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Fahrerlose Transportsysteme und autonome mobile Roboter: Was ist der Unterschied zwischen FTS und AMR?

Flexibilität für Materialfluss und Transport
Fahrerlose Transportsysteme und autonome mobile Roboter: Was ist der Unterschied zwischen FTS und AMR?

Trends wie Smart Factory und steigende Variantenvielfalt rufen nach einem flexiblen Materialfluss. Mobile Transportplattformen für Intralogistik und Produktion sind daher mächtig im Kommen. Am Markt tummeln sich dabei unterschiedliche Ansätze: Einerseits fahrerlose Transportsysteme (FTS), andererseits autonome mobile Roboter (AMR). Wo liegen die Unterschiede? Was eignet sich wo? Ein Überblick.

Autor: Armin Barnitzke

Den anhaltenden Boom bei mobilen Logistik- und Transportsystemen belegen die Zahlen des Weltroboterverbands IFR. Danach sind die Installationszahlen für fahrerlose Transportsysteme (FTS) und mobile Roboter in zwei Jahren von 52.000 in 2018 auf 114.000 in 2020 angewachsen. Die IFR hält auch ein weiterhin starkes Umsatzwachstum von jährlich 40 % oder mehr für möglich.

Für die IFR fallen solchen mobilen Transportroboter und fahrerlosen Transportsysteme (FTS) unter die Rubrik professionelle Serviceroboter. „Die Investition in professionelle Serviceroboter für die Logistik in Fertigungsprozessen amortisiert sich schnell“, sagt IFR-Präsident Milton Guerry. „Unter der Annahme eines 24-Stunden-Betriebs kann sich die Investition in Serviceroboter für die Logistik innerhalb von zwei bis drei Jahren amortisieren, oft sogar noch viel schneller.“

Treiber Intralogistik

Aber woher kommt der Boom bei FTS und mobilen Robotern? Treiber der starken Nachfrage sind insbesondere Logistikanwendungen in ganz unterschiedlichen Bereichen: Von E-Commerce-Versendern über Krankenhäuser bis hin zur klassischen Intralogistik in der Industrie. Denn die Automatisierung der Montage- und Fertigungsprozesse ist in der Industrie meist bereits sehr stark ausgereizt. Dagegen liegt in Logistik und Materialzuführung noch sehr viel Einsparungspotenzial.

Hinzu kommt, dass das Lager für den Produktionsnachschub (bedingt durch die hohe Varianz) heute oftmals mehr Platz benötigt als die eigentliche Fertigungslinie. FTS und Mobilroboter transportieren daher verstärkt Teilenachschub automatisch aus dem Lager an die Montagelinien. Oder sie bringen fertige produzierte Teile aus der Produktion ins Lager oder in die Qualitätssicherung im Nachbargebäude.

Aber auch jenseits der produzierenden Industrie wächst der Bedarf: treibende Kräfte für den Boom bei fahrerlosen Transportsystemen (FTS) sind eben auch Logistiklösungen für Kliniken und Krankenhäuser sowie Warenlager-Lösungen für E-Commerce-Unternehmen. Nicht umsonst hat sich Zalando am mobilen Roboter-Spezialisten Magazino beteiligt.

Treiber flexible Fabrik

Neben der Intralogistik ist aber auch die flexible Fabrik, die Smart Factory der Industrie 4.0, ein großer Treiber für mobile Roboter und FTS. Vorreiter sind hier mal wieder die Automobilhersteller. Denn die Forderung nach Variantenvielfalt und mehr Flexibilität in der Automobilfertigung machen FTS zum Beispiel auch für den Karosseriebau interessant. Im Getriebe- und Motorenbau hat sich die FTS-Technik ohnehin bereits etabliert.

Denn: Die Herausforderung aus kleiner werdenden Losgrößen und wachsender Variantenvielfalt lässt mit starren Prozessen und Produktionsstrecken nicht mehr bewältigen. Die Idee: Statt auf einem Fließband fahren Karosserien oder Motoren auf mobilen Roboter-Plattformen durchs Werk und steuern dabei stets die richtige Produktionsinsel an. Gerade auch in der Produktion von E-Mobility-Komponenten werden FTS gerne eingesetzt, um etwa die Batterien von einer Station zur nächsten zu transportieren.

Diese hoch flexible Produktion, bei der das klassische Fließband ersetzt wird durch mobile Roboter oder FTS-Einheiten (die das Produkt genau dorthin bringen, wo es bearbeitet werden soll) wird auch als Matrix Produktion bezeichnet. Eine solche Matrix Produktion hat auch Kuka in Augsburg beispielhaft aufgebaut.

FTS oder autonome mobile Roboter?

Neben den klassischen fahrerlosen Transportsystemen (FTS) drängt gerade im Zusammenhang mit der flexiblen Smart Factory auch eine neue Generation autonomer mobiler Roboter auf den Markt. Aber wo genau liegt hier der Unterschied? Nun, grundsätzlich ist die Aufgabe eines mobilen Roboters der eines FTS sehr ähnlich: Es geht darum, Dinge von Punkt A nach Punkt B zu transportieren. Die Art und Weise, wie ein FTS und Mobiler Robotern vorgehen sind im Detail aber unterschiedlich.

