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Rethink Robotics: „Wir entwickeln ein neues Sawyer-Modell“

Interview: Philipp Unterhalt, CEO der Rethink Robotics GmbH
Rethink Robotics: „Wir werden Sawyer noch besser machen“

Wie die Hahn Group die Cobot-Technologie von Rethink Robotics zum Erfolg führen will, verrät der CEO der deutschen Rethink Robotics GmbH Philipp Unterhalt. Dazu will er die Software des US-Cobot-Pioniers mit der langjährigen Robotik- und Praxiserfahrung der Hahn Group kombinieren.

Autor: Armin Barnitzke

Herr Unterhalt, Mitte Oktober 2018 wurde die Insolvenz von Rethink Robotics bekannt. Ende Oktober kündigte die Hahn Group an, die US-Cobot-Technologie weiterführen zu wollen. Warum hat die Hahn Group Rethinks Sawyer-Robotertechnologie gekauft?

Unterhalt: Wir sind überzeugt, dass sich kollaborative Robotik zu einem ganz wichtigen Baustein der Robotik entwickeln wird. Als weltweit größter Distributor für Rethink Robotics, Inc. haben wir mit Hahn Robotics in den letzten Jahren tiefe Einblicke in die Technologie und Anwendungsmöglichkeiten erhalten. Außerdem hat die RAG Stiftung Beteiligungsgesellschaft – die Gesellschafterin der Hahn Group – auch direkt in Rethink Robotics, Inc. investiert, sodass wir somit einen guten Überblick über die Stärken und Schwächen der Saywer-Technologien und ihrer Marktpotenziale sowie des Marktes generell hatten.

Apropos Schwächen: Rethink musste Insolvenz anmelden, weil der erhoffte Markterfolg ausgeblieben ist. Was macht Sie zuversichtlich, dass die Hahn Group jetzt den Markterfolg haben wird, der bei Rethink ausgeblieben ist?

Unterhalt: Rethink Robotics, Inc. hat die weltbeste Software für kollaborative Roboter entwickelt. Insbesondere die Einfachheit und Schnelligkeit in der Programmierung setzt Maßstäbe in Sachen Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit. Und in der Hahn Group können wir auf über 30 erfolgreiche Jahre Erfahrung in Roboterproduktion, -integration und -anwendung zurückblicken. Wenn wir nun beides kombinieren – hochwertige US-Software und unsere deutsche Ingenieurskompetenz – dann werden wir am Markt erfolgreich sein. Davon bin ich fest überzeugt.

Sie loben die Software von Rethink. Die Roboter-Hardware muss aber noch einmal auf den Prüfstand? Können Sie uns vielleicht einige Beispiele nennen, bei denen die US-amerikanische Software-Schmiede von deutscher Ingenineurskompetenz profitieren kann?

Unterhalt: Tatsächlich glauben wir, dass wir auf der Hardwareseite im Rahmen eines Refurbishment-Plans das aktuelle Modell kurzfristig verbessern können. Auf Basis unserer eigenen Erfahrungen als Integrator, aber auch in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern, haben wir viele Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert, die kurzfristig umzusetzen sind und die Zuverlässigkeit von Sawyer signifikant steigern. Beispielsweise wird die Versiegelung der Motoren die Ausfallzeiten reduzieren und die Zuverlässigkeit erhöhen. Anhand dieser sehr konkreten Verbesserungspläne wollen wir sowohl die vorhandenen Lagermodelle nachbessern als auch die Bestandsmodelle im Markt, wenn es die Kunden wünschen.

Und der nächste Schritt? Gibt es schon konkrete Pläne für ein neues Saywer-Modell, das die Kompetenzen von Rethink und der Hahn Group vereint?

Unterhalt: Solche Pläne gibt es natürlich. Parallel zu unserem Refurbishment-Plan haben wir Themen identifiziert, die in ein neues Modell einfließen werden. In Summe wollen wir ein neues Sawyer-Modell entwickeln, das leiser, schneller und präziser arbeitet als sein Vorgänger. Darüber hinaus denken wir auch sehr konkret darüber nach, den Sawyer zu einer ganzen Roboterfamilie auszubauen: Dies umfasst sowohl Modelle mit höherer Tragkraft als auch auch einfachere Modelle mit weniger Ausstattung. Aber leider geht das natürlich nicht von heute auf morgen. Denn uns ist vor allem wichtig, dass wir neue Modelle vor ihrer Auslieferung ausgiebig testen. Diese Qualität sind unsere Kunden schließlich von uns gewöhnt.

