits einsetzen?

Sandhöfner: Klar. Ein Thema ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Rahmen der Bildverarbeitung. Wir haben KI in unsere Bildverarbeitung integriert, um das Einlernen von Bildern zu vereinfachen. Mit nur 100 Bildern können wir das KI-Vision-System so trainieren, dass es dann sogar Anomalien entdeckt, die vorher noch gar nicht eingelernt wurden. Ein zweites Beispiel ist das Thema Wartung. Unser Track-System ist von sehr vielen mechanischen Parametern abhängig. Und mit Verschleiß ist der Track nicht mehr so leistungsfähig. Wenn das System mit Sensoren und KI Verschleiß erkennt, kann ich eine Wartung oder einen Austausch elegant einplanen.

Von Ihrem KI-Partner Meshmind haben Sie ja kürzlich 50 Mitarbeiter übernommen. Der Meshmind-Standort in Sarajewo soll zu einem globalen Kompetenzzentrum für die KI- und Softwareentwicklung der B&R-Division ausgebaut werden. Was genau ist geplant?

Sandhöfner: Natürlich kann ich hier noch keine Details verraten, nur so viel: Neben dem Engineering einer Maschine – etwa über Simulation und automatische Codegenerierung – soll der Betrieb von Anlagen stärker KI-unterstützt werden. Dazu wollen wir die intelligente Überwachung von Zuständen in unseren Automatisierungskomponenten ausbauen, in Richtung Wartung und Ersatzteilmanagement. Zudem wollen wir die Effektivität von Maschinen im Betrieb optimieren.

Ist das Thema Software und KI 2024 also Ihr wichtigster strategischer Schwerpunkt?

Sandhöfner: Es gehört auf jeden Fall zu den wichtigsten – daher auch Zusammenarbeit mit Meshmind, die sich beim Thema KI gut auskennen. Darüber hinaus beschäftigt uns weiter das Thema adaptive Fertigung sehr stark. Wir sehen, dass sich das Konzept zunehmend am Markt bewährt und bauen nun das Produktportfolio weiter aus – sowohl in der Hardware als auch in der Software. Und natürlich ist auch die IT-Sicherheit ein Riesenthema für uns, getrieben auch durch den Cyber Resilience Act.

Was tut B&R beim Thema IT-Sicherheit?

Sandhöfner: Ein wichtiger Punkt ist das Thema Verschlüsselung auf der Kommunikationsebene. Und hier punktet OPC UA FX, denn der neue Standard bringt nicht nur Echtzeitfähigkeit mit, sondern auch Verschlüsselung. Damit kann ich also verhindern, dass jemand die Kommunikation stört oder verfälscht. Daher liegt für uns die Zukunft in OPC UA FX.

Was bedeutet das konkret?

Sandhöfner: Wir stecken unsere volle Entwicklungs-Power in Richtung OPC UA FX, weil wir darin ganz klar die Zukunft sehen. Wir haben bereits die Controller-zu-Controller-Kommunikation und die Controller-zu-IO-Kommunikation mit OPC UA FX realisiert und im nächsten Schritt werden wir unsere nächste Antriebsgeneration mit OPC UA FX ausstatten. Dann sind wir in der Lage, ein komplettes Automatisierungssystem mit OPC UA FX umzusetzen. Spätestens dann werden andere Anbieter mitziehen und wir haben ein Ökosystem, das nicht mehr auf einen Hersteller-spezifischen Bus zugeschnitten ist. Das wird einen Lawineneffekt haben.

Wenn Sie die Kommunikation öffnen, wollen Sie auch ihre Steuerungen in Richtung offene Plattformen umbauen, wie das Bosch Rexroth etwa mit ctrlX Automation tut?

Sandhöfner: Ja. Aber wir wollen dabei sicherstellen, dass bestehende Anlagen und Umgebungen weiter verwendet werden können. Daher bieten wir mehrere Lösungswege an. Lösungsweg Nummer Eins: Die SPS-CPU mit dem Echtzeit-Betriebssystem bleibt bestehen und die Maschine wird über einen separaten Linux-basierten X20 Edge Controller an die Cloud angeschlossen. Auf dem X20 Edge Controller kann man dann auch moderne Programmiersprachen verwenden.

Und der zweite Weg?

Sandhöfner: Beim zweiten Ansatz haben wir nur noch einen Controller, einen Industrie-PC. Auf einem Kern des Mehrkern-Prozessors läuft die Automation Runtime mit dem Echtzeitbetriebssystem und auf dem anderen Kern die offene Linux-Seite. Unser Hypervisor vermittelt zwischen der Linux/Cloud-Welt und der Maschinensteuerung und eröffnet die Möglichkeit, Daten zwischen den beiden Welten auszutauschen.

B&R Industrie-Elektronik GmbH

www.br-automation.com


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