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Ein Antreiber mit Vision

Enis Ersü hat Isra Vision zum Global Player der Machine Vision aufgebaut
Ein Antreiber mit Vision

Mit viel Elan hat Enis Ersü den Bildverarbeitungsspezialisten Isra Vision in nur 30 Jahren vom forschungsnahen Jungunternehmen zum global Player entwickelt. Zur Ruhe setzen will sich der 60+jährige aber nicht: Er ist immer noch voller Tatendrang. Autor: Armin Barnitzke

Als er aus Istanbul zum Studieren nach Darmstadt kam, war Ersü 19 Jahre alt. Heute ist er 63 und Vorstandsvorsitzender eines weltweit operierenden Unternehmens mit 125 Millionen Euro Jahresumsatz und über 700 Mitarbeitern weltweit. Es ist also viel passiert in seinem Leben.

Eines mag er aber nach wie vor nicht: Behäbigkeit. Bei Pressekonferenzen beispielsweise zeigt er schon gleich zu Beginn auf die Uhr und treibt seine Manager an, zum Punkt zu kommen. Und man merkt: Ersü ist voller Tatendrang, immer noch. Genau das hat ihn schon 1985 bewegt, als Wissenschaftler der Technischen Universität Darmstadt den Sprung in die Wirtschaft zu wagen und ein Unternehmen zu gründen.
„Wir waren eine Gruppe wagemutiger Ingenieure und wollten unsere Ideen aus dem Forschungsbetrieb der Wirtschaft schnell und unkompliziert zur Verfügung stellen“, erinnert sich Ersü. Im akademischen Umfeld und in Großunternehmen aber seien die Wege lang und man gehe durch viele Instanzen, bis etwas passiert. Daher wagte die Gruppe um Ersü den Sprung ins kalte Wasser.
Wunsch, Unternehmer zu werden, hat ihn schon immer gereizt
Der Wunsch Unternehmer zu werden, hat ihn schon immer gereizt, gibt Ersü zu, zumal es bereits einige Unternehmer in der Familie gab. Zwar sei das Unternehmertum mit 19 noch nicht das ganz große Ziel gewesen, „aber während des Studiums hat mich die Herausforderung eines eigenen Unternehmens dann immer stärker fasziniert.“ Denn unternehmerisches Handeln habe eine sehr bedeutende Komponente: „Visionen zur Realität werden zu lassen“, so Ersü. „Dabei übernimmt man gesellschaftliche Verantwortung und bestimmt gleichzeitig die Art und Weise, in der man diese Verantwortung umsetzen möchte, selbst.“ Das erschien ihm als ein reizvoller Weg, „so dass mich der Mut letztlich gepackt hat. Mut ist dafür essenziell, ohne geht es nicht.“
Und man benötigt natürlich ein Gespür dafür, was der Markt benötigt. „Was wir damals erforschten, war zu weiten Teilen zwar etwas völlig Neues. Gleichzeitig waren aber der Bedarf und die Formierung eines Marktes für industrielle Automatisierung und Bildverarbeitung erkennbar.“ Mit seinen 3D-Robot-Vision-Systemen und Technologien für die Oberflächeninspektion hat Isra Vision daher echte Benchmarks gesetzt und ist über die Jahre hinweg kontinuierlich gewachsen.
Börsengang als Wachstumsbeschleuniger
Lag der Umsatz im Jahr 2000 noch bei ca. 16 Millionen Euro, betrug er 2006 schon über 50 Millionen. 2014 knackte Isra dann bereits die 100 Millionen Marke. Eine wichtige Rolle bei dieser rasanten Wachstumsstrategie war die Wandlung zur AG und der IPO im Jahr 2000: „Für uns war der Börsengang ein strategischer Wachstumsbeschleuniger. So akquirierten wir die notwendigen finanziellen Mittel für die nächsten Projekte und Entwicklungsschritte als Eigenkapital.“
Das an kurzlebigen Quartalszahlen orientierte Börsenparkett stört ihn nicht: „Auf kurzfristige Bewertungsschwankungen achten wir schon seit damals eher weniger. Unser Fokus lag und liegt schon immer auf dem Unternehmenserfolg.“ Zudem helfe die notwendige Transparenz dabei, disziplinierter zu wachsen und Verbesserungsmöglichkeiten immer im Blick zu behalten.
Neben dem organischen Wachstum hat Ersü für seine Wachstumsstrategie auch die Möglichkeit von Firmenzukäufen aktiv genutzt. Beispiele dafür sind unter anderem die Integration der Parsytec in Aachen 2007, mit der Isra die Fachkompetenz in der Metallinspektion ausbaute; des Weiteren die GP Solar und die Vision Experts GmbH, mit denen Isra 2013 ihr Portfolio für die Solar- bzw. 2014 das für Druckinspektion vergrößerte. „In erster Linie setzen wir auf ein robustes Kerngeschäft und nutzen die Möglichkeiten der Akquisitionen, um noch stärker zu werden, unsere Marktanteile zu erhöhen und neue Märkte zu erschließen.“ In Frage kämen dabei aber nur Unternehmen, bei denen ein Zusammenschluss im Ergebnis mehr bedeutet, als nur die betrieblichen Vorteile durch Skalen- und Synergieeffekte. „1 und 1 muss mehr als 4 ergeben, nach dieser Formel entscheiden wir.“
