Trotz Digitale Fabrik herrscht in der Industrie heute immer noch die Linienproduktion mit Fließband und festem Takt vor. Jede Anpassung an die Auftragssituation ist hier mit enormem Aufwand verbunden. Ganz anders die Matrixproduktion. Sie löst Band und Takt auf. Die Systeme sind hier adaptiv konfiguriert, Anlagen und Stationen passen sich an neue Stückzahlen und Varianten an. Auch die Prozessketten sind adaptiv. Produkte durchlaufen nur die auftragsspezifisch benötigten Prozesse, die dadurch enorm effizient sind. Ähnlich wie vor über hundert Jahren das Fließband wird die Matrixproduktion daher eine neue industrielle Ära einleiten und bald der neue Standard sein.
In der Matrixproduktion sind frei verkettete Stationen prozessorientiert geplant. Sie fokussieren sich auf Prozesse, deren vollständige Durchführung sowie die Zusammenfassung ähnlicher Technologien und Arbeitsumfänge. Mehrere unterschiedliche Stationen fügen sich zum System Matrixproduktion zusammen, in der das Produkt vollständig hergestellt wird. Die Stationen sind logisch verknüpft und die Produkte folgen auftragsspezifisch jeweils einem bestimmten Fluss.
Matrixproduktion am Beispiel Automobilfertigung
Während zum Beispiel in der Fabrik alle Autos über die Station Sitzeinbau gehen, teilt sich dann der Fluss für Modelle, die beispielsweise ein Cabrio-Dach oder ein Panorama-Dach bekommen. Für die Endprüfung fließen dann alle Varianten wieder zusammen. Eine intelligente Steuerung lastet die Stationen gleichmäßig aus. Weil viele Arbeiten auf mehreren Stationen durchgeführt werden können, werden die Aufträge der Station zugewiesen, die freie Kapazität aufweist. Die Stationen arbeiten also ohne festgelegten Takt und die Matrixproduktion setzt damit die verfügbaren Ressourcen optimal ein.
Weil die Prozesse nicht mehr auf Grund des Kundentaktes zwangsweise auf mehrere Stationen aufgeteilt werden, kann zum Beispiel der Kabelbaum eines Autos in einer einzigen Station eingebaut werden. Nur ein/e Mitarbeiter/in montiert. In der Linie müssen fünf oder mehr Mitarbeiter/innen an mehreren Stationen immer wieder in das Auto klettern, um den gleichen Kabelbaum einzubauen. Eine Verschwendung.
In der Matrixproduktion entstehen keine Taktzeitunterschiede durch fixe Takte zwischen den Stationen. Verschwendungen werden in der Matrixproduktion also reduziert und die Wertschöpfung steigt. Ein Einzelplatz kann maximal viele unterschiedliche Varianten fertigen. Durch den Wegfall des Taktes können in der Matrixproduktion eine Vielzahl von Produktvarianten abgebildet und Synergieeffekte gehoben werden. So wird auch für Automatisierungslösungen schneller eine wirtschaftliche Stückzahl erreicht.
Weniger störungsanfällig durch Modularität
Da für einen Prozessschritt mehr als eine Station zur Verfügung steht, fällt nicht das gesamte System aus, wenn eine Station nicht mehr funktionsfähig ist. Eine Linie wäre in einem solchen Fall vollständig blockiert, ganz anders die Matrixproduktion, sie ist deutlich weniger störungsanfällig.
Auf unterschiedliche Kundenwünsche und Varianten wird im Rahmen der Matrixproduktion flexibel reagiert, indem Stationen hinzugefügt oder entfernt werden. Bei einer Rekonfiguration bzw. Umplanung verteilen sich Prozesse neu auf die Stationen, die Prozessketten werden ohne Aufwand angepasst. Ohne das System zu stören, können neue Produkte oder Technologien integriert und getestet werden.
Fazit: Das System Matrixproduktion ist wandlungsfähig und passt sich stets neuen Herausforderungen an. Der neue Standard in der Fertigung sollte also Matrixproduktion heißen.
Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
www.ipa.fraunhofer.de
Tipp: Im Forschungsprojekt Resyst entwickeln mehrere Fraunhofer-Institute und Industriepartner die Matrixproduktion weiter.
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