In Deutschland gibt es bereits einige etablierte Wettbewerber wie Kuka oder Universal Robots. Was spricht aus Ihrer Sicht für das Modell Sawyer von Rethink Robotics?

Unterhalt: Die Software Intera5 ist einzigartig und ermöglicht eine Programmierung in viel kürzerer Zeit als bei allen anderen Cobots im Markt. Darüber hinaus erhalten Kunden mit Sawyer eine hohe Funktionalität – die leistungsstarke Software, Kameras sowie das Clicksmart-Greifer-Set werden gleich mitgeliefert. Das ermöglicht eine schnelle Inbetriebnahme und den Einsatz unserer Roboter in unterschiedlichen Arbeitszellen und Produktionsumgebungen ohne aufwendige Programmierung oder Integrationsarbeiten.

Welche Branchen adressieren Sie mit dem Sawyer besonders?

Unterhalt: Wir haben in den letzten Jahren als Distributor mehr als 250 Sawyer bei mehr als 170 verschiedenen Kunden in den Markt gebracht und ein breites und branchenübergreifendes Interesse an unserer Cobot-Technologie festgestellt. Dies gilt übrigens auch für die Unternehmensgröße: Vom Großkonzern bis zum Handwerksbetrieb gibt es durch die beschriebene Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit ein sehr breites Anwendungsspektrum. Aufgrund der Traglast von Sawyer sind aber die zerspanende Industrie, die Kunststoffindustrie und auch die Elektroindustrie besonders interessant.

Übernimmt künftig ausschließlich Hahn Robotics die Integration des Sawyer? Oder werden Sie auch weiterhin mit bisherigen Rethink-Partnern zusammenarbeiten?

Unterhalt: Wir sehen einen steigenden Bedarf an kleinen und mittleren Roboterlösungen und werden deshalb Hahn Robotics auch regional als herstellerunabhängigen Integrator weiter ausbauen. Nichtsdestotrotz ist ein internationales nachhaltiges Partnernetzwerk für uns sehr wichtig. So haben wir im Rahmen unseres ersten Rethink Robotics Partner Days im Februar 2019 in Frankfurt mehr als 70 Teilnehmer aus 39 Unternehmen aus 24 Ländern begrüßen dürfen und wurden überwältigt von dem positiven Feedback auf unsere Pläne. Aktuell werden die Distributorenverträge unterschrieben, sodass wir uns auch international wieder gut repräsentiert sehen.

Treten Sie damit nicht in direkte Konkurrenz zu Ihrem Schwesterunternehmen Hahn Robshare und deren Roboter-Mietangebot?

Unterhalt: Ganz im Gegenteil. Natürlich werden wir auf unseren Integrationserfahrungen aufsetzen und den Direktvertrieb fortführen. Darüber hinaus beobachten wir aber immer wieder, dass viele Unternehmen eine Investition in eine firmeneigene Roboterlösung zunächst scheuen. Für sie ist das Angebot des Schwesterunternehmens von Rethink Robotics eine interessante Möglichkeit, um die neue Technologie erst einmal im eigenen Betrieb zu erproben. Das Angebot von Hahn Robshare stößt auf sehr viel positives Feedback.

Verbaut Hahn Robotics neben dem Sawyer auch andere Cobots?

Unterhalt: Hahn Robotics ist herstellerunabhängig und hat in der Vergangenheit Projekte mit allen namenhaften Herstellern konventioneller Robotik realisiert und neben Sawyer auch Cobots weiterer Hersteller eingesetzt. Wir bauen das Portfolio kontinuierlich weiter aus – so zum Beispiel aktuell mit AGVs.

Aber wie bewältigen Sie den Spagat, nun einerseits selbst Roboterhersteller zu sein und zugleich mit der Hahn Group auch Integrator für andere große Roboterhersteller? Kommt man da nicht in Interessenskonflikte?

Unterhalt: Die Hahn Group ist seit vielen Jahren erfolgreich in der Integration verschiedenster Roboter tätig. Jährlich installieren wir rund 2000 Roboter unterschiedlicher Anbieter: vom Linearroboter über konventionelle und kollaborative Roboter, AGVs und zukünftig auch Service-Roboter. Entsprechend können wir die Erfahrungen, die wir bei der Roboterintegration sammeln, in die Weiterentwicklung unserer eigenen Produkte einfließen lassen. So können wir unsere Cobots noch kundenorientierter entwickeln.