Innovationen beim maschinellen Sehen vielfach ausgezeichnet
Heute befinden sich die Darmstädter im zweiten Jahr nach dem Knacken der 100 Millionen-Euro Umsatzmarke. „Das war eine wichtige neue Größenordnung für uns. Ein Wachstumstreiber, gerade im Hinblick auf Skaleneffekte und die Marktdurchdringung in den verschiedenen Industrien“, so Ersü. Nun peilt er schon das nächste Ziel an, die 150 Millionen. „Bei einem Marktvolumen von circa sieben Milliarden Euro und unserem aktuellen Wachstumskurs können wir uns solche Ziele mit sehr gutem Gewissen setzen.“ Schon in den nächsten zwei Jahren will er die 1000-Mitarbeiter-Marke erreichen.
Helfen soll dabei auch die stete Innovationsbereitschaft. „Auf der Automatica haben wir mit unserem Touch & Automate-Portfolio ein hochentwickeltes Automatisierungskonzept präsentiert, mit dem wir weitere Marktpotenziale erschließen werden.“ Für seine Innovationen im Bereich maschinelles Sehen wurde Isra vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Hessischen Innovationspreis, in Deloiites Wettbewerb Technology Fast 50 oder im Ranking der Top 100 der innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand. 2015, darauf ist Ersü besonders stolz, wurde Isra für die innovative 3D-Sensorproduktfamilie Plug & Automate von der Bundesregierung mit dem Innovationspreis der deutschen Wirtschaft in der Kategorie mittelständische Unternehmen ausgezeichnet.
„Erfindergeist und Interesse an neuen Möglichkeiten gehören für mich zum Ingenieurdasein dazu“, sagt Ersü. „Wer keinen Innovationswillen hat, entwickelt keine neuen Ideen und ist unfähig, auf die Bedürfnisse am Markt zu reagieren.“ Daher investiert er rund 15 Prozent des Umsatzes in die Entwicklung. „In internen Innovationsworkshops, die wir regelmäßig abhalten, tauschen wir uns kontinuierlich aus. Da spiele ich gerne mit – wenn es die Zeit denn zulässt.“
Forschung und Entwicklung erhält weiter viel Aufmerksamkeit
Ersü ist es wichtig, die Nase im technologischen Wind zu halten. Zwar überwiegen bei ihm natürlich inzwischen die strategischen Aufgaben. „Aber ich halte mit meinen Mitarbeitern einen sehr engen Kontakt und widme Forschung und Entwicklung eine besondere Aufmerksamkeit – als Ingenieur wie als Unternehmer. Es ist selbstverständlich für mich, dass ich bei wichtigen Belangen eine fundierte Meinung habe, auch bei neu aufkommenden Themen.“
Ebenso selbstverständlich ist für Ersü die Förderung des ingenieurwissenschaftlichen Nachwuchses. In einer Kooperation unterstützt Isra die TU Darmstadt jährlich finanziell sowie durch die Vergabe des „Machine Vision Preises“ für die studentische Forschung im Bereich sehender Maschinen: „Es ist Aufgabe der Industrie, die fachliche Ausbildung durch gezielte Förderung voranzutreiben und ihr Orientierung zu geben. In unserem Fall unterstreicht eine Förderung der nachwachsenden Fachkräfte-Generationen auch die Karrierepotenziale im relativ unbekannten aber wachstumsstarken Bereich Machine Vision.“
Langsame Abnabelung ist schon im Gange
Allmählich stellt sich für Ersü allerdings auch die Frage, wie es weiter gehen soll mit seinem Unternehmen, dem er sowohl als Manager als auch als Aktionär verbunden ist. „Ein paar Jahre will ich schon noch aktiv bleiben.“ Der Prozess der langsamen Abnabelung sei aber schon im Gange. „Erst kürzlich haben wir das Management verstärkt, Entscheidungen werden häufiger in größerem Rahmen getroffen.“ Einen möglichen Nachfolger aus der eigenen Familie gibt es nicht, aus dem Unternehmen aber sicherlich: „Wir warten ab.“
Keine Option ist es für Ersü, seine Anteile am Ende seines Arbeitslebens einfach nur meist bietend zu versilbern. „Das Unternehmen nur großzuziehen und zu verkaufen, stand nie zur Debatte. Natürlich ist Isra wie mein Baby, ich bin mit dem Unternehmen eng verbunden und stehe zu 100 Prozent dahinter. Die bestmögliche Weiterentwicklung des Unternehmens und der Chancen der Mitarbeiter sehe ich daher als meine Hauptaufgabe.“
Daher ist auch eine Zeit „nach Isra“ für den Unternehmensgründer und CEO kaum ein Thema: „So lange es Isra gibt, werde ich beitragen und unterstützen.“ Auch etwaigen Freiraum wird sein Tatendrang kaum zulassen, denn auch „für die Zeit danach gibt es schon ein paar unternehmerische Ideen als Navigator von Neugründungen.“ ↓
Isra Vision AG
www.isravision.com; Motek Halle 7, Stand 7216
„Natürlich ist Isra wie mein Baby. Ich bin mit dem Unternehmen eng verbunden und stehe zu 100 Prozent dahinter.“ Enis Ersü