  • Klassische fahrerlose Transportsysteme sind in der Regel spurgeführt. Sie nutzen also eine fest installierte Infrastruktur (etwa Drähte oder Wegmarken), um ihren Weg zu finden. Abhängig von den Einsatz-Umgebungsbedingungen werden etwa optische, magnetische oder induktive Leitlinien verwendet. Oder das FTS erkennt mit Kameras, Hallsensoren oder Antennen, ob es noch auf dem richtigen Weg ist. Diese spurgeführten Transportsysteme werden generell als fahrerlose Transportsysteme (FTS) bezeichnet. Die einzelnen mobilen Plattformen heißen fahrerloses Transportfahrzeug (FTF). Auf Englisch nennt man das Ganze Automated Guided Vehicles (AGV).
  • Neben diesen spurgeführten Systemen gibt es inzwischen eine neue Generation von autonom navigierenden Fahrzeugen auf dem Markt, die als Autonomous Mobile Robot (AMR), Autonomous Intelligent Vehicles (AIV) oder Mobile Industrial Robot (MIR) angeboten werden. Eine einheitliche Bezeichnung gibt es noch nicht, oft sind dies Marketing-Begriffe der Hersteller. Der Begriff Autonomous Mobile Robot (autonomer moboiler Roboter, AMR) scheint sich aber durchzusetzen.

Vorteil eines autonomen mobilen Roboters

Vorteil eines solchen intelligenten mobilen Serviceroboters: Er braucht keine Infrastruktur, sondern kann komplett autonom navigieren. Er ist daher nicht an eine vorgegebene Route gebunden, sondern in den Routenfindung vollkommen flexibel. Dabei kann er auch Hindernissen oder Personen ausweichen. Dazu erfasst der autonome mobile Roboter mit Sensoren (etwa Lasersensoren oder Kameras) seine Umgebung und berechnet auf Basis einer bei der Installation eingelernten Umgebungskarte dann die optimale Route.

Ein anschauliches Bild verdeutlicht dies: „Ein autonomer mobiler Roboter ist wie ein Taxi, das Hindernisse umfahren und neue Routern wählen kann, wenn es einen Stau gibt. Dagegen sind spurgeführte FTS eher wie Züge oder Straßenbahnen, die nur vordefinierten Bahnen folgen können.“

Was eignet sich wo?

Allerdings setzt sich auch im klassischen FTS-Bereich immer mehr eine freie Navigation durch, so dass die klare Unterteilung FTS und AMR zunehmend verschwimmt. Zudem haben spurgeführte FTS den Vorteil, dass sie am Markt etabliert sind und eine sehr robuste Navigation bieten.

„Spurgeführte FTS haben auch heute noch – trotz der vielen Rufe nach Wandlungsfähigkeit – absolut ihre Berechtigung. Es ist eben entscheidend, eine mobile Transportlösung genau auf die Anwendung abzustimmen. Mehr Autonomie durch eine freiere Navigation ist kein Selbstzweck, sondern sollte dann zum Einsatz kommen, wenn es die Anwendung erfordert“, sagt Kai Pfeiffer, Servicerobotik-Experte am Fraunhofer IPA.

Pfeiffers Rat: „Wenn in der klassischen Intralogistik alles weitgehend fix und ortsunveränderlich ist, sich beispielsweise Lager und Montagearbeitsplätze immer am gleichen Ort befinden, dann sind spurgeführte FTS absolut ausreichend. Die flexible Maschinenverkettung hingegen sowie flexible Montagelinien sind gute Anwendungsbereiche für autonome Navigation.“

Ein weiteres Thema ist die Traglast: Klassische FTS-Plattformen kommen meist auch mit Gewichten von mehreren Tonnen zurecht. Die neuen intelligenten mobilen Roboter konnten zunächst vor allem geringere Gewichte transportieren und nähern sich dem Tonnen- und Europalettenbereich nun von unten an.

Kombination aus mobiler Plattform und Roboter

Der neueste Schrei im FTS- und Mobilroboter-Umfeld ist der Trend, die selbstfahrende mobile Plattform mit einem darauf platziertem Industrieroboter oder Cobot zu kombinieren. Mit diesem „fahrenden Handling-Roboter“ lassen sich dann Bring- und Holdienste, das Be- und Entladen von Maschinen automatisieren. Oder der Roboter auf der mobilen Plattform erledigt schon während der Fahrt von A nach B einfache Montagaufgaben am Werkstück.

Viele Roboteranbieter haben diese Idee aufgegriffen. Kuka bietet beispielsweise mit dem KMR iiwa (eine Kombination der mobilen Plattform KMP 200 mit dem Cobot LBR iiwa) seit Mitte 2018 ein industrietaugliches Serienprodukt an.

Bei Stäubli verfolgt man diese Idee mit dem Helmo, der eine fahrbare WFT-Plattform und einen Stäubli TX2-Roboter kombiniert. Beim Schwesterunternehmen Stäubli Electrical Connectors arbeitet der mobile Roboterassistent Helmo bereits in der Steckermontage.

Auch Omron arbeitet an einer Kombination aus kollaborativem Roboter und mobiler Plattform und hat dazu einen TM-Cobot von Techman mit den autonomen mobilen Robotern der hauseigenen LD-Serie kombiniert

Hersteller im Überblick

Aufgrund des mobilen Booms tummeln sich inzwischen eine Menge Anbieter am Markt für fahrerlose Transportsysteme und mobile Roboter. Hier ein grober Überblick:

1. Klassische FTS-Hersteller wie EK Automation, DS Automotion oder MLR.

2. Newcomer aus dem Mobilroboter-Umfeld wie Mobile Industrial Robots (MIR), Omron/Adept oder Magazino. Auch der Cobot-Newcomer Neura Robotics bietet zu seinen Cobots Maira und Lara auch eine autonome mobile Plattform (mav) an.

3. Logistik-Größen wie Swisslog, Dematic oder SSI Schäfer (hat sich an DS Automatoon beteiligt)

4. Klassischen Industrieroboter-Hersteller wie ABB, Kuka und Stäubli (mit der Übernahme des bayrischen FTS-Herstellers WFT).

5. Automationsspezialisten und Maschinenbauer wie SEW Eurodrive, Scio, Tünkers Maschinenbau, Dürr oder Grenzebach.

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