Bei Schiller Automation wagt man sich gerne auf unbekanntes Terrain, denn Innovationsfreude wird bei dem Sondermaschinenbauer aus Sonnenbühl großgeschrieben. Auch auf digitale Zwillinge und die Simulation von Maschinenabläufen hatte Schiller Automation bereits ein Auge geworfen, um bei der Inbetriebnahme wertvolle Zeit zu sparen. Da solche Simulationen aber meist eine lange Entwicklungszeit mit sich bringen, stand für Schiller der Aufwand für eine einzelne Maschine bisher in keinem Verhältnis zum eigentlichen Nutzen.
Im Sommer 2021 trat der langjährige Kunde Bosch an den Sondermaschinenbauer heran: Für ein Werk in Ungarn brauchte Bosch eine Anlage zum Umladen von großen Automobil-Bauteilen in Blister – technisch kein Problem. Es hatte jedoch bereits Verzögerungen im Projektablauf gegeben, die man wieder aufholen wollte. Die Anforderung an Schiller Automation: Noch schneller sein als der ohnehin schon straffe Zeitplan.
Testprojekt gesucht
Zeitgleich und unabhängig davon stand das Bosch-Softwarehaus Bosch Connected Industry ebenfalls vor einer Herausforderung: Dort hatte man für Nexeed Automation eine Lösung erarbeitet, die auf Basis von fertigen Objekten aus der Automatisierungsplattform Control plus recht schnell einen dreidimensionalen digitalen Zwilling zu Simulationszwecken erstellt. Um zu testen, ob die neue 3D-Simulation im Sondermaschinenbau wirklich einen Mehrwert bringt, brauchte Bosch Connected Industry ein Testprojekt.
Als Schiller Automation, langjähriger Nutzer von Control plus, bei Bosch nachfragte, wie sich bei der Anlagenprogrammierung Zeit einsparen ließe, fügten sich die beiden Puzzleteile zusammen. Der Sondermaschinenbauer erklärte sich umgehend bereit, die neue Lösung zu testen, damit beide Unternehmen Erfahrungen sammeln konnten und die Anlage schneller einsatzbereit ist.
„Wir kennen Schiller Automation schon lange und wussten, dass das Unternehmen neuen Entwicklungen sehr offen gegenübersteht. Da lag es auf der Hand, ihnen unsere neue Lösung vorzuschlagen“, so Benedikt Geissler, Produktmanager bei Bosch Connected Industry.
Schneller Import der CAD-Daten
Basis für die 3D-Simulation sind die Daten aus der Maschinenkonfiguration mit Control plus von Nexeed Automation. Da die Simulation die in der Automatisierungsplattform hinterlegten CAD-Objektdaten der Maschinenkomponenten nutzt, ist bereits eine Menge Vorarbeit getan. Durch den schnellen Import der Objekte entsteht in kurzer Zeit ein dreidimensionaler digitaler Zwilling der Maschine, der sämtliche Maschinenabläufe simulieren kann. So lassen sich die Abläufe virtuell testen und optimieren – lange bevor die reale Anlage physisch aufgebaut ist.
Da die 3D-Simulation sich noch in der Prototypphase befand, betreute Bosch Connected Industry das Projekt sehr engmaschig und stellte der Schiller Automation mit dem Software-Ingenieur Ricardo Fernandes einen Coach zur Seite. Auf Grundlage der CAD-Daten der Maschinenkonfiguration entstand in wenigen Tagen der digitale Zwilling. Schiller-Mitarbeiter konnten mit Unterstützung durch den Coach die Automationssoftware für die Maschine direkt testen. Kleine Änderungswünsche wurden von Ricardo Fernandes schnell umgesetzt.
Der erste Eindruck hat überzeugt, berichtet Thomas Schwitalle, Softwareentwickler bei der Schiller Automation: „Wir konnten wirklich viel simulieren und die Abläufe genau so nachstellen, wie sie später von der realen Anlage übernommen wurden. Zuvor haben wir die von uns konfigurierte Automatisierung immer erst an der realen Anlage testen können. Zudem konnten wir die Anbindung an das MES des Kunden, die sonst erst ganz am Ende des Projekts erfolgt, viel früher vornehmen.“ Neben der Zeitersparnis ist die Möglichkeit, risikofrei zu testen einer der größten Vorteile der 3D-Simulation, ergänzt Rainer Wolf, als Abteilungsleiter bei Schiller Automation zuständig für den Bereich Software.
Wenn beim Test an der realen Anlage vor Ort etwas kaputt geht – etwa, weil ein Greifer innerhalb der Anlage kollidiert –entstehen zum einen Mehrkosten, zum anderen verzögert sich durch so einen Fehler die Inbetriebnahme durch Wiederbeschaffung. Wolf „Bei den aktuellen Lieferzeiten ist dies ein nicht zu unterschätzendes Risiko, das dank der Simulation signifikant reduziert wird.“
Mittlerweile läuft die Anlage bei Bosch in Ungarn. „Bei dem Projekt hatte es vier Wochen Verzögerungen gegeben, als wir involviert wurden. Etwa zwei Wochen hat es gedauert, bis der digitale Zwilling bereit war und wir uns damit vertraut gemacht hatten. Durch die 3D-Simulation konnten wir die Anlage jedoch vier Wochen früher in Betrieb nehmen. Alles in allem kann man also sagen, dass wir bereits bei diesem ersten Projekt mit der neuen Simulationssoftware trotz Einarbeitungszeit zwei Wochen einsparen konnten“, freut sich auch Wolf über den Erfolg.
Für die Schiller Automation wird dieser Einsatz nicht der letzte sein, wie Wolf abschließend verrät: „Wir freuen uns darauf, die 3D-Simulation bei künftigen Projekten wieder zu nutzen und können uns auch vorstellen, den digitalen Zwilling konzernweit einzusetzen.“
Auch bei Bosch Connected Industry freut man sich über den Erfolg des Projekts, wie Benedikt Geissler berichtet: „Dank der guten Kooperation, konnten wir bei diesem Feldversuch viel lernen. An ein paar Stellen haben wir bei der Nutzerfreundlichkeit nachjustiert – sodass jetzt beispielsweise stärker farblich markiert wird, wenn ein Bauteil in der Simulation ein anderes streift. Insgesamt bringen wir so eine ausgereifte Software auf den Markt, die bereits gute Erfolge nachweisen kann.“ Die 3D-Simulation ist künftig als Studiosoftware für alle Nutzerinnen und Nutzer von Nexeed Automation verfügbar. „Damit können unsere Kunden 3D-Simulationen ganz einfach und unkompliziert selbst erstellen.“
Bosch Connected Industry
www.bosch-connected-industry.com
Mehr zum Thema Industrie 4.0