Integration verschiedener Kulturen hat dem Unternehmen nur Vorteile gebracht

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Ob es für ihn als Unternehmer mit türkischem Background schwierig war, in Deutschland ein Unternehmen aufzubauen? Enis Ersü schüttelt mit dem Kopf: „Mein Abitur an der Deutschen Schule Istanbul hat mich exzellent auf Deutschland vorbereitet. Ich beherrschte die Sprache und war bereits mit den kulturellen Eigenheiten der beiden Länder vertraut.“
Entsprechend könne er nur unterstreichen, dass Sprachkenntnisse und kulturelles Wissen beim Thema Migration von enormer Bedeutung sind. Weitere zentrale Schlüsselfaktoren sind für ihn Bildung und Ausbildung. In Bezug auf das Thema Migration in Deutschland hat er einen durchaus differenzierten Blick. „Ich sehe die Fehler, die hier in den letzten 40 Jahren in Deutschland passiert sind, genauso wie die Vorzüge.“
Natürlich sei die momentane Situation sehr komplex: „Integration ist nicht mehr nur Migration und Einbürgerung.“ Flüchtlinge, Terror, Pegida und AfD seien Themen, die einen insgesamt orientierungslosen Zustand erzeugen. „Ich habe großen Respekt davor, dass in Deutschland trotzdem oft mit einem pragmatischen Ansatz Lösungen gesucht und gefunden werden – auch wenn für die Zukunft Verbesserungen wünschenswert sind “, so Ersü.
Für Isra Vision als Unternehmen jedenfalls habe die Integration verschiedener Kulturen immer nur Vorteile gebracht. „Bei uns arbeiten Menschen aus 15 Nationen, wir haben Integration immer gelebt, die Barrieren waren von Anfang an niedrig.“ Es sei Teil der Firmenphilosophie, die kulturellen Unterschiede und die Vielfältigkeit der Mitarbeiter zu respektieren. „Von Diversität geprägte Unternehmen entwickeln eine Kultur des Lernens voneinander. Kulturelle Unterschiede trainieren auch eine ganz allgemeine Aufmerksamkeit und Offenheit, die auf vielen Ebenen hilfreich und nützlich ist.“ ↓
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