Haben Sie zur Weiterentwicklung auch Teile der alten Rethink-Mannschaft übernommen?

Unterhalt: Wir haben in erster Linie die Vermögenswerte übernommen, die notwendig sind, um Sawyer weiterzuentwickeln, zu produzieren, zu verkaufen und den Service abzudecken. Dies umfasst die Namensrechte, alle Patente sowie die gesamte Soft- und Hardware. Darüber hinaus haben wir einige Mitarbeiter im Bereich Anwendungen, Produktmanagement und Service übernommen. Um den Kompetenztransfer sicherzustellen, arbeiten wir darüber hinaus mit ehemaligen Mitarbeitern aus den Bereichen Mechanik, Software, IT und Projektmanagement zusammen. In erster Linie planen wir aber, eine eigene Organisation mit Kompetenzen aus der Hahn Group aufzubauen. Dazu haben wir in Deutschland beispielsweise bereits das komplette Vertriebs- und Application Engeering Team der Hahn Robotics in die Rethink Robotics überführt. Parallel dazu bauen wir außerdem ein neues Softwareteam auf.

Sie suchen derzeit also nach neuen Mitarbeitern?

Unterhalt: Ja, wir haben große Ambitionen mit Rethink und benötigen dafür natürlich zusätzliches qualifiziertes Personal. Um keine Zeit zu verlieren, arbeiten wir im Moment in Sachen Software mit einem großen Unternehmen in Israel zusammen und sind damit bereits in der Lage, Bugfixing und die Weiterentwicklung von Intera5 zu betreiben. Mittelfristig wollen wir aber natürlich ein eigenes Team aufbauen und sind dazu schon in Gesprächen. Darüber hinaus suchen wir auch neue Mitarbeiter für die Bereiche Hardware und Service. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck am Aufbau eines Servicenetzwerkes.

Sie planen also eine Erweiterung in Sachen Service und Reparatur? Wie sehen Ihre konkreten Pläne aus?

Unterhalt: Rethink Robotics, Inc. hatte den Service zentral über Boston abgewickelt. Infolgedessen musste also jeder Roboter dorthin verschifft werden. Unser Ansatz ist ein anderer: Wir planen, drei dezentrale Service-Hubs aufzubauen. So sinken die Transportkosten signifikant und unsere Teams sind näher beim Kunden. Boston bleibt dabei als Hub für die USA und den nordamerikanischen Markt erhalten. Für Kunden in Europa errichten wir einen zweiten Hub in Deutschland, und einen dritten in Japan für den asiatischen Markt.

Hahn Group GmbH

www.hahn.group

Rethink Robotics GmbH

www.rethinkrobotics.com/de/


Philipp Unterhalt: Zur Person

Philipp Unterhalt ist Spezialist für Strategie- und Unternehmensentwicklung. Nach Stationen in der Beratung und internationalen Konzernen war er bei der RAG-Stiftung Beteiligungsgesellschaft mbH (RSBG) Investment Manager und Head of Corporate Development. In dieser Rolle war er verantwortlich für den Cluster Automation & Robotics und hat zum einen die Konzeption der Hahn Group und ihr externes Wachstum vorangetrieben und zum anderen die Beteiligung an Rethink Robotics, Inc. geführt. Seit Anfang 2019 verstärkt Philipp Unterhalt die Geschäftsführung der Hahn Group und soll sich dort insbesondere um die Unternehmensentwicklung und den Ausbau der digitalen Services kümmern. Interimsweise leitet er auch die Hahn-Tochter Rethink Robotics GmbH.


Hahn: Drei Säulen für die Robotik

Die Hahn Group ist ein Netzwerk aus Spezialisten für industrielle Automatisierungs- und Roboterlösungen. Die Hahn Gruppe beschäftigt rund 1.400 Mitarbeiter an 20 Standorten in 13 Ländern weltweit und bedient vor allem Kunden aus Automobilindustrie, Konsumgüterindustrie, Medizintechnik, Healthcare und Elektronikindustrie.

In ihrer Robotik-Division stellt sich die Hahn Group aktuell mit drei Unternehmen auf:

1. Hahn Robotics als herstellerunabhängiger Integrator

2. Rethink Robotics als Roboterhersteller

3. Hahn Robshare mit seinem Cobot-Miet-Angebot („Zeitarbeitsfirma für kollaborative Roboter“)


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