Das Sensorsystem Smartpredict von Indtact zeichnet Schwingungsdaten einer Maschine auf und lässt Rückschlüsse auf den Verschleiß zu – künftig wird das System eine Auswahl an Fehlersymptomen vorschlagen. Das Cube67-Diagnose-Gateway von Murrelektronik erfasst Prozesskommunikation und Diagnosemeldungen – identifizierte Fehlerquellen werden mit einem Lösungsvorschlag kombiniert. Zwei Beispiele, wie sich KI peu à peu in die Produktion einschleicht.
„Innerhalb der nächsten fünf Jahre ist mit dem Einsatz der KI im produzierenden Gewerbe in Deutschland eine zusätzliche Bruttowertschöpfung in Höhe von circa 31,8 Milliarden Euro verbunden, was einem guten Drittel des gesamten Wachstums entspricht“, beziffern die volkswirtschaftlichen Experten Dr. Matthias Bürger und Dr. Leo Wangler vom Institut für Innovation und Technik (iit) in Berlin die große Wirkkraft der KI.
In einer Studie haben die Experten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) die „Potenziale der Künstlichen Intelligenz im produzierenden Gewerbe in Deutschland“ untersucht und dazu Anwender, Anbieter und Forscher befragt. Die Studie zeigt: In der Produktion wird KI derzeit noch eher zurückhaltend eingesetzt: In der Produktion nutzen heute erst acht Prozent der KMUs und 26 Prozent der Großunternehmen KI-Technologien – als konkrete Anwendungsbereiche stehen eher Forschung und Entwicklung, Service/Kundendienst, Marketing/Vertrieb und Planung im Vordergrund.
Allerdings liegen gerade in der Produktion die meisten Ansatzpunkte für KI-Anwendungen. „Im Produktionsprozess entfalten sich Potenziale im Bereich der Anlagen- und Maschinenwartung sowie in der Fertigung durch Robotik“, erklärt Studienleiterin Dr. Inessa Seifert, die zudem Prozessoptimierungen durch Fertigungs- und Kapazitätsplanung sowie die Qualitätsprüfung anführt. „Innerhalb der nächsten fünf Jahre, da sind sich die Anwender einig, werden sich fünf KI-Anwendungen als besonders relevant erweisen: Predictive Analytics, intelligente Assistenzsysteme, Automatisierung, Robotik und smarte Sensorik.“
Laut Martin Hägele, Leiter der Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme am Fraunhofer IPA, profitiert insbesondere die Industrierobotik gleich dreifach von der KI:
- Die Bildverarbeitung ist eine Schlüsseltechnologie, um Objekte zu identifizieren und zu lokalisieren oder um Umgebungen zu erfassen.
- KI und maschinelles Lernen werden zur intuitiven Instruktion von Robotern genutzt.
- KI verbessert die Leistungsfähigkeit des Roboters, etwa Genauigkeit oder Geschwindigkeit
Zum Selbstläufer wird der KI-Einsatz aber nicht. „Zu den wichtigsten Systemvoraussetzungen zählen sowohl Anwender als auch Anbieter die Robustheit der Algorithmen, Datenqualität, Sensorik sowie Datenhoheit und -zugang“, berichtet Studienleiterin Seifert. „Die Unternehmen treibt vor allem die IT-Sicherheit zum Schutz sensibler Unternehmensdaten vor Cyberangriffen um, ebenso die funktionale Sicherheit für den zuverlässigen und sicheren Betrieb von industriellen Systemen.“
Fachkräfte fehlen
Als kritisch beklagen 60 Prozent der Anwenderfirmen das Fehlen von KI-Fachkräften. Ein knappes Drittel der befragten Anwender ist sogar generell der Ansicht, dass ihnen Voraussetzungen wie eine digital vernetzte Produktion fehlen, um KI effizient nutzen zu können. Laut den befragten Anbietern hinkt sogar die Hälfte der Produktionsunternehmen bei der Grundvoraussetzung Industrie 4.0 hinterher. Aus den stark abweichenden Einschätzungen leitet die Studienleiterin Seifert Aufklärungsbedarf ab: „Die Unternehmen des produzierenden Gewerbes unterschätzen zum Teil die notwendigen Voraussetzungen für den Einsatz von KI.“
Um bösen Überraschungen vorzubeugen, sollte nach den aktuellen Erfahrungen des IPA-Experten Hägele auf jeden Fall festgelegt sein, welches Ziel mit einem KI-Projekt erreicht werden soll. „Dafür ist der konkrete industrielle Prozess präzise zu spezifizieren. Eine weitere unterschätzte Herausforderung ist die Verfügbarkeit genügender Mengen aussagekräftiger Daten. Unternehmen, die im Rahmen von Industrie 4.0 bereits in die Vernetzung ihrer Produktionsmaschinen investiert haben, sind hier im Vorteil.“
Wer beim Einstieg in die KI-Welt Hilfe benötigt, dem rät Hägele, Initiativen des Technologietransfers aufzugreifen. Beispielsweise soll das mit Landesmitteln finanzierte Zentrum für Cyber Cognitive Intelligence (ZCCI) am Fraunhofer IPA Firmen unterstützen, Anwendungsfälle für den Einsatz von KI zu identifizieren und Methoden sowie KI-Technologien im Praxisalltag erfolgreich zu nutzen. „So wird ein Verständnis dafür geschaffen, Daten intelligent zu nutzen sowie sicher und rechtskonform zu verwerten und sie als Wirtschaftsgut zu behandeln.“
Denn in fünf Jahren, so zeigt die Studie, dürfte KI in der Produktion weiter verbreitet sein: Arbeiten heute erst 15 Prozent der Unternehmen in der Produktion mit KI, so wollen in fünf Jahren 62 Prozent KI-Technologien in der Produktion einsetzen. Damit schiebt sich das Produktionsumfeld (neben Bereichen wie Forschung und Entwicklung, Service/Kundendienst und Marketing/Vertrieb) in die Spitzengruppe.
Angst vor Dominanz der Großen
Ein Knackpunkt könnte allerdings beim Thema externe Hilfe lauern: Heute arbeiten 34 Prozent der Unternehmen beim KI-Einsatz in der Produktion mit externen Anbietern zusammen, in fünf Jahren wollen 61 Prozent externe Dienstleister einbeziehen. Allerdings befürchten gerade die mittelständischen Anwender, dass der KI-Markt künftig von großen internationalen Technologiekonzernen dominiert wird. 84 Prozent der KMUs und immerhin 50 Prozent der Großunternehmen würden daher (hätten sie die Wahl) KI-Anbieter aus Europa bevorzugen.
Ein Trost hält die Studie immerhin für Anwender bereit, die bei internationalen KI-Anbietern fremdeln: Geht es darum, KI-Technologien zu Anwendungen zu kombinieren, gilt Deutschland nach der iit-Studie in drei produktionsaffinen Disziplinen als stärker als die USA oder China – in der intelligenten Automatisierung und Sensorik sowie der Qualitätskontrolle.
Die kostenlose KI-Studie, die im Rahmen des Technologieprogramms PAiCE des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erstellt wurde, finden Sie unter www.paice.de
Bild: iit-